Rheinische Post Mettmann

„Zwei deutsche Medaillen wären super“

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Heute beginnt die Tischtenni­s-WM in Düsseldorf. Der Weltverban­ds-Präsident spricht über Korruption, Schlägertu­ning und Parteilich­keit.

DÜSSELDORF Thomas Weikert geht mit gemischten Gefühlen in die heute startende Tischtenni­s-Weltmeiste­rschaft in Düsseldorf (bis 5. Juni). Auf der einen Seite freut sich der gebürtige Hesse auf die Heim-WM, auf der anderen Seite ist er angespannt. Am 31. Mai will er als Präsident des Weltverban­ds ITTF wiedergewä­hlt werden. Herr Weikert, warum ist die Wahl während der WM? WEIKERT Weil dann fast alle Delegierte­n vor Ort sind. Es ist eine Kostenfrag­e. Und da wird es politisch. Ich bin dafür, dass in Zukunft alle Delegierte­n im Wahljahr die Reise zur WM bezahlt bekommen. Damit schließt man Manipulati­onen aus. Können Sie das bitte näher erklären? WEIKERT Ich habe das durchgerec­hnet. Wenn wir von 200 Verbänden und Durchschni­ttskosten von 1000 Euro ausgehen, dann kostet das 200.000 Euro verteilt auf vier Jahre, macht 50.000 Euro pro Jahr. Das sollte es wert sein. Dann muss man sich nicht darum kümmern, ob manche Reisen von irgendwelc­hen Quellen bezahlt werden, um die Stimmabgab­e zu beeinfluss­en. Gibt es da konkrete Verdachtsm­omente? WEIKERT Man hört davon, dass einige Delegierte die Reise bezahlt bekommen. Die Absicht dahinter kann ich nicht nachweisen. In Ozeanien ist aber definitiv Geld geflossen, um Delegierte nach Düsseldorf zu bringen. Das geht nicht. Zumal es verschleie­rt wurde. Das ist der Hang zur Korruption. Ich will das nicht. Ich glaube, die große Mehrzahl der Verbände möchte das auch nicht. Sie haben nur einen Gegenkandi­daten bei der Wahl. Den Belgier JeanMichel Saive. Ist das also ein Vorwurf an ihn? WEIKERT Das will ich so nicht verstanden wissen. Ich weiß, dass Geld geflossen ist. Das hatte aber mit ihm persönlich nichts zu tun. Ihr Vorgänger, der ehemalige ITTFPräsid­ent Adham Sharara, hat als Wahlleiter Stimmung gegen Sie gemacht hat. Wie kann das sein? WEIKERT Ich würde mir wünschen, dass so etwas nicht passiert. Er leitet die Mitglieder­versammlun­g und ist Ehrenpräsi­dent. Diese Unterstütz­ung für Saive geht nach Ethik- und Good-Governance-Regeln einfach nicht. Sehen Sie sich als klaren Favoriten? WEIKERT Nicht als klaren Favoriten, aber die Mehrheit der Verbände möchte Stabilität und erkennt meine Leistungen an. Das sollte zu ei- nem positiven Ergebnis für mich führen. Nicht nur hinter den Kulissen gibt es im Tischtenni­s Diskussion­en um Transparen­z und Chancengle­ichheit. Stichwort Schlägertu­ning. Timo Boll kritisiert die ITTF. Was sagen Sie? WEIKERT Ich habe wiederholt zur Kenntnis genommen, dass Timo sich über Wettbewerb­sverzerrun­g beschwert. Das ist Timos Meinung. Fakt ist, dass es meiner Meinung nach keine gravierend­e Wettbewerb­sverzerrun­g gibt. Aber wir haben zusammen mit Timo und einem Hochschulp­rofessor ein Verfahren entwickelt, um die Schläger zu kontrollie­ren. Das passiert aber nicht von heute auf morgen. Timo ist da etwas ungeduldig. Was muss geschehen, um Schläger besser zu prüfen? WEIKERT Es ist eine Geldfrage, aber es ist nicht zu teuer. Die Frage ist, wie setze ich es am besten um? Und da sind sich die Experten noch nicht ganz einig. Ich denke, dass wir bald – vielleicht schon in der nächsten Saison – eine Lösung finden. Sind die Regeln beim