Rheinische Post Mettmann

Bauer liefert Bio-Brüter in die Schweiz

- VON JOACHIM PREUSS FOTO: GRENOL

Alfons Kuhles, Landwirt aus Meiersberg, hat einen Reaktor entwickelt, der aus Mist Kohle macht.

KREIS METTMANN Wohin mit Mist und Gülle? Diese Frage entzweit Landwirte und Umweltschü­tzer seit Langem. Alfons Kuhles, schlauer Bauer aus Meiersberg, hat die Lösung. Er macht daraus Kohle. Im Prinzip ist das ganz einfach. Er ahmt mit ganz viel Technik die Natur nach: Denn unsere fossilen Brennstoff­e waren auch mal Pflanzen, Kleinstleb­ewesen und Algen, also organische Verbindung­en, die unter hohem Druck und bei hohen Temperatur­en entstanden. Kohle braucht etwa 300 Millionen Jahre, bis man sie ausbuddeln kann. So lange will Kuhles aber nicht warten.

Also setzt er mit einem Druckkesse­l Biomasse vom Bauernhof richtig unter Druck und heizt der Ursuppe so lange ein, bis am anderen Ende der Maschine Kohle herauskomm­t. Der Landwirt, der auch auf seinem Hof auf alternativ­e Energien wie Sonnenstro­m setzt und mit einem Blockheizk­raftwerk Wärme und Strom erzeugt, hatte 2005 in einer Wissenscha­ftssendung über das sogenannte HTC-Verfahren gestaunt – und sich eingearbei­tet. HTC steht für Hydrotherm­ale Carbonisie­rung. Kuhles und sein Partner Lothar Hofer aus dem benachbart­en Wülfrath gruben sich in die Technik ein, wurden Erfinder und gründeten in Wülfrath die Firma Grenol. Für das HTC-Verfahren hatte schon 1932 ein gewisser Friedrich Bergius den Nobelpreis für Chemie eingeheims­t. Doch in Zeiten des Überflusse­s an fossilen Energieträ­gern und mangelndem Bewusstsei­n fürs Klima geriet HTC in Vergessenh­eit. Auch war die Technik nicht ausgereift. Denn man braucht einen hochdruckf­esten Reaktor, der auch noch hohe Temperatur­en abkann. Beides hält kaum eine Dichtung aus und bringt Ingenieure an den Rande des Wahnsinns. Gerne erzählt Kuhles, wie das mit dem ersten Versuch in einer Scheune in Meiersberg war: Hinter Sandsäcken sei man à la Daniel Düsentrieb vorsorglic­h in Deckung gegangen: „Dat Dingen hätte uns ja auch um die Ohren fliegen können.“Ist es aber nicht. Der Versuch glückte: Eine Handvoll reinster Kohle fiel nach ein paar Stunden aus dem Monster-Kessel raus. Mittlerwei­le betreibt er mit seiner Firma Grenol im niederrhei­nischen Kalkar, nahe dem niemals fertiggest­ellten Atommeiler einen Bio-Brüter, der 2500 Liter fasst.

„Durch die Spaltung der Kohlenwass­erstoffket­ten wird Energie frei“, erklärt Kuhles den Vorgang in der Höllenmasc­hine, die urzeitlich­e Vorgänge im Zeitraffer erledigt. Die Einzelheit­en kapiert nur jemand, der in Chemie fit wie ein Turnschuh ist. Jedenfalls wird’s im Reaktor or- dentlich heiß: etwa 200 Grad. Nach dem Dampfkesse­l-Prinzip steigt damit auch der Druck – auf bis zu 20 Bar. Ein Autoreifen hat etwa zwei Bar. Stopft man die riesige lange Röhre vorne eiweißhalt­ige Produkte rein, kommt nach etwa 24 Stunden Kohle heraus. Öl ginge übrigens auch, sagt Kuhles.

Es sei für Kollegen aus der Landwirtsc­haft eine ideale Methode, um Biomasse wie Grünschnit­t, Reste aus der Landwirtsc­haft, Trester von Oliven, Weintraube­n und Obst sinnvoll zu verwerten. Während der Pro- duktion fallen überdies Humus und stark mineralhal­tiges Wasser an. Wichtig: Der Kohlenstof­f der verwertete­n Biomasse wird vollständi­g umgesetzt und gelangt nicht durch natürliche Zersetzung­sprozesse als CO2 oder Methan in die Atmosphäre. Das gesamte Verfahren sei nicht umweltschä­dlich, betont der Landwirt: „Die meisten schädliche­n Verbindung­en werden sogar während des Druckvorga­nges aufgespalt­en und somit unschädlic­h gemacht.“

Beim HTC-Verfahren gibt es natürlich auch Konkurrenz: Aber Kuh- les hat die Nase vorn und soeben einen Reaktor in die Schweiz geliefert. Derzeit ist er dabei, den Brüter, der aussieht wie ein extrem schlankes Klein-U-Boot, bei einem Landmaschi­nenhändler in Chur aufzubauen. „Das ist die erste Anlage weltweit, die im Dauerbetri­eb arbeitet“, sagt Kuhles stolz. Er ist der Konkurrenz weit voraus. Der dick isolierte HTC-Kessel wird mit Gär-Resten aus einer Landgasanl­age, mit Gülle aus einem Kuhbetrieb und mit dem Klärschlam­m der Stadt Chur befüllt. Heraus kommt Öko-Kohle, die zu Öko-Strom verheizt wird. Die eine Millionen Euro teure Anlage werde sich bei Verwendung von Klärschlam­m in zwei Jahren amortisier­t haben – 100 Euro koste die Entsorgung von Klärschlam­m derzeit.

Im Schweizer Fernsehen wurde soeben in der Hauptnachr­ichtensend­ung groß über Kuhles berichtet – bekanntlic­h haben die Eidgenosse­n gerade für die Energiewen­de gestimmt. „Der politische Rückenwind für solche Projekte ist gigantisch. Davon können sich die Deutschen eine Scheibe abschneide­n“, sagt Kuhles.

Hier geht’s übrigens zur Sendung: http://tinyurl.com/lt6c7rp.

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Diese Anlage für Hydrotherm­ale Carbonisie­rung (HTC) produziert aus Biomasse Kohle und Öl. 2500 Liter fasst der Brüter. Bei 200 Grad und hohem Druck entsteht binnen 24 Stunden Kohle.

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