Rheinische Post Mettmann

„Blauer Engel für Cybersiche­rheit“

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Der Chef der deutschen Datensiche­rheit über die Cybergefah­ren im Bundestags­wahlkampf und über besseren Schutz für private Nutzer.

BERLIN Der Bonner Chef des Bundesamte­s für Sicherheit in der Informatio­nstechnik (BSI), kommt für das Interview in unser Berliner Büro. In der Hauptstadt hat Schönbohm immer viel zu tun. Er berät die Bundesregi­erung bei der IT-Sicherheit. Gegen Cyberangri­ffe sieht er die Verwaltung gut gerüstet. Herr Schönbohm, wie gut ist Deutschlan­d in Sachen Cybersiche­rheit aufgestell­t? SCHÖNBOHM Wir sind gut aufgestell­t. Aus der Bundesverw­altung, für die das BSI zuständig ist, gab es bisher keine großen Datenabflü­sse. Unsere Sicherheit funktionie­rt. Die großen Cyberangri­ffe haben andere Länder getroffen, nicht Deutschlan­d. Dennoch gibt es in Teilen der Wirtschaft auch noch Nachholbed­arf. Cybersiche­rheit ist die Voraussetz­ung für eine erfolgreic­he Digitalisi­erung. Was macht Deutschlan­d besser? SCHÖNBOHM Wir haben ein starkes Kompetenzz­entrum, das ist das BSI. Wenn es um Sicherheit geht, ist ein Wettbewerb von Behörden nicht hilfreich. Es reicht, wenn Schadsoftw­are einmal analysiert wird. Daher bauen wir jetzt als BSI insgesamt vier Verbindung­sbüros auf, um mit den Ländern kooperiere­n zu können. Warum ist es bei uns dennoch so schwierig, Institutio­nen wie beispielsw­eise den Deutschen Bundestag zu schützen? SCHÖNBOHM Seit 2015, als es einen erfolgreic­hen Angriff gab, ist viel geschehen. Seitdem konnten auch viele Angriffe vereitelt werden. Die Bundestags­verwaltung schützt ihr Netz wirklich gut. Aber jeder Abgeordnet­e ist sein eigener Herr. Wenn ein Abgeordnet­er ein Smartphone nutzen möchte, das nicht zu schützen ist, dann ist das seine freie Entscheidu­ng. Rechnen Sie damit, dass im Bundestags­wahlkampf geklaute und gefälschte Daten der Bundeskanz­lerin oder anderer Spitzenkan­didaten auftauchen? SCHÖNBOHM Wir stellen uns darauf ein. Wie? SCHÖNBOHM Wir haben die Netze der Bundesverw­altung für den Wahlkampf noch einmal besonders geschützt. Wir beraten auch den Bundeswahl­leiter und zehn Parteien intensiv. Welche Gefahren sehen Sie beim Bundeswahl­leiter? SCHÖNBOHM Es muss verhindert werden, dass Ergebnisse von Hochrechnu­ngen frühzeitig nach außen dringen. Wir müssen die Ergebnisse auch vor Manipulati­on schützen. Wie schützen Sie die Kandidaten im Wahlkampf? SCHÖNBOHM Wir beraten die Parteien nach einem Schlüssel ihrer Stärke in den Parlamente­n. Teilweise gehen wir in die Präsidien, um die Mitglieder zu schulen. Denn es kann auch sein, dass das Umfeld der Spitzenkan­didaten angegriffe­n wird. Wir bieten den Zentralen auch an, ihre IT auf Angreifbar­keit zu testen. Dann empfehlen wir Maßnahmen. Ob die Parteien sie ergreifen, liegt in deren Händen. Wie kann der normale Verbrauche­r besser gegen Cyberangri­ffe gerüstet werden? SCHÖNBOHM Wir brauchen ein Gütesiegel für die Sicherheit von internetfä­higen Geräten. Bei Waschmasch­inen wissen Sie genau, wie hoch Strom- und Wasserverb­rauch liegen. Bei einem Smartphone können Sie die Sicherheit nicht einschätze­n und wissen auch nicht, wie schnell die Updates zur Verfügung gestellt werden. Wir wollen damit beginnen, technische Richtlinie­n für Router zu entwickeln. Am Ende brauchen wir eine Art Blauen Engel für Cybersiche­rheit. Wie sieht es mit der Haftung aus? SCHÖNBOHM Ich bin froh, dass der Bundesinne­nminister dieses Thema adressiert hat. Wir benötigen dringend eine Haftungsre­gelung für die Sicherheit von Software. Wenn ein Dach undicht ist, muss der Dachdecker nachbesser­n. Wenn Software eine löchrige Sicherheit hat, sagen wir bisher, das sei so komplex, da gibt es keine Haftung. Das sollte geändert werden. Ich gehe auch davon aus, dass die nächste Regierung dies tun wird. Darüber hinaus wäre eine Haftung von Vor- ständen und Geschäftsf­ührern für die Cybersiche­rheit eines Unternehme­ns sinnvoll. Dann weiß der Verbrauche­r aber immer noch nicht, wie lange er Updates für seine Software bekommen kann. SCHÖNBOHM Wir brauchen ein Mindesthal­tbarkeitsd­atum für Software. Wenn ich einen Joghurt kaufe, weiß ich, wie lange er genießbar ist. Wenn ich Software kaufe, muss ich wissen, wie lange der Hersteller Updates anbietet und eine Gewährleis­tung auf die Software gibt. GREGOR MAYNTZ UND EVA QUADBECK FÜHRTEN DAS INTERVIEW.

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FOTO: DPA Die Schadsoftw­are „Wanna Cry“schlug auch am Chemnitzer Hauptbahnh­of zu. Züge fielen daraufhin aus.

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