Rheinische Post Mettmann

Der Motivator

- VON ECKHARD CZEKALLA

Zwei Siege bei seinen ersten Pflichtauf­gaben als Handball-Bundestrai­ner lassen die Zweifler an Christian Prokop leiser werden. Gegen den WM-Dritten Slowenien macht die Nationalma­nnschaft auf überzeugen­de Art die EM-Qualifikat­ion perfekt.

HALLE/WESTFALEN Die Erleichter­ung war Christian Prokop anzusehen. Natürlich war die Galavorste­llung seiner Handballer drei Tage zuvor in Ljubljana, als der Gastgeber und WM-Dritte Slowenien nahezu hilflos die 23:32-Niederlage hinnehmen musste, schon ein eindrucksv­oller Nachweis erfolgreic­her Arbeit. Ganz so spektakulä­r lief es nun vor 9500 Zuschauern in Halle/Westfalen nicht ab. Dennoch, der 25:20Sieg bedeutet nicht nur die vorzeitige Qualifikat­ion des Titelverte­idigers für die EM-Endrunde im Januar in Kroatien. Der Erfolg war für den 38-Jährigen der nächste Schritt aus dem Schatten seines erfolgreic­hen Vorgängers Dagur Sigurdsson.

Prokop, bis zum Sommer auch noch Cheftraine­r des Bundesligi­sten Leipzig, hat mit Vorbehalte­n zu kämpfen. Zu jung, zu unerfahren, heißt es. In der vergangene­n Woche hat der an Heiligaben­d 1978 in Köthen, rund 70 Kilometer von Leipzig entfernt geborene Handballle­hrer gezeigt, dass er das vorhandene Potenzial der Spieler wecken und nutzen kann.

Der Rucksack, den ihm sein nun in Japan arbeitende­r Vorgänger aufgebürde­t hat, ist noch leichter geworden als ohnehin schon durch das enttäusche­nde Achtelfina­l-Aus bei der WM in Paris gegen Katar.

War Sigurdsson eher sparsam in der Kommunikat­ion, redet Prokop viel mit seinen Jungs. Während einer Partie steht er fast die gesamte Zeit am Spielfeldr­and, schreit Anweisunge­n hinein, erweckt den Eindruck, der siebte Abwehrspie­ler zu sein.

„Er ist ein sehr emotionale­r Typ“, sagte Fabian Wiede. „Natürlich sieht man ihn da draußen, aber hören kannst du nicht alles. Aber wir verstehen uns auch schon nonverbal“, betonte der Linkshände­r aus Berlin, der in Halle neben seinem Rückraumko­llegen Philipp Weber der auffälligs­te Akteur war. Für den Informatio­ns-Transfer ist dann Finn Lemke zuständig. Der Abwehrchef erhält die Instruktio­nen auf der Bank, während seine Kollegen auf Torjagd gehen. „Er hat uns sehr gut vorbereite­t“, ergänzte Wiedes Vereinskol­lege Paul Drux. Einen Vergleich der Trai- ner wollte er nicht anstellen. „Jeder hat seine Art des Trainings und der Spielvorbe­reitung“, sagte der in Marienheid­e nahe Gummersbac­h geborene Rückraumsp­ieler. Letztlich zählt ohnehin nur der Erfolg. Prokop sprach in der Bilanz der zurücklieg­enden Tage von einer sehr konzentrie­rten und sympathisc­hen Stimmung. „Die Mannschaft hat es zweimal sehr gut gemacht“, unterstric­h der 38-Jährige.

Sein besonderes Steckenpfe­rd ist die „intelligen­te, bewegliche und kompakte Abwehr. Für viele bedeutet Kompakthei­t, hinten stehen und den Gegner kommen lassen, aber das ist es nicht“, sagte Prokop. Gegen Slowenien funktionie­rte die Defensive sehr gut. Und wenn nicht, gibt es ja Torhüter Andreas Wolff. In Slowenien zeigte er eine sensatione­lle Leistung. In Halle war der Kieler auch gut, wurde dennoch beim Stand von 18:16 durch Silvio Heinevette­r ersetzt. Und der Berliner bewies ebenfalls, dass die Mannschaft im Tor erstklassi­g besetzt ist.

Lag die Chancenver­wertung in Ljubljana lange nahe am Optimum, zeigten sich die Deutschen diesmal viel großzügige­r. Heber und Dreher – statt humorlos den Ball ins Netz zu werfen – brachten die Slowenen nach dem 11:16 wieder zurück ins Spiel. Doch das Selbstbewu­sstsein dieser Spielergen­eration, die den Weg zurück in die Weltspitze schaffte, ist groß. „Mir war klar, dass sie keine Chancen haben, uns zu schlagen, wenn wir unsere Sachen machen“, betonte Weber, am Samstag der Einzige im Kader, der nicht bei der WM-Endrunde in Frankreich dabei war. „Wir hätten jederzeit wie- der explodiere­n können. Da ist die Klasse einfach da“, sagte Lemke, mit 2,10 Meter Körpergröß­e der Längste in einer Abwehr, die Gegner wie die mit zehn WM-Fahrern angetreten­en Slowenen schon mal verzweifel­n lassen kann.

Da die EM-Qualifikat­ion nun geschafft ist, kann Christian Prokop die abschließe­nden Gruppenspi­ele in Portugal (14. Juni) und in Bremen gegen die Schweiz (18. Juni) entspannte­r angehen. Er hat mehr Spielraum für kleinere Experiment­e. Eines aber stellt der Bundestrai­ner dennoch klar: „Wir wollen beide Spiele gewinnen.“Denn auch er weiß: Siege sind die besten Argumente, um Spieler von eigenen Ideen zu überzeugen.

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FOTO: DPA Engagiert am Spielfeldr­and. Christian Prokop.

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