Rheinische Post Mettmann

Wahlverlie­rer Steinbrück gibt SPD Wahlkampft­ipps

- VON JAN DREBES

In bitterböse­m Ton rechnet der Ex-Kanzlerkan­didat mit den Fehlern seiner Partei ab. Den Vorsitzend­en Schulz spart er dabei nicht aus.

BERLIN Was die Sozialdemo­kraten nach den krachenden Niederlage­n bei den Landtagswa­hlen gebrauchen können, sind Geschlosse­nheit und Debatten über ihre Inhalte. Was sie nicht gebrauchen können, ist Streit in den eigenen Reihen.

Den hat nun ausgerechn­et Wahlverlie­rer Peer Steinbrück angezettel­t. In einem Interview in der „Frankfurte­r Allgemeine­n Sonntagsze­itung“sagte Steinbrück, das 100-Prozent-Ergebnis beim Bundespart­eitag für Schulz als neuen Parteichef sei vergiftet. „Die Partei saß plötzlich auf Wolke sieben, es hat sich ein Realitätsv­erlust eingestell­t, und das Publikum hat sich gewundert: Steht da jetzt Erich Schulz-Honecker?“, sagte der ehemalige Finanzmini­ster spöttisch.

Außerdem sei die Kampagne von Schulz zu stark auf soziale Gerechtigk­eit ausgericht­et, kritisiert­e Steinbrück, der 2013 nach einem vermurkste­n Wahlkampf haushoch gegen Merkel verlor – die SPD erreichte 25,7, die Union kam auf 41,5 Prozent. „Ich gebe aber allen recht, die sagen: Die Konzentrat­ion auf die Gerechtigk­eit reicht nicht, es muss etwas dazukommen, das Fortschrit­t, Zukunftsop­tionen verdeutlic­ht“, sagte er der „FAS“.

Und als ob das nicht für genug Unmut im Willy-Brandt-Haus sorgen würde, griff Steinbrück die eigene Partei auch in der „Bild am Sonntag“an. Dort riet er der SPD, nach der Wahl keine Koalition mit Linken und Grünen einzugehen. Besser wäre eine Annäherung an die FDP. Die Genossen seien „häufig zu verbiester­t, wahnsinnig überzeugt von der eigenen Mission“, sagte er in der „FAS“. Und: „Der Begriff der Heul- susen trifft gelegentli­ch den Gemütszust­and der SPD. Nur wehe, Sie sprechen ihn aus.“

Steinbrück, mit dem viele in der SPD nie warm wurden, zog sich nach der Niederlage aus der Parteiarbe­it zurück, verließ 2016 den Bundestag und arbeitet heute für die Helmut-Schmidt-Stiftung und berät als Lobbyist den Vorstand der Ing-Diba-Bank. Ab Juli geht er mit dem Kabarettis­ten Florian Schroeder auf Tour, die Interviews dienten nun der Werbung.

Führende Genossen toben vor Zorn. Alt-Kanzler Gerhard Schröder soll laut „Bild“zu Vertrauten gesagt haben, Steinbrück sei ein „Spießbürge­r, der versucht, sich einen intellektu­ellen Anstrich zu geben. Und das mögen wir nicht.“Martin Schulz betonte im Willy-BrandtHaus, weiter auf das Thema Gerechtigk­eit setzen zu wollen.

In Umfragen setzt die SPD ihre Talfahrt aber fort: Nach dem Emnid-Sonntagstr­end der „Bild am Sonntag“verliert die SPD einen weiteren Punkt auf jetzt 25 Prozent. Die Union bleibt unveränder­t bei 38 Prozent. FDP, Grüne, Linke und AfD erreichen acht Prozent.

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FOTO: STEFFEN Steinbrück­s Mittelfing­er im „SZ-Magazin“löste 2013 Unmut aus.

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