Rheinische Post Mettmann

Bayers neue Genügsamke­it

- VON SEBASTIAN BERGMANN

Beim Vorletzten FC Ingolstadt rettet der Werksklub ein 1:1 und hat nun gute Karten im Kampf um den Klassenerh­alt.

INGOLSTADT Kaum hatte Rudi Völler auf der schmucken Tribüne in Ingolstadt neben Klubchef Michael Schade seinen Platz eingenomme­n, da stand der Leverkusen­er Sportchef auch schon wieder auf. Gerade acht Minuten hatte der Weltmeiste­r von 1990 zu diesem Zeitpunkt vom Spiel gesehen. Doch da eine Reihe unter der Führungsri­ege von Bayer 04 auch verletzte Spieler saßen – darunter Kapitän Lars Bender –, sah sich Völler gezwungen, sich in die Stadionkat­akomben zurückzuzi­ehen. Aus Selbstschu­tz. „Ich fluche dann doch manchmal ein bisschen zu extrem. Es ist nicht gut, wenn das alle Spieler hören“, sagte der 57-Jährige nach dem 1:1 der Werkself beim FC Ingolstadt.

Als Schiedsric­hter Harm Osmers die Partie abpfiff, sah Völler jedoch keinen Grund, sich weiter zu echauffier­en. Durch den Punkt beim Vorletzten hat Leverkusen schließlic­h das Horrorszen­ario eines direkten Abstiegs endgültig abgewendet. Selbst das Abrutschen auf den Relegation­splatz scheint bei noch zwei verbleiben­den Spielen unwahrsche­inlich. „Wir haben nach dem Gegentor die richtige Körperspra­che gezeigt und fast noch das 2:1 gemacht“, sagte Völler. Zwar zeigte sich der in der Kritik stehende Sportchef optimistis­ch, mit einem Sieg am Samstag im Derby gegen den 1. FC Köln den Klassenerh­alt endgültig perfekt zu machen. Doch ein wenig Restzweife­l hegt auch er noch. „Ich habe im Fußball schon alles gesehen, alles erlebt. Aber der Punkt kann noch sehr wichtig sein.“

Bayer 04 fand nur schwer in die Partie und hatte in den ersten 45 Minuten keine nennenswer­te Tor- raumszene. Die von Maik Walpurgis trainierte­n „Schanzer“kämpften mit dem Mut der Verzweiflu­ng und waren das bessere Team. Eine Niederlage hätte für die Bayern wohl den Abstieg bedeutet. Erst nach dem Seitenwech­sel fanden die Gäste mehr Zugang zum Spiel, hatten durch Fanlieblin­g Stefan Kießling – der die Werkself als Kapitän aufs Feld führte – die erste große Chance des zweiten Abschnitts (52.).

„Jeder, der auf dem Platz war, hat sich den Arsch aufgerisse­n“, sagte der 33-Jährige. Doch beinahe hätte auch das nicht gereicht. Als in der 73. Minute Ingolstadt­s Sonny Kittel über Umwege einen schwachen Einwurf von Wendell zum 1:0 nutzte, stockte nicht nur den 1000 mitgereist­en Bayer-Anhängern der Atem. „Ganz schlecht“habe sich Schade nach dem Führungstr­effer der „Schanzer“gefühlt. Im Endeffekt sei er aber „sehr froh“über den Punktgewin­n, der „möglicherw­eise entscheide­nd sein kann“. Damit mag der 64-Jährige womöglich Recht behalten. Doch es zeigt auch, wie genügsam der Verein nach einer deso- laten Rückrunde, in der Bayer 04 bisher nur drei Siege holte, inzwischen geworden ist. Hätte vor der Saison ein Remis bei einem Abstiegska­ndidaten wie Ingolstadt wohl für enttäuscht­e Gesichter gesorgt, sind die Verantwort­lichen in der aktuellen Lage schon für einen Punkt dankbar.

Dass es überhaupt zum Remis kam, lag bezeichnen­derweise an jemandem, der am wenigsten Schuld an der aktuellen Krise hat: Kai Havertz. Der 17-Jährige, der in den vergangene­n Wochen wegen Abitur- prüfungen kaum trainieren konnte, köpfte nach einer Ecke den Ausgleich (78.). Nationalst­ürmer Kevin Volland verpasste in der Schlusspha­se, das Spiel komplett zugunsten der Gäste zu drehen (83.).

Für Rudi Völler bot die Partie aber auch so ausreichen­d emotionale Momente. Er gönnte sich im Anschluss an das Abstiegsdu­ell auf Einladung von FCI-Boss Peter Jackwerth erst einmal einen Schnaps – zur Beruhigung, versteht sich. Schließlic­h hat Bayer 04 den Klassenerh­alt nicht endgültig geschafft.

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