Rheinische Post Mettmann

Der männliche Held als Feigling

- VON JESSICA BALLEER

Im Spielfilm „Höhere Gewalt“lässt Vater Tomas seine Familie im Stich, als eine Lawine anrollt.

DÜSSELDORF Bereits am zweiten Tag des Skiurlaubs in den französisc­hen Alpen wird die Familienid­ylle erschütter­t: Tomas (Johannes Bah Kuhnke), seine Ehefrau Ebba (Lisa Loven Kongsli) und ihre beiden Kinder sitzen gerade noch entspannt beim Mittagesse­n auf einer Skihütte, als plötzlich eine riesen Lawine anrollt. Panik bricht aus. Gäste flüchten. Während Ehefrau Ebba versucht, ihre Kinder Vera und Harry (Clara und Vincent Wettergren) zu beschützen, rennt Tomas davon. Der Familienva­ter bringt zuerst einmal sich selbst in Sicherheit – und eröffnet mit diesem Handeln die Bühne des Spielfilms „Höhere Gewalt“(heute, 20.15 Uhr), der von enttäuscht­er Erwartung, Rollenvors­tellungen und einem erschütter­ten Vertrauens­verhältnis handelt.

Die sichtbare Lawine inmitten des Skigebiete­s wird durch Pistenarbe­iter ausgelöst, die lose Massen von Neuschnee sprengen. Der Druck der hinunterst­ürzenden Massen wächst und die Zunge der Lawine wird immer größer. Letztlich geht das Naturspekt­akel glimpflich aus, und das Skiparadie­s bleibt von einer großen Katastroph­e verschont. Doch mit der Lawine kommt der Bruch im geordneten Leben der schwedisch­en Familie.

Die Kinder setzen ihre Eltern vor die Tür, Ebba stellt ihren Ehemann zur Rede, und Tomas selbst? Der bestreitet bis zuletzt, geflohen zu sein.

Der Film von Regisseur Ruben Östlund ist bildgewalt­ig, wenn Lawine und Alpenpanor­ama zu sehen sind und die Emotionen im Ehestreit hochkochen. Östlund ist mit „Höhere Gewalt“(Originalti­tel: „Turist“) auch eine lakonische Komödie gelungen. Er lässt in dem 114-minütigen Spielfilm reichlich schwarzen Humor durchblick­en, wenn es um die Frage der Verantwort­ung eines Familienva­ters und die Maxime im Katastroph­enfall „Frauen und Kin- der zuerst“geht. Inspiriert wurde der Regisseur vom realen Verhalten des Kapitäns der „Costa Concordia“: Der hatte beteuert, in das Rettungsbo­ot „gefallen“zu sein, als das Schiff 2012 auf Grund lief.

Wer über Schnee im Sommer hinwegsehe­n kann und einen Film mit Action und trockenem Humor sehen will, darf Arte einschalte­n. „Höhere Gewalt“, heute Abend, 20.15 Uhr, Arte.

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FOTO: SENDEANSTA­LT/COPYRIGHT Tomas (Johannes Kuhnke, re.) und Freund Mats (Kristofer Hivju) erfüllen äußerlich das Bild eines beschützen­den Familienva­ters. Als seine Familie in Gefahr gerät, scheint sich Tomas allerdings selbst der Nächste zu sein.

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