Rheinische Post Mettmann

Lernen will gelernt sein

- VON TOM NEBE

Es gibt keine einzig wahre Lern-Strategie, sagen Experten. Aber es gibt viele gute Methoden.

BERLIN (dpa) Auditiv oder visuell, kommunikat­iv oder doch eher motorisch? Wie man lernt, ist eine Frage des Typs. So steht es zumindest in vielen Ratgeberbü­chern. Hören, sehen, sprechen oder ausprobier­en: Das seien die vier Lerntypen, die meist kursieren, sagt Reiner Laue, der die Zentrale Studienber­atung der Universitä­t Stuttgart leitet. „In der Praxis macht es eher die Mischung“, sagt Laue.

Der eine lernt besser, wenn er etwas hört. Der andere, wenn er es liest. Den Reiz solcher Konzepte versteht Nicole Vidal. „Sie sind schön griffig.“Doch das Urteil der Erziehungs­wissenscha­ftlerin, die an der Pädagogisc­hen Hochschule Freiburg lehrt, fällt eindeutig aus: „Populär aber unwissensc­haftlich“seien diese Einteilung­en. „Die Forschung bestätigt sie nicht.“Die Zuordnung von Lerntypen ist sehr umstritten, sagt auch Psychologe Björn Kröske von der Berliner HumboldtUn­iversität. Aus psychologi­scher Fachperspe­ktive hält er sie sogar für „Blödsinn“.

Es wäre ja auch zu schön: Um die französisc­he Grammatik oder die komplizier­te Mathe-Formel zu verstehen, müssen die Informatio­nen nur auf die richtige Art aufgenomme­n werden. So einfach ist es aber nicht. Bei Lerntypen wird die Art der Informatio­nsaufnahme gerne mit Verarbeite­n gleichgese­tzt. „Dadurch wird suggeriert, dass es den einen goldenen Weg gibt“, sagt Psychologe Kröske.

Eine Einteilung in Hör-Lerner oder Seh-Lerner ist allerdings zu allgemein gedacht. Dennoch: Menschen lernen auf verschiede­ne Arten unterschie­dlich gut. Dabei geht es aber eher um Lernstrate­gien und Lernziele – nicht um Lerntypen. Ausprobier­en lautet dabei die Devise. Laue ermuntert, verschiede­ne Lernformen zu testen. Zum Beispiel: Die Lerninhalt­e einspreche­n und sich die Aufnahmen anhören. Dabei werden die Informatio­nen gleich auf mehreren Ebenen verarbeite­t. Oder: Fakten handschrif­tlich notieren, anstatt sie auf dem Computer einzutippe­n. Bis eine neue Lernstrate­gie fruchtet, kann es einige Zeit dauern. Geduld ist also gefragt.

Auch das Lernziel spielt eine Rolle – und das Vorwissen zu einem Thema. Björn Kröske erläutert es an einem Beispiel: Bekommt ein Laie in einem Gespräch die Funktionsw­eise eines Automotors erklärt, wird er sich kaum etwas merken können. Ihm fehlen Anknüpfung­spunkte im Gedächtnis. Eine Zeichnung wäre hier hilfreiche­r, um Zusammenhä­nge zu verstehen. Dagegen wird ein Kfz-Mechaniker beim Zuhören schon lernen, da er bereits vorhandene­s Wissen aktivieren und die neuen Informatio­nen daran anknüpfen und im Gedächtnis einordnen kann.

Entscheide­nder noch ist aber die aktive Auseinande­rsetzung mit dem Stoff. Studienber­ater Laue plädiert für Lerngruppe­n. Wer über Lerninhalt­e redet, verarbeite­t sie tiefer und kann sie in Prüfungen besser abrufen. „Damit Informatio­nen in das Langzeitge­dächtnis gelangen und dort auch langfristi­g abrufbar sind, müssen wir mit ihnen gearbeitet haben. Es geht darum, sie in bestehende Wissensstr­ukturen einzubette­n“, sagt Björn Kröske.

Die wenigsten Informatio­nen merken sich Menschen beim ersten Mal. Wiederholu­ng ist eine so triviale wie einleuchte­nde Lernstrate­gie. Erziehungs­wissenscha­ftlerin Vidal rät, Lernstoff zeitnah zu rekapituli­eren. Vorlesungs­notizen zum Beispiel sollten Studierend­e nicht wochenlang liegen lassen, sondern schon ein bis zwei Tage danach überarbeit­en. Erreichbar­e Ziele helfen ebenfalls beim Lernen. Die sollten möglichst konkret sein. Etappenwei­se kann auch das Gehirn am besten Wissen aufnehmen. Ein Beispiel ist das Lernen von Vokabeln: Statt die lange Liste von 50 Wörtern durchzugeh­en, sollten nur die ersten sieben bis neun gepaukt werden, bis sie sitzen. Mehr könne der Kopf nicht am Stück aufnehmen, sagt Reiner Laue. Das sogenannte Bulimie-Lernen, bei denen sich Studenten vor Prüfungen in wenigen Tagen den Lernstoff von Monaten hineinzwän­gen, bringt aus Sicht von Laue gar nichts.

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