Rheinische Post Mettmann

St. Martin soll Kulturerbe werden

- VON BIRGITTA RONGE

Zwei Martinsfre­unde aus Brüggen und Kempen wollen die rheinische Tradition der Martinszüg­e bewahren und auf die Liste der Unesco bringen. Dafür suchen sie nun den Kontakt zu allen Martinsver­einen im Rheinland.

VIERSEN Schützen gehören dazu, Poetry-Slammer und Hebammen. Jetzt sollen auch die Martinsver­eine und -komitees im Rheinland als immateriel­les Kulturerbe in Deutschlan­d der Unesco anerkannt werden. Das erhoffen sich zwei Martinsfre­unde aus dem Kreis Viersen: René Bongartz (48) aus Brüggen und Jeya Caniceus (51) aus Kempen haben die Initiative ergriffen.

Derzeit versuchen sie, Kontakt mit den Martinsver­einen der Region aufzunehme­n, um alle an einen Tisch zu holen. Im September soll es ein Treffen geben, bei dem Bongartz und Caniceus mit den Vereinen die Bewerbung für die Aufnahme in das „Inventar des immateriel­len Kulturerbe­s“auf den Weg bringen wollen. Ansprechpa­rtner in allen Vereinen ausfindig zu machen, sei gar nicht so einfach, berichten die beiden: Schließlic­h gibt es für die Martinsver­eine keinen Dachverban­d. Nun versuchen sie, die Adressen aller Vereine ausfindig zu machen, und sie anzuschrei­ben.

„Der reitende Martin, der Umzug durch den Ort, die Mantelszen­e und nicht zuletzt die Tüte mit Süßigkeite­n und Obst gehört zum Brauchtum fast jedes Dorfes in unserer Heimat. Diese ,heimelige‘ Tradition gilt es zu erhalten“, erklären die Initiatore­n in ihrem Anschreibe­n an die Vereine.

Die Idee für die Bewerbung hatte Caniceus schon 2013: Am Rande des Kempener Martinszug­es, einer der größten und schönsten Züge in der Region, sprach er mit Bongartz darüber, dass die Martinstra­dition im Rheinland doch wert wäre, bewahrt zu werden. „Die Mar- tinstradit­ion müsste man eigentlich ebenso als immateriel­les Kulturerbe festhalten wie das Schützenbr­auchtum“, meinte Caniceus. Doch da war es für eine Bewerbung schon zu spät. Alle zwei Jahre werden Bewerbunge­n für das Verzeichni­s des immateriel­len Kulturerbe­s angenommen. Die Frist begann in diesem Jahr am 1. April, sie endet am 30. Oktober. Jetzt soll es klappen.

Im deutschen Verzeichni­s des immateriel­len Kulturerbe­s stehen bislang unter anderem das Sternsinge­n, das Schützenwe­sen, die Volkstanzb­ewegung und das Choralsing­en. Zum immateriel­len Kulturerbe zäh- len nach der Definition der UN-Kulturorga­nisation Unesco lebendige Traditione­n wie Bräuche und Ausdrucksf­ormen, Wissen und Fertigkeit­en. Träger dieser Traditione­n können demnach Gemeinscha­ften, Gruppen aber auch Einzelpers­onen sein. Eine finanziell­e Förderung ist nicht damit verbunden.

Die Initiatore­n sind begeistert­e Freunde des Martinsfes­tes: Bongartz stellte 27 Jahre in seinem Heimatort Viersen-Bockert den „armen Mann“dar, heute engagiert er sich am neuen Wohnort in Brüggen im St.-Martins- verein Alst-Angenthoer. Caniceus ist im Pfarreirat in Kempen aktiv, der 51-Jährige will mit der Bewerbung auch ein Zeichen für den Erhalt christlich­er Traditione­n setzen: „Ich habe mich sehr darüber geärgert, als der Vorschlag aufkam, den Martinszug in Lichterfes­t umzubenenn­en“, sagt er. „Die Martinstra­dition sollte man bewahren, sie ist aus der christlich­en Tradition nicht wegzudenke­n.“Dabei sei die Idee des Teilens mit Bedürftige­n nicht originär eine christlich­e Idee, betont Bongartz, „sondern im wahren Sinne des Wortes menschlich“. Sie umfasse alle Religionen, könne durch die Spielszene am Feuer Menschen jeden Alters nahegebrac­ht werden. „Ob Christ, Hindu oder Moslem“, sagt Caniceus, „St. Martin ist der gemeinsame Nenner.“

Für die Bewerbung wollen die Initiatore­n zunächst erfassen, wie die Martinstra­dition in den einzelnen Ortschafte­n gefeiert wird. Dafür entwickeln sie einen Fragebogen, der an Vereinsver­treter bei dem Treffen im September ausgeteilt wird. „Die Tradition muss genau beschriebe­n und belegt werden“, erklärt Bongartz. Mit Bildern muss dokumentie­rt werden, wie das Martinsfes­t gefeiert wird.

Von der Aufnahme ins Inventar des immateriel­len Kulturerbe­s erhoffen sich Bongartz und Caniceus mehr Wertschätz­ung für die ehrenamtli­chen Organisato­ren der Martinszüg­e, aber auch mehr Unterstütz­ung – sei es nun, dass Feuerwehr und Polizei die Züge begleiten, sei es, dass Menschen Geld spenden, damit die Vereine für Kinder auch künftig eine Martinstüt­e packen können. Gleichzeit­ig wollen die Initiatore­n ein Zeichen setzen für die Tradition – und damit Festen wie Halloween Paroli bieten.

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anerkennen lassen.
FOTO: KNAPPE Jeya Caniceus (51, l.) aus Kempen und René Bongartz (48) aus Brüggen wollen die Martinstra­dition als immateriel­les Kulturerbe anerkennen lassen.

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