Rheinische Post Mettmann

Tote Bäume sind ein Paradies für Schmarotze­r

- VON SABINE MAGUIRE

In unserer heimischen Natur haben sich erstaunlic­he Symbiosen gebildet. Aber es muss auch einmal mit Vorurteile­n aufgeräumt werden – etwas, was den Porling betrifft: Er ist ein Pilz und zersetzt nur kranke Bäume. Und das ist genau das, was der Wald braucht.

ERKRATH Er ist ein wunderbare­r Wegbegleit­er durchs heimische Neandertal. Wer mit Wolf Stieglitz durch Wald und Wiesen wandert, erlebt vor allem eines: Kleine Welten werden plötzlich ganz groß. Wo man sonst gedankenve­rloren vorbeigeht, fällt dem Hobbybotan­iker eigentlich ständig irgendwas ins Auge. Buschwindr­öschen, Hirschzung­e, Lerchenspo­rn: Überall drängt sich durchs Laub ein Wunder der Natur an die Frühlinsso­nne. Schaut man genau hin, gibt es so viel zu sehen, dass man schon auf ein paar Metern für Stunden genug anzuschaue­n hätte. Was man von Wolf Stieglitz lernen darf, ist vor allem eines: Dass man mit Ruhe und Gelassenhe­it mehr erleben kann, als mit hektischer Geschäftig­keit auf der Suche nach besonders großen Momenten.

Los geht’s diesmal am Wanderpark­platz Winkelsmüh­le in Hochdahl – und gleich sind wir auch schon mitten drin in den Symbiosen, die an diesem Vormittag auf der Liste stehen. Gibt es so was überhaupt im Tal? Ist es nicht oft nur der Schein, hinter dem sich ein parasitäre­s Miteinande­r verbirgt? Und was bitteschön sind Halbschmar­otzer und Vollschmar­otzer? Es dauert nicht lange und Wolf Stieglitz entdeckt den ersten Pilz am Baum. Hoch oben am Hang, fußläufig nicht so ganz problemlos zu erreichen. „Wenn das meine Frau sehen würde“, sagt er lachend, während er hoch und wieder herunter klettert. Das er am nächsten Tag eigentlich gesund und munter in den Urlaub fahren möchte? Was soll’s! Ein bisschen Risiko ist schon dabei, wenn man sich die Dinge genau anschauen will. Diesmal ist es ein Porling und der Hobbybotan­iker räumt bei der Gelegenhei­t direkt auf mit dem Vorurteil, dass Pilze an Bäumen großes Unheil anrichten würden. Denn genau das tun sie nicht. „Das ist ein Irrglaube. Sie gehen nur an kranke Bäume und machen dann das, was die Natur vorsieht: Sie zersetzen das Holz“, weiß Wolf Stieglitz. Es ist ein langsames Tun, das man über Jahre hinweg beobachten kann. Und dennoch ist am Ende alles zu Staub zerfallen und der Wald aufgeräumt. Geht es um die klassische Symbiose, so kommt dem Hobbybotan­iker direkt die Flechte in den Sinn. „Das ist eine Verbindung aus Pilz und Alge und das Paradebeis­piel aus dem Biologiele­hrbuch. Die Alge macht Fotosynthe­se und der Pilz liefert nicht nur Wasser, sondern auch Salze“, sagt er. So manch einer ertappt sich an dieser Stelle wohl schnell dabei, damals vielleicht nicht so genau hingehört zu haben. Jedenfalls gibt es nun endlich eine Erklärung dafür, was sich hinter den grünen Flecken an der Baumrinde verbirgt. „Dort allerdings immer auf der Wetterseit­e, weil diese Flechten Feuchtigke­it brauchen“, weiß Wolf Stieglitz. Flechten gibt´s übrigens nicht nur an Bäumen, sondern auch an Mauern, auf Steinen und überall dort, wo sie jahrelang Trockenhei­t ertragen können. Bei Symbiosen fällt ihm auch noch das Miteinande­r von Bienen und Blumen ein. Allerdings gibt es da auch die ganz schlaue Vertreteri­n ihrer Spezies: Die Erdhummel. Landet sie auf dem Lerchenspo­rn, kommt sie dort gleich zu Sache. Ohne lästige Umwege beißt sie die Blüte quasi von hinten auf, um auf direktem Weg zum Nektar die Befruchtun­g zu umgehen. Wirklich symbiotisc­h ist das wohl eher nicht – aber bislang gibt es offenbar keine Nachahmer und deshalb klappt es allerorten dennoch mit der Bestäubung.

Ach ja, da war ja auch noch die Sache mit den halben und vollen Schmarotze­rn. Wer wissen will, was damit gemeint ist, dem sei mit den Worten von Wolf Stieglitz noch schnell dies hier erklärt: „Halbschmar­otzer wie die Mistel haben grüne Blätter und können selbst Fotosynthe­se betreiben. Vollschmar­otzer können das nicht und sind in allem vollständi­g auf ihren Wirt angewiesen.“

Wolf Stieglitz ist Apotheker und hat als Hobbybotan­iker mehr als 400 Exkursione­n geleitet. Er ist seit mehr als 40 Jahren Mitglied im renommiert­en Naturwisse­nschaftlic­hen Verein Wuppertal. Seit 1980 im Vorstand, davon 13 Jahre als Vorsitzend­er und mittlerwei­le als Geschäftsf­ührer.

 ?? FOTOS: MIKKO SCHÜMMELFE­LDER ?? Hobbybotan­iker Wolf Stieglitz ist im Hauptberuf Apotheker und hat schon mehr als 400 Exkursione­n geleitet. Links unter dem Baumstamm, der hier seinen Weg kreuzt, sind die so genannten Porlinge (Baumpilze).
FOTOS: MIKKO SCHÜMMELFE­LDER Hobbybotan­iker Wolf Stieglitz ist im Hauptberuf Apotheker und hat schon mehr als 400 Exkursione­n geleitet. Links unter dem Baumstamm, der hier seinen Weg kreuzt, sind die so genannten Porlinge (Baumpilze).

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