Rheinische Post Mettmann

KOLUMNE GOTT UND DIE WELT

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Wir sind nicht Anfang und Ende der Welt

Ich bin ein Star, schneidet mich aus!

www.rp-online.de/lindner

Nimmt man die Sprache ernst – gewisserma­ßen also beim Wort –, dann sehen wir nicht nur düsteren Zeiten entgegen, sondern überhaupt keiner Zeit mehr. Denn sprachlich befinden wir uns in einem chronologi­schen Niemandsla­nd, das vieles hinter sich gelassen hat oder wenigstens zu lassen glaubt: das Ende der Literatur, der Kunst, der Demokratie, der Fakten, schließlic­h auch der Zeit. Als würde die Postmodern­e ins Postapokal­yptische übergehen – begleitet von Symptomen des Postfaktis­chen. Als seien wir keine historisch­en Wesen mehr, mit einer Vergangenh­eit und einer Zukunft. Als seien wir nur noch Endzeitwes­en, die sich davor drücken, über unsere Gegenwart hinauszude­nken. Solche Ratlosigke­it wird selbst in der Geschichts­wissenscha­ft ablesbar, die für die Epochen menschlich­en Treibens die Antike erfand und das Mittelalte­r, von der Entdeckung Amerikas bis zur Revolution in Frankreich die Frühe Neuzeit kreierte, hernach die sogenannte Neuere Geschichte (bis zum Ersten Weltkrieg) und schließlic­h – was blieb da noch übrig? – die Neueste Geschichte. Und dann? Es mag bisweilen gut tun, etwas hinter sich lassen zu können. Doch ist die Frage damit noch nicht beantworte­t, was folgen wird. Natürlich sollte man die Welt und ihre Zeitmessun­g nicht von Begriffen abhängig machen. Doch sind sie durchaus ein Symptom für das Bewusstsei­n, dass wir das Hier und Jetzt zum Mittelpunk­t der Menschheit­sgeschicht­e erklären, besser vielleicht: verklären. Darin spiegelt sich die Unfähigkei­t, über uns und unsere Zeit hinauszude­nken. Wer nicht allein auf die Gegenwart fixiert bleibt und sich in Beziehung auch zur Vergangenh­eit setzt, relativier­t seine Existenz. Wir sind nicht Anfang und Ende des Weltganzen, obwohl wir das Internet erfunden und das Smartphone zum Gott erhoben haben. Ein Zeichen unserer Hybris ist die zunehmende Glaubensfe­rne. Wer den Sinn der Welt auf sich bezieht, kann nicht mehr auf Instanzen bauen, die zeitlos gültig sind. Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor:kolumne@rheinische-post.de

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Basteln Sie sich Ihren eigenen Christian Lindner zusammen. Die Druckvorla­gen für den Starschnit­t des FDP-Chefs gibt es unter:

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