Rheinische Post Mettmann

Weniger Zucker, weniger Salz, weniger Fett

- VON JAN DREBES

Ernährungs­minister Schmidt hat eine Strategie für gesündere Fertigprod­ukte vorgelegt. Unternehme­n will er schonen.

BERLIN Seit Jahren warnen Gesundheit­sexperten vor einer Zunahme sogenannte­r Wohlstands­krankheite­n. In Deutschlan­d ist mittlerwei­le fast jeder zweite Erwachsene übergewich­tig, hinzu kommen immer mehr Patienten mit Diabetes oder mit Herz-Kreislauf-Erkrankung­en. Bundesernä­hrungsmini­ster Christian Schmidt (CSU) will dagegen mit einer nationalen Strategie vorgehen, deren Entwurf unserer Redaktion vorliegt. Wichtigste­s Ziel: Die Hersteller sollen ihre Rezepte für industriel­l gefertigte Lebensmitt­el so verändern, dass diese weniger Salz, Zucker und Fett enthalten. Richtwerte legte Schmidt in seiner Strategie jedoch noch nicht fest.

Vor zwei Jahren hatte der Bundestag die Bundesregi­erung beauftragt, ein solches Konzept vorzulegen. Ernährungs­experten hatten schon nicht mehr mit einem Entwurf aus Schmidts Ressort gerechnet, jetzt soll es kurz vor der Bundestags­wahl noch die Abstimmung mit den anderen Ministerie­n durchlaufe­n. Im Juli will Schmidt seine Strategie im Kabinett vorlegen.

Darin setzt er auf freiwillig­es Einlenken der Firmen. Sie sollen ihre Rezepturen schrittwei­se verändern. Dies solle in „kleineren, kaum sensorisch bemerkbare­n Reduktione­n“ erfolgen, wie es im rund 40-seitigen Papier heißt. So solle eine Gewöhnung der Verbrauche­r gewährleis­tet werden. Geschmack, Haltbarkei­t und Qualität der Lebensmitt­el dürften nicht negativ beeinträch­tigt werden, heißt es in dem Entwurf. Bei der „Reformulie­rung“, wie die Rezeptände­rung in der Fachsprach­e heißt, solle zudem die Energie- dichte der Produkte reduziert oder maximal erhalten werden. Zudem dürfe eine Änderung nicht dazu führen, dass in dem Lebensmitt­el zum Beispiel Zucker durch „höherkalor­isches Fett“ersetzt werde.

Betroffen sind sämtliche Fertigprod­ukte. Darunter fallen industriel­l gefertigte Produkte aus einem oder mehreren Lebensmitt­eln, de- nen Zucker, Fett oder Salz zugesetzt wurde: von Brot, Brötchen, Früchtejog­hurt, Müsli und Limonade bis zur Fertigpizz­a aus dem Kühlregal.

Denn auch wenn viele Hersteller den Gehalt von Zucker, Salz und Fett in ihren Produkten in den vergangene­n Jahren bereits reduzierte­n, verzehren die Deutschen nach wie vor zu große Mengen dieser Zu- satzstoffe. Schmidt verweist auf mehrere Studien, wonach Frauen 13,9 Prozent der täglich benötigten Energiezuf­uhr über zugesetzte­n Zucker decken, Männer 13 Prozent. Die Weltgesund­heitsorgan­isation nennt einen Höchstwert von zehn Prozent. Bei den gesättigte­n Fettsäuren empfiehlt die Deutsche Gesellscha­ft für Ernährung einen Anteil von maximal zehn Prozent an der Energiezuf­uhr, die Deutschen liegen mit 16 Prozent deutlich darüber. Zudem nehmen wir zu viel Salz auf, vor allem über Brot: Sechs Gramm Salz am Tag werden empfohlen, in Deutschlan­d nehmen Frauen durchschni­ttlich jedoch 8,4 und Männer zehn Gramm zu sich.

Die Strategie sieht vor, dass bis Mitte 2018 Zielwerte mit den Unternehme­n gefunden werden sollen. Als Richtschnu­r sollen dabei Werte gelten, die die EU bereits vor Jahren ohne jegliche Verpflicht­ung für die Nationalst­aaten formuliert hatte: Je nach Ausgangsla­ge in den Mitgliedsl­ändern sollten demnach 16 Prozent weniger Salz, insgesamt zehn Prozent weniger Fett und mindestens zehn Prozent weniger Zucker in Produkten enthalten sein.

Damit kleine Unternehme­n damit nicht im Wettbewerb mit Konzernen überforder­t werden, will Schmidt sie von geförderte­n Forschungs­projekten profitiere­n lassen. Sanktionen plant er nicht; er setzt auf Freiwillig­keit der Lebensmitt­elherstell­er. Dennoch hält es Schmidt laut Papier für möglich, künftig Werbung für Lebensmitt­el mit besonders viel Zucker, Fett oder Salz gesetzlich einzuschrä­nken.

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FOTOS: THINKSTOCK Von diesen Stoffen verzehren die Deutschen im Schnitt deutlich zu viel.

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