LIEBERBERG Gezielte Sicherheitskontrollen bei Rock am Ring
Der Konzertveranstalter kehrt mit dem Festival zum Nürburgring zurück. Sicherheit hat oberste Priorität, der 71-Jährige verteidigt das Getränkeverbot.
NÜRBURG Intensivere Durchsuchungen, mehr Ordner, sanftes Profiling – ab Freitag tummeln sich unter verstärkten Sicherheitsvorkehrungen mehr als 80.000 Menschen beim Musikfestival Rock am Ring in der Eifel. Die Besucher lassen sich von dem knapp zwei Wochen zurückliegenden Anschlag auf ein Konzert in Manchester mit 22 Toten nicht einschüchtern. Am Freitag spielen unter anderem die Broilers und Rammstein, Samstag und Sonntag folgen beispielsweise Die Toten Hosen, Beginner, Kraftklub, System of a down und Annenmaykantereit. Mehr als 80 Bands treten auf den drei Bühnen am Nürburgring auf. Veranstalter Marek Lieberberg hat in Absprache mit den Behörden aufgerüstet, um so viel Sicherheit wie möglich zu bieten. Was ging in Ihnen vor, als Sie von dem Anschlag in Manchester erfahren haben? MAREK LIEBERBERG Zu der fatalen Betroffenheit, tiefen Trauer und Bestürzung kam sehr schnell große Wut. Die Attentäter kennen weder Grenzen, Moral noch Scham. Einmal schlagen sie in einem Supermarkt zu, dann in einem Sportstadion, später überfallen sie die Konzerthalle Bataclan in Paris, oder sie richten ein Gemetzel auf einem Weihnachtsmarkt an. Die Ziele sind beliebig, jeder kann ohne eigenes Zutun ins Visier geraten. Was bedeutet der Anschlag für Ihre Arbeit, vor allem bei Rock am Ring? LIEBERBERG Zunächst einmal muss klar sein, dass es keine absolute Sicherheit in einer freien Gesellschaft gibt. Aber wir tun alles in unserer Macht Stehende, um die Besucher soweit wie möglich zu schützen und die relative Sicherheit zu erhöhen. Wir haben die Anzahl der Ordner aufgestockt, Bodychecks zur Regel gemacht, die Überwachung des Backstagebereichs und der Umgebung bereits vor Beginn des Festivals ausgeweitet. Mitarbeiter patrouillieren rund um das Gelände. Wir haben die Anzahl der Schleusen an Ein- und Ausgängen erhöht. Auf das Gelände darf nur noch das mitgenommen werden, was absolut notwendig ist: Schlüssel, Handy, Portemonnaie sowie Kosmetik- bzw. Arzneitäschchen. Taschen, Rucksäcke sowie Behältnisse aller Art sind mit Ausnahme einer Gürteltasche und einer faltbaren, leeren Getränkeflasche verboten. Das tut mir persönlich sehr leid, aber wir müssen versuchen, in Absprache mit Behörden und Polizei die latente Gefährdung zu vermindern. Was heißt das? LIEBERBERG Gemeinsam mit den Einsatzkräften führen wir zudem eine Art Profiling durch, bei dem wir beispielsweise verdächtiges Verhalten und Bewegungen einzelner Besucher besonders in Augenschein nehmen. Eine wichtige Aufgabe kommt der Polizei zu, die sichtbar Präsenz zeigen muss, auch bewaffnet. Dabei geht es vor allem um einen wirklich demonstrativen Auf- tritt, so wie er an Flughäfen gang und gäbe ist. Was können die Besucher machen, um Ihnen ein Stück weit zu helfen? LIEBERBERG Sie können gegenseitig auf sich achten und Verdächtiges melden. Niemand sollte sich jedoch selbst in Gefahr bringen. Lieber einmal zu viel Ordner oder Polizei ansprechen, als einmal zu wenig. Es regt sich Kritik, vor allem auf Facebook, dass keine Rucksäcke mehr mit aufs Gelände genommen werden dürfen. Was erwidern Sie darauf? LIEBERBERG Das Internet ist voll von Kritik und Hass, leider auch ein Forum für alle möglichen Profilneurotiker. Getränke dürfen wegen verbotener Behältnisse nicht aufs Gelände, auch die faltbaren Getränkeflaschen mit einem Volumen von höchsten einem halben Liter müssen leer sein. Sie können auf dem Gelände aber kostenlos mit Trinkwasser gefüllt werden. Mir geht es ausschließlich um die Sicherheit der Besucher und die Effektivität der Kontrollen. Nach zwei Jahren Exil in Mendig ist Rock am Ring wieder an die Heimstätte an den Nürburgring zurückgekehrt – wie fühlt sich das für Sie an? LIEBERBERG Ich empfinde weder Triumph noch Wehmut. Die Rückkehr war schlichtweg eine Notwendigkeit! Die Anforderungen in Mendig gestalteten sich immer unerträglicher und liefen völlig aus dem Ruder. Wir konnten uns nicht mehr auf unsere eigentliche Festivalarbeit konzentrieren, sondern mussten uns auf vielen Nebenschauplätzen aufreiben. Mendig hatte Vorzüge, vor allem die geniale Situation vor den Bühnen und der Wechsel zwischen den Bühnen. Aber ich bin froh, mich nicht mehr mit den Absurditäten der Umweltbehörden und Verbände herumquälen zu müssen, weil es am Nürburgring klare Rahmenbedingungen gibt. In Wahrheit haben wir den Flugplatz Mendig überhaupt nicht belastet. Die Feldlerchen waren bereits nach einem Tag wieder da, die Salamander haben sich überhaupt nicht stören lassen. Auf Festivalgeländen werden weder Chemiewerke noch atomare Wiederaufbereitungsanlagen installiert. Sie sind vor drei Jahren nach Mendig gezogen, weil es keine Übereinkunft mit dem damals neuen Ringeigentümer Capricorn gab. Haben Sie sich wieder angenähert? LIEBERBERG Wir haben nun eine vernünftige Übereinkunft getroffen. Außerdem gab es an einigen Stellen einen Wechsel der handelnden Personen. Im Gespräch als Veranstaltungsgelände war zwischenzeitlich auch das JHQ in Mönchen- gladbach – ist das Thema noch aktuell? LIEBERBERG Dort haben wir wie ein ähnliches Problem wie in Mendig. Im Juni zur Brutzeit wäre ein Musikfestival undenkbar. Auch andere Fragen sind bis heute nicht geklärt. Das JHQ ist ein sehr schönes Gelände und definitiv für ein Mehr-TageFestival – eventuell ohne Camping – nutzbar. Bisher war der Weg jedoch mit zu vielen Hindernissen gepflastert. Die Verantwortlichen müssen sich entscheiden, ob sie ein Festival wirklich haben wollen oder nicht. Dafür brauchen wir transparente und erfüllbare Bedingun
gen. Zum Schluss noch einmal kurz zurück zu Rock am Ring: Worauf freuen Sie sich dieses Jahr besonders? LIEBERBERG Ich wünsche mir ein sicheres, zivilisiertes und enthusiastisches Festival in der Eifel, das ganz frei von Zwischenfällen bleiben wird. Die Besucher sollen alle zusammen ihr friedliches Rock am Ring feiern und viel Spaß dabei haben. TOBIAS DUPKE FÜHRTE DAS GESPRÄCH.