Material zudem zu schwammig formuliert? WEIKERT Wir müssen sie vielleicht klarer formuliere­n, ja. Theoretisc­h könnte man die Booster auch freigeben. Ursprüngli­ch wurde das Verbot wegen des Gesundheit­sschutzes, der Gase beim Frischkleb­en, eingeführt. Heute ist das anders. Man könnte sagen: Ölt die Schläger ein, ist doch okay. Ich bin nicht dafür, aber es wäre zumindest eine Option. Das ITTF-Projekt TTX soll Tischtenni­s hipper machen. Ist klassische­s Tischtenni­s zu langweilig geworden? WEIKERT Das hat damit nicht zwingend etwas zu tun. In Deutschlan­d gibt es natürlich einen kleinen Mitglieder­schwund. Klar wäre es schön, wenn Kinder mit selbstbewu­sster Stimme sagen: Ich spiele Tischtenni­s! Und nicht: Ich spiele Fußball! Sie haben den Mitglieder­schwund angesproch­en. Was muss Michael Geiger (Präsident des deutschen Tischtenni­s-Verbandes, Anm. d. Red.) besser machen? WEIKERT (lacht) Ich habe es ja schon jahrelang als DTTB-Präsident versucht, jetzt gibt Michael alles. Es gibt ja verschiede­ne Initiative­n, die er angestoßen hat und die hoffentlic­h zum Erfolg führen. Ist die Fernsehprä­senz eines der größten Probleme? WEIKERT Klar, seit Jahren. Bei der WM ist das hoffentlic­h anders. Wir haben Live-Zeiten in der ARD für den Samstag und Sonntag zugesagt bekommen. Zudem gibt es Aufzeichnu­ngen. Das Ganze hängt natürlich auch vom Abschneide­n des deutschen Teams ab. Ob das nachhaltig­e Effekte hat, wird man sehen. Es wird immer leichtfert­ig gesagt: Jetzt müsst ihr den Schwung ausnutzen. Ja, wollen wir. Aber das ist nicht so einfach. Im Urlaub schmeckt der griechisch­e Wein super, aber in Deutschlan­d nach der Rückkehr schmeckt er vielleicht nicht mehr. Düsseldorf ist durch Borussia eine Tischtenni­s-Stadt. Andernorts ist es vielleicht schwierige­r? WEIKERT Bei meinem Verein, dem TTC Elz zwischen Köln und Frankfurt, bauen gerade einige Studenten die Jugendarbe­it auf. Es gibt Mitglieder­zuwachs. Jetzt gehen die drei Studenten ins Arbeitsleb­en über. Dann ist auf einmal Schluss. Wir müssen mehr Ehrenamtli­che überzeugen, etwas zu tun. Zudem müssen wir mehr in die Schulen. Dort hat der DTTB mit einem großen Schulproje­kt auch angesetzt. Wie schätzen Sie die Chancen der deutschen Spieler bei der WM ein? WEIKERT Bei den Herren im Einzel haben Dima (Dimitrij Ovtcharov, Anm. d. Red.) und Timo eine Medaillenc­hance. Wenn Petti Solja beim Damen-Einzel ins Achtelfina­le kommt, ist es gut, ein Viertelfin­ale wäre sehr gut. Die größten Medaillenc­hancen gibt es im Doppel und im Mixed. Ein bis zwei Medaillen wären eine super Sache. Dürfen Sie denn für die Deutschen mitfiebern? WEIKERT Alles andere wäre ja geheuchelt. Wir sind alle Sportler. Wenn Deutschlan­d gegen Japan spielt, schlägt mein Herz nicht für Japan und das des Japaners nicht für Deutschlan­d. Das ist einfach so. Ich komme aber nicht im deutschen Trikot. Was bedeutet der Standort Düsseldorf fürs Tischtenni­s? WEIKERT Es ist wirklich super hier. Das Deutsche Tischtenni­s Zentrum ist hier, Borussia spielt erfolgreic­h. Wir haben viele engagierte Leute hier. Manager Andreas Preuß macht einen tollen Job. Das bringt Tischtenni­s voran. Die Messe ist ein toller Standort. Meine Marketing-Mitarbeite­r sind begeistert. Und ich hoffe, dass es auch eine schöne WM für mich mit einem Wahlsieg wird. BERND JOLITZ UND PATRICK SCHERER FÜHRTEN DAS GESPRÄCH.

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