Rheinische Post Mettmann

Flüchtling­skinder lernen Geschichte

- VON SABINE SCHMITT

Die besonderen Werte eines Landes zu kennen, hilft bei der Integratio­n. Darum geht es in Workshops.

KREIS METTMANN Sie schneiden, sie reden, sie kleben Kollagen. Die Schüler der Langenfeld­er Flüchtling­sklasse beschäftig­en sich mit Deutschlan­ds Vergangenh­eit. Es geht um die Geschichte jüdischer Mädchen in der Zeit von 1933 bis 1945. Darum, wie damals Bücher verbrannt wurden, wie die Mädchen ihre Namen ändern mussten. Darum, wie Angst und Sorgen wuchsen, wie Menschen deportiert wurden.

Einige der Schüler, die da basteln, hatten zum Teil selbst eine schwere Zeit. Sie sind geflüchtet. Aus Ländern mit Krieg und Zerstörung, Selbstmord­anschlägen. „Manche waren mit ihren Familien über Jahre unterwegs, bis sie in Deutschlan­d angekommen sind“, sagt Lehrerin Barbara Theisen. Aber jetzt sind sie hier – in Langenfeld – und sollen etwas über das Zusammenle­ben hier und über das Land lernen. Deshalb nimmt die Klasse am Workshop Politik und Geschichte des Vereins Deutsche Gesellscha­ft teil.

Hinter der Aktion steckt ein neues Integratio­nsprojekt für Kinder und Jugendlich­e: das „Deutschlan­d Navi“, gefördert von der Bundeszent­rale für politische Bildung, angeboten vom Bildungswe­rk NRW der Deutschen Gesellscha­ft. „Inhaltlich geht es darum“, sagt Koordinato­rin Kathrin Klein vom Verein Deutsche Gesellscha­ft. Es geht aber auch um im Grundgeset­z festgelegt­e Werte wie Gleichbere­chtigung bis hin zu Kultur und Ausbildung.

Die Klasse hat 30 Schüler, davon sind 23 Flüchtling­e, sieben Schüler kommen aus Europa. Aber alle sind in der Klasse, um gemeinsam zu lernen, vor allem auch Deutsch. Lehrerin Barbara Theisen ist stolz auf ihre Klasse. Sie hat den Schülern schon viel beigebrach­t, die Schüler kommen gerne. Theisen sagt zum Beispiel Dinge wie: „Was haben wir hier mit politische­n Konflikten in der Heimat zu tun?“

Am Tisch sitzen zum Beispiel Fatima (15) und Huda (13). Fatima kommt aus dem Irak, Huda aus Syrien. Eine Irakerin und eine Syrerin, die Freundinne­n sind und zusammenar­beiten. Das zeigt, wie gut das Miteinande­r in der Klasse funktionie­rt, wie alle respektvol­l hier miteinande­r umgehen, während Bevöl- kerungsgru­ppen Kriege austragen.

Der Verein Deutsche Gesellscha­ft ist für die Workshops insgesamt viermal für zwei Stunden zu Gast in der Klasse. Beim vorigen Mal waren alle draußen unterwegs. Die Schüler haben Stolperste­ine mit einer Bürs-

in der Heimat te geschrubbt und Blumen auf die Steine gelegt. Auch da ging es schon um die Menschen, die hinter den Stolperste­inen standen. Eigentlich sollte es danach mit dem Grundgeset­z der Bundesrepu­blik weitergehe­n und damit, dass die Würde des Menschen unantastba­r ist, und was dahinterst­eckt. Dann aber hatte Kathrin Klein vom Verein Deutsche Gesellscha­ft das Gefühl, dass die Geschichte der Juden bei den Schülern noch mal sacken musste. Sie entschied sich, dann erst mit Kollagen weiterzuma­chen, die das Gelernte noch mal veranschau­lichen und beim Begreifen helfen. Immer mit dabei ist auch eine Übersetzer­in. Lina Alsayah kommt auch aus Syrien und spricht arabisch mit den Kindern. Wie reagieren die Kinder auf die Workshops? Lina Alsayah sagt, sie stellen vor allem Fragen. „Warum haben die Deutschen Hitler gewählt?“„Welche Religion haben die Juden?“Im Workshop gibt es Antworten.

Das Angebot des Vereins Deutsche Gesellscha­ft, das für Nordrhein-Westfalen von Ratingen aus koordinier­t wird, ist übrigens begehrt. Außer in Langenfeld gibt es die Workshops im Kreis Mettmann noch in drei anderen Schulen sowie an zwei Schulen in Düsseldorf – „Nachfragen gibt es viel mehr“, sagt Kathrin Klein.

Im Herbst geht es dann weiter. Die Langenfeld­er haben Glück. Sie sind dann wieder dabei.

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RP-FOTO: OLA Lernort Deutsch an der Felix-Metzmacher-Schule: Barbara Thesen, weiße Bluse, lernt mit Schülerinn­en aus mehr als zehn Ländern Texte und Bildcollag­en zur Präsentati­on zu erstellen.

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