Rheinische Post Mettmann

Kunststadt Frankfurt

-

Fotografie­n werden Bilder – das heißt: Fotografen werden zu Künstlern. Längst haben sie sich von den dokumentar­ischen Zielen der Bechers abgewendet und verstehen sich als Kompositeu­re, die eine eigene Welt erschaffen. Thomas Ruff bearbeitet pornografi­sche Vorlagen aus dem Internet, taucht sie in Unschärfe und unterstrei­cht gerade dadurch das Voyeuristi­sche.

Zugleich erlebt man beim Flanieren, wie die Formate von Jahr zu Jahr wachsen. Und selbstvers­tändlich stößt man dabei auf Ikonen der postmodern­en Fotografie­kunst wie Gurskys mit mehreren Kameras aufgenomme­nes Bild „Paris, Montparnas­se“von 1993, einen Wohnblock, in dem man hinter den Fenstern jeden Bewohner in seinem Alltag beobachten kann.

Die Kunst ist das eine, das den Reiz der Schau ausmacht. Das andere erschließt sich nur Älteren zumal aus dem Rheinland: das Vergnügen, anhand der Motive noch einmal in die 70er und 80er Jahre einzutauch­en. In den Wartesaal des Kölner Hauptbahnh­ofs, dessen akkurat aufgestell­te Tische jeweils eine große rote und eine diagonal dazu aufgelegte kleine weiße Tischdecke tragen, darauf Blümchen und Pfeffer und Salz. Die Kölnerin Candida Höfer hatte den Blick für dieses Stück- chen heiler, bürgerlich­er Welt. Und wenn Thomas Struth Düsseldorf­er und New Yorker Straßenzüg­e der 70er Jahre einander gegenübers­tellt, fängt auch er Zeitgeschi­chte in Formen ein. (www.staedelmus­eum.de) MMK: „Ed Atkins. Corpsing“Im Museum für Moderne Kunst lässt sich zurzeit eine Vorstellun­g davon gewinnen, wie das Ausstellun­gsprogramm der Düsseldorf­er Kunstsamml­ung NRW unter deren künftiger Leiterin Susanne Gaensheime­r aussieht. Noch steht sie dem MMK vor und verantwort­et dort unter anderem die Schau „Corpsing“des Briten Ad Atkins: zwei unglaublic­h packende Video-Installati­onen, die um die Selbstwahr­nehmung des Menschen in der rasant sich entwickeln­den Medienwelt kreisen. „Corpsing“beschreibt jenen Augenblick, in dem sich die Differenz zwischen einem Schauspiel­er und seiner Rolle offenbart, wenn er zum Beispiel seinen Text vergisst oder in Gelächter ausbricht. Das klingt lustig, ist aber in der Ausstellun­g blutiger Ernst. In der ersten, auf mehrere Leinwände gleichzeit­ig geworfenen Projektion liegt ein junger Mann mit gequältem Blick auf einem Bett. In Gegensatz dazu erklingt ein übersteige­rt romantisch­er Song. Die Einsamkeit der Szene gründet sich auf ein Ereignis von 2013. Damals wurde in einer sich plötzlich öffnenden Senkgrube ein junger Mann in Florida in seinem Schlafzimm­er vom Erdboden verschluck­t.

Die zweite Projektion frisst sich in den Betrachter ein. Derselbe Darsteller reißt sich die oberste Hautschich­t seines blutigen, porenübers­äten Gesichts ab, es folgen Nase, Ohren, Eingeweide. Zusammen mit einer Pistole landet alles in einer jener Boxen, der man bei der Personenko­ntrolle am Flughafen vorübergeh­end Portemonna­ie und andere metallene Gegenständ­e anvertraut. Dazu ertönt Ravels sich steigernde­r „Boléro“.

Die Techniken digitaler Medienkuns­t zerlegen den Menschen in seine materielle­n Bestandtei­le, bald landet auch der noch sprechende Kopf in der Box, die über das Kontrollba­nd rollt. Nichts für Kinder; für Erwachsene ein beängstige­nder Blick auf den Menschen im Zeitalter seiner möglichen Selbstaufl­ösung. (www.mmk-frankfurt.de)

Die Techniken digitaler Medienkuns­t zerlegen den Menschen in seine materielle­n

Bestandtei­le

Schirn: Magritte Surrealism­us läuft immer. Nicht nur Dalí, auch der Surrealism­us in seiner intellektu­ellen Version hat seine Freunde. Ihnen wird die Ausstellun­g „Magritte. Der Verrat der Bilder“in der Schirn recht kommen: ein Panorama absurder Motive, von der Pfeife, die keine Pfeife sein will, bis zu jenen Schuhen, die sich zu den Spitzen in bloße Füße verwandeln. (www.schirn.de)

 ?? FOTO: ANDREAS GURSKY / VG BILD-KUNST, BONN 2017 / COURTESY SPRÜTH MAGERS BERLIN LONDON ?? Andreas Gursky, „Pförtner, Passkontro­lle, 1982“(2007, Tintenstra­hldruck).
FOTO: ANDREAS GURSKY / VG BILD-KUNST, BONN 2017 / COURTESY SPRÜTH MAGERS BERLIN LONDON Andreas Gursky, „Pförtner, Passkontro­lle, 1982“(2007, Tintenstra­hldruck).

Newspapers in German

Newspapers from Germany