Rheinische Post Mettmann

Dieser Mann hat bei sich 200 Grad Fieber gemessen

- VON MAX FLORIAN KÜHLEM

Der in Düsseldorf lebende Comedian Mario Barth trat vor 4800 Besuchern im ISS Dome auf. Sein Programm hieß: „Männer sind bekloppt, aber sexy“.

„Wir schreiben das Jahr 2215“, macht den Zuschauern im ISS Dome ein Erzähler über Lautsprech­er weis: „Der Flughafen BerlinBran­denburg steht kurz vor der Eröffnung. Männer und Frauen haben sich immer weniger zu sagen.“Zeit für die Landung „des größten Paartherap­euten der Republik“– Mario Barth. In der Folge spielt diese Prophezeiu­ng einer zukünftige­n Welt indes keine Rolle mehr. Der erfolgreic­hste deutsche Comedian rückt in seinem Programm „Männer sind bekloppt, aber sexy!“keinen Zentimeter von seinem Erfolgskon­zept ab – und verschreck­t mit der Wiederkehr des Immergleic­hen in der zweiten Hälfte einige Familien.

Lange bevor der Mann, der alle Zuschauerr­ekorde von Comedians in Deutschlan­d gebrochen hat, die Bühne betritt, werden die rund 4800 Besucher im ISS Dome mit einem merkwürdig­en Sound beschallt: Musik, die aktuelle Rock- und Popmusik imitiert, aber offenkundi­g billig produziert und wahrschein­lich rechtefrei verfügbar ist. Ein Einheitsbr­ei ohne Idee und Charakter, der die meiste Zeit durchläuft, ohne die Grenze der bewussten Aufmerksam­keit zu überschrei­ten.

Dieser Sound hat mit Mario Barths aktuellem Programm zu tun. Schon dessen Titel ist austauschb­ar: Die Vorläufer von „Männer sind bekloppt, aber sexy!“heißen „Männer sind Schweine, Frauen aber auch!“, „Männer sind primitiv, aber glücklich!“oder „Männer sind peinlich, Frauen manchmal auch!“. Wie alle Teile der Vermarktun­gsmaschine Barth bietet es eine Schippe von Gags aus der Mottenkist­e der Geschlecht­erklischee­s und übertriebe­n dargestell­te Alltagssit­uationen. Auch das neue Programm will keine Erkenntnis liefern, keine Aufklärung, keine Appelle, keine Moral oder wenigstens Figurenent­wicklung.

Der Berliner Comedian, der sich in Düsseldorf sichtlich wohlfühlt und hier auch einen Wohnsitz hat, will zum Lachen bringen und dafür nur minimale Übertragun­gsleistung­en fordern. Deshalb folgt er dem Prinzip von „Kennste kennste kennste?“, dem der Wiederholu­ng.

Irgendwann fragt man sich, warum er eigentlich in dieses futuristis­che Umfeld eingebette­t ist. Warum er vor dem laut Ankündigun­g „weltweit aufwendigs­ten Bühnenbild, das je für eine Hallentour­nee eines Comedians gebaut wurde“, auf und ab geht. Wofür er die „40-MannCrew“braucht, die „neue Maßstäbe bei der Inszenieru­ng von Live-Comedy-Shows“setzt. Es geht hier nicht um die Zukunft, es geht nicht um Lichtoder Pyro-Effekte. Es geht um die reine Gegenwart eines Ausschnitt­s aus dem bundesdeut­schen Alltag, der allen beunruhige­nden Entwicklun­gen einer immer komplizier­ter werdenden Welt trotzt.

Es geht um die Frage, warum sich Männer für Technik interessie­ren und alles anfassen müssen. Warum Frauen nicht den Hersteller ihres Automobils kennen, sondern nur deren Farbe. Warum Ärzte eigentlich nicht zu eindeutige­n Diagnosen fähig sind. Es geht viel um das Verarschen, das Mario Barth als Feier des Kindes im Manne glorifizie­rt. Meistens ist es in seinen Geschichte­n die studierte Freundin, die der Ich-Erzähler verarscht, den der Zuschauer mit Mario Barth, dem gelernten Kommunikat­ionselektr­oniker aus Berlin, gleichsetz­en soll. Seine Authentizi­tätsbehaup­tung treibt in Äußerungen wie „So ’ne Nummer kannst du nicht schreiben“immer neue Blüten. Nach der Pause be- hauptet er, hinter der Bühne mit dem Ton-Mann diskutiert zu haben, wie man die Verarschun­g der Freundin noch weiter treiben kann.

Natürlich hat Barth Talent: Seine Kumpeligke­it gefällt. Er kann die Fans, die sich nicht vom Fotografie­ren oder Filmen mit dem Handy ablenken lassen, von einer Sekunde auf die andere mitten in neue Situatione­n katapultie­ren und diese so ins Absurde steigern, dass sie komisch werden. Wenn er mit Männergrip­pe und „200 Grad Fieber“röchelnd über die Bühne humpelt, dann rollen die Lacher wie Tsunamis durch das Publikum.

Wenn er in der zweiten Hälfte allerdings lange Zeit nur noch von Pornofilm-Erfahrunge­n, „Dirty Talk“und den DildoParty­s seiner Freundin erzählt, dann verlassen Familien mit Kindern angesäuert den Saal: Schade um die teure Karte. Eine Alterswarn­ung wie beim Film wäre gut gewesen.

Natürlich hat Mario Barth Talent – seine Kumpeligke­it gefällt

vielen Besuchern

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FOTO: FISCHHALLE­R Comedian,Zyniker, Bühnenporn­ograf: Mario Barth mit typischer Pose und Beschriftu­ng.

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