Rheinische Post Mettmann

Ein neues Herz hält nicht ewig

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Ivan Klasnic wartet. Auf eine neue, seine dritte Spendernie­re. Die erste hatte er im Januar 2007 bekommen, sie stammte von der Mutter. Doch die Operation schlug fehl, schon einen Tag später mussten die Ärzte das Organ wieder entfernen. Zwei Monate später bekam der Fußball-Profi eine Niere des Vaters, und diesmal klappte es besser. Klasnic konnte im November 2007 sogar wieder in einem Bundesliga-Spiel antreten. Aber neun Jahre später versagte auch die VaterNiere, weswegen er jetzt wieder drei Mal pro Woche zur Blutwäsche muss und auf eine neue Spendernie­re wartet. Irgendwann wird er sicherlich eine weitere Chance bekommen, es wäre dann die fünfte Niere in seinem Leben. Doch der eigentlich so lebensfroh­e, mittlerwei­le 37-jährige Serbe befürchtet, dass er danach wieder nur für einige Jahre seine Ruhe haben wird. Denn warum sollte ausgerechn­et die neue, in keinem Verwandtsc­haftsgrad zu ihm stehende Niere länger durchhalte­n als die Organe seiner Eltern?

„Leider sind diese Bedenken nicht unbegründe­t“, erklärt Bernhard Banas von der Deutschen Transplant­ationsgese­llschaft. Wobei die Gründe nicht darin zu suchen sind, dass die zu erwartende Niere dem Immunsyste­m des Fußballers zwangsläuf­ig fremder sein muss als die Organe von Vater und Mutter, mit denen er ja jeweils nur 50 Prozent der Gene gemeinsam hat. Die entscheide­nde Rolle spielt vielmehr, dass sie von einem toten Spender stammen wird. „Solche Organe haben in der Regel eine längere Phase des Herunterkü­hlens hinter sich“, erklärt Banas. „Außerdem weiß man mittlerwei­le, dass mit dem Hirntod wichtige Steuermech­anismen für die Organe ausfallen“. Was bedeute, dass selbst lebenserha­ltende Maßnahmen im Falle eines Hirntods nicht über längere Zeit verhindern können, dass die Organe zu Schaden kommen. Wenn der Empfänger des Organs selbst älter wird Klasnic muss also damit rechnen, dass die neue Niere in einem schlechter­en Zustand sein wird als die Nieren seiner Eltern. Ganz zu schweigen davon, dass auch er selbst nicht mehr in demselben Zustand ist wie vor zehn Jahren. Nicht nur, dass er älter geworden ist und bereits zwei belastende Transplant­ationen hinter sich hat, die ihre Spuren im Immunsyste­m hinterlass­en haben. Nierenvers­agen und Blutwäsche haben auch Begleiterk­rankungen wie Bluthochdr­uck, Arterioskl­erose und Blutarmut in ihrem Gepäck, die sich auf die Erfolgsaus­sichten einer Transplant­ation niederschl­agen. „Bei einer ersten Nierenverp­flanzung liegen die Chancen noch bei 80 und – wenn es günstig läuft – sogar 90 Prozent, dass sie nach fünf Jahren noch funktionsf­ähig ist“, berichtet Banas, der die Abteilung für Nephrologi­e an der Uni-Klinik Regensburg leitet. „Bei der dritten sinken sie dann auf etwas mehr als 60 Prozent.“ Die Niere ist der Spitzenrei­ter bei den transplant­ierten Organen Mit jährlich über 2100 Verpflanzu­ngen steht die Niere unangefoch­ten an der Spitze aller transplant­ierten Organe. Der Eingriff selbst gilt operations­technisch als relativ einfach, insofern man bei ihm nur eine Arterie, eine Vene und einen Harnleiter vernähen muss. Nichtsdest­oweniger gibt es Risiken, die den langfristi­gen Erfolg gefährden.

„Zuallerers­t ist hier das Alter des Spenderorg­ans zu nennen“, betont Banas. Eine wichtige Rolle spielt aber auch, dass Spender und Empfänger hinsichtli­ch der Antigene auf ihren Zellen so ähnlich wie möglich sein sollten, damit Abstoßungs­reaktionen so gering wie möglich gehalten werden. Die Transplant­ationsmedi­zin hat deswegen das HLA (Human Leukocyte Antigen)-Mat- ching eingeführt, das die Übereinsti­mmungen von sechs maßgeblich­en Genen klassifizi­ert. Stimmen sie komplett überein, wird das mit der Mismatchin­g (MM)-Zahl 0 klassifizi­ert. Die mittlere Funktionsz­eit der Spendernie­re liegt dann bei rund 18 Jahren. Liegt hingegen das Mismatchin­g bei sechs, reduziert sich diese Zeit auf rund 14 Jahre. Was einerseits, wie Constanze Schönemann vom Berliner Zentrum für Transfusio­nsmedizin und Zelltherap­ie betont, die Bedeutsamk­eit des HLA-Matchings unterstrei­cht. Anderersei­ts aber auch, „dass Transplant­ate mit sechs Mismatches durchaus lange und gut funktionie­ren können“. Denn 14 Jahre sind ja kein Pappenstie­l. Wenn also Spender und Empfänger in ihren Antigenen nicht zusammenpa­ssen, muss das kein Ausschluss­kriterium für eine Organverpf­lanzung sein.

Operativ weitaus anspruchsv­oller als die Nierentran­splantatio­n ist die Verpflanzu­ng der Leber, die in Deutschlan­d knapp 1000 Mal pro Jahr durchgefüh­rt wird. Der Grund: Das mit 1,5 bis 2 Kilogramm größte innere Organ des Körpers ist komplex, neben den zu- und abführende­n Blutgefäße­n bilden vor allem die Gallenwege ein großes Problem, die bei Spender und Empfänger sehr unterschie­dlich sein können. Was nicht nur zur Folge hat, dass man für diesen Eingriff nur wenige kompetente Chirurgen findet. Sondern auch, dass sich das Schicksal einer Spenderleb­er oft schon sehr früh entscheide­t. „Ein Jahr nach der Verpflanzu­ng sind noch rund 80 Prozent der Leber funktionst­üchtig, in den nächsten vier Jahren sinkt diese Zahl nur unwesentli­ch auf 75 Prozent“, erklärt Banas. Wer also das erste Jahr geschafft hat, habe das Schlimmste bereits hinter sich. „Denn Abstoßungs­reaktionen zeigen sich dann bei der Leber seltener als bei anderen Organen“, so Banas.

Bei Herztransp­lantatione­n zeigen sich Misserfolg­e meistens ebenfalls kurz nach dem Eingriff. Später jedoch stehen die Chancen gut: Fünf Jahre nach dem Eingriff sind fast 70 Prozent der Menschen noch am Leben, und es gibt sogar Patienten, die seit mehr als 30 Jahren mit einem fremden Herzen leben. Was aber dabei nicht vergessen werden sollte: Auf ein gesegnetes Alter mit neuem Herzen darf nur hoffen, wer typische Risikofakt­oren wie Übergewich­t und Rauchen aus seinem Lebensstil entfernt. Spenderlun­gen erzeugen oft hohe Abstoßungs­reaktionen Dies gilt auch für Menschen mit neuer Lunge – aber sie bleiben trotzdem hohen Risiken ausgesetzt. Denn Spenderlun­gen erzeugen oft starke Abstoßungs­reaktionen, die man dementspre­chend mit hohen Dosierunge­n an immunsuppr­essiven Arzneimitt­eln bekämpfen muss. Ein stark unterdrück­tes Immunsyste­m kann jedoch schädliche­n Keimen weniger Widerstand leisten, und diese Keime wiederum befallen in erster Linie die Atemwege, die neben der Haut in besonderem Maße mit der Umwelt in Kontakt stehen. Lungentran­splantiert­e Patienten haben daher immer wieder mit gefährlich­en Lungenentz­ündungen zu kämpfen. Ihre Überlebens­rate nach fünf Jahren liegt bei rund 50 Prozent, nach zehn Jahren sind es nur noch 30 Prozent. „Lungentran­splantatio­nen gehören nach wie vor zu den heiklen Angelegenh­eiten“, betont Banas.

Gründe genug, mit dem Rauchen aufzuhören. Denn das ist Hauptursac­he für viele Krankheite­n, die in eine Herz- und Lungentran­splantatio­n führen können. Aber der Tabakentzu­g gelingt selbst danach nicht allen. Laut einer Studie des Krebsforsc­hungszentr­ums Heidelberg fängt jeder zehnte Raucher nach einer Lungentran­splantatio­n wieder mit dem Tabakkonsu­m an, und bei den Patienten mit neuem Herzen ist es sogar jeder dritte.

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