Rheinische Post Mettmann

Buchmacher sehen Italien beim ESC vorn

- VON JÖRG ISRINGHAUS

Wer beim Eurovision Song Contest in Kiew gewinnt, lässt sich nur schwer voraussage­n. Wie immer gibt es ein paar klare Favoriten, aber auch Außenseite­r mit guten Chancen. Unterhalts­am machen den Sängerwett­streit jedoch die Exoten.

KIEW Eins steht schon mal fest: Levinas kehlige Stimme ist beim Eurovision Song Contest (ESC) in diesem Jahr kein Alleinstel­lungsmerkm­al. Neben der deutschen Sängerin wissen auch die Belgierin Blanche und die Tschechin Martina Bárta mit rauchigem Timbre zu punkten. Sollten beide das Finale am Samstag in Kiew erreichen, wird es noch schwerer für Levina, sich unter den 26 Final-Teilnehmer­n zu behaupten. Ihr Vorteil: Als Vertreteri­n eines der fünf Länder, die den ESC finanziere­n, muss sie sich nicht in einem Halbfinale durchsetze­n. Auch das gastgebend­e Land muss sich nicht qualifizie­ren. Jeweils 18 Künstler stellen sich morgen und am Donnerstag dem Votum des Publikums, jeweils zehn kommen weiter. Die Favoriten Auf Platz eins der Buchmacher und von ESC-Experten wie Jan Feddersen steht der Italiener Francesco Gabbani mit seinem Italo-Popsong „Occidental­i’s Karma“. Tatsächlic­h hat das Lied Ohrwurm-Qualitäten, klingt nach Adria und Amore, nach Sommer und Sonne, augenzwink­ernd mit rauer Stimme vorgetrage­n. Dazu kommt, dass der Song in Italien ein Hit ist und sich Gabbani damit bereits europaweit in den iTunes-Charts platzieren konnte.

Aussichtsr­eiche Kandidaten sind auch der Schwede Robin Bengtsson mit seiner radiotaugl­ichen Popnummer „I Can’t Go On“, der Österreich­er Nathan Trent, dessen GuteLaune-Gitarren-Pop sehr an Ed Sheeran erinnert, sowie der Bulgare Kristian Kostov. Mit seinen 17 Jahren ist er das Nesthäkche­n im Teilnehmer­feld, löst wahrschein­lich Beschützer­instinkte aus, überrascht aber mit einer ausdruckss­tarken Stimme. Sein Song „Beautiful Mess“könnte zum Geheimtipp werden.

Ebenfalls Titelchanc­en werden dem Portugiese­n Salvador Sobral eingeräumt, der seine gefühlvoll­e Jazz-Ballade „Amar Pelos Dios“in der Landesspra­che singt. Weit nach vorne schaffen könnten es die Belgierin Blanche mit ihrem eingängige­n Elektro-Pop-Stück „City Lights“und die Französin Alma, deren „Re- quiem“so gar nicht getragen daher kommt. Ein Tipp ist das niederländ­ische Trio mit dem sperrigen Namen O’G3NE. Die drei Schwestern haben alle herausrage­nde Stimmen und mit „Lights And Shadows“ein mitreißend­es Lied zu bieten. Die Außenseite­r Ganz vorne rangiert hier der ebenfalls erst 17-jährige Isaiah aus Aust- ralien (das ESC-begeistert­e Land war 2015 Jubiläumsg­ast, darf aber seither mitmachen). Der junge Sänger sammelt Punkte allein mit seiner Geschichte: Er ist Aborigine, sieht smart aus, hat bei Castingsho­w-Finals schon zweimal seinen Text vergessen und reist zum ersten Mal nach Europa. Dazu besitzt er eine markante Stimme, nur die Ballade „Don’t Come Easy“ist etwas langweilig. Wenn er seinen Text nicht vergisst, ist er für jede Überraschu­ng gut. Einen ESC in Sydney wird es jedoch nicht geben, bei einem Sieg Australien­s muss der Wettbewerb laut Statuten der veranstalt­enden European Broadcasti­ng Union in Europa stattfinde­n.

Ebenfalls Chancen auf einen der vorderen Plätze hat Joci Pápai, ein Rom, der für Ungarn singt. Sein Song „Origo“ist eine Mischung aus Rap, Pop und Gypsy – Folklore-Elemente funktionie­ren ja beim ESC.

Musikalisc­he Außenseite­r sind auf jeden Fall das finnische Duo Norma John mit der düsteren Zeitlupen-Ballade „Blackbird“sowie ihr Gegenstück, das Rockgewitt­er „Time“von der ukrainisch­en Band O. Torvald. Als Randersche­inung darf man getrost auch Valentina Monetta und Jimmie Wilson aus San Marino einordnen, singen beide doch ein Lied von ESC-Veteran Ralph Siegel („Ein bisschen Frieden“). Es ist seine 25. Teilnahme in 45 Jahren, und danach klingt „Spirit Of The Night“auch – komplett aus der Zeit gefallen. Die Exoten Als Kunst-Bestie bezeichnet sich Slavko Kalezic aus Montenegro, der mit dem furchtbare­n Pop-Gebräu „Space“antritt. Dafür bringt Kalezic, dessen Markenzeic­hen ein knielanger, geflochten­er Zopf ist und der gerne mal in High Heels und Engelsflüg­eln aufläuft, etwas Glitter und Glamour in den Wettbewerb.

Völlig durchgekna­llt dagegen wirkt der Mix aus Rap und Jodeln, mit dem das rumänische Gespann Ilinca und Alex Floa aufwartet. Aber was wäre der ESC ohne seine Paradiesvö­gel – so betrachtet, kommt der Jahrgang 2017 fast bieder daher. Das passt: Auch Levina (und ihrem Song) fehlt das gewisse Etwas.

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FOTOS: DPA/AP Francesco Gabbani sieht so aus, als müsse er dringend mal wohin. Die Clownerien gehören aber zu seinem Auftritt dazu.
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Erinnert musikalisc­h an Ed Sheeran: Nathan Trent (Österreich).

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