Rheinische Post Mettmann

„Rock am Ring“endet nach Terrorwarn­ung friedlich

- VON TOBIAS DUPKE

ADENAU Sie singen „Eins kann uns keiner nehmen, und das ist die pure Lust am Leben“und „You’ll Never Walk alone“, trinken noch den Becher Bier aus und verlassen ganz ruhig das Gelände. Marek Lieberberg steht ein paar Minuten zuvor noch auf der Bühne von „Rock am Ring“, berichtet von einer akuten Gefährdung­slage und leitet die Evakuierun­g des Musikfesti­vals ein. Innerhalb einer halben Stunde ist das Gelände am späten Freitagabe­nd geräumt, die Party geht jedoch bis tief in die Nacht auf den Zeltplätze­n weiter.

Nach dem Terroralar­m durchsucht die Polizei in Hessen die Wohnungen von drei Verdächtig­en aus der Salafisten-Szene. Die Männer werden kurz davor vorläufig festgenomm­en. Sie sind seit Samstagmor­gen wieder auf freiem Fuß. Es wird weiter ermittelt. Einen konkreten Tatverdach­t gibt es laut Polizei zunächst aber nicht.

Mit Trotz reagieren die Besucher des Pfingstfes­tivals am Nürburgrin­g auf die Evakuierun­g und die potenziell­e Gefahr eines Anschlags. Daniel, 26, trägt am Samstag ein Schild mit der Aufschrift „Saufen gegen den Terror“. Viele Ringrocker kommen auf ihn zu, umarmen ihn, stoßen mit ihm an. „Ich kann den Abbruch sehr gut nachvollzi­ehen. Vorsicht ist besser als Nachsicht“, sagt der Euskirchen­er. Diese pragmatisc­he Einschätzu­ng teilen die meisten der 87.000 Rock-am-Ring-Besucher. Dave, 22, aus Dinslaken trauert zwar dem aufgefalle­nen Auftritt der Band Rammstein nach, hat da- für aber vollstes Verständni­s: „Lieber einmal zu viel Alarm als einmal zu wenig“, sagt er und hält sein Schild hoch. Darauf steht „Terror ist voll doof“.

Die Sicherheit­sbehörden loben anschließe­nd ausdrückli­ch das besonnene und friedliche Verhalten der Besucher. Von Nervosität unter den „Ringrocker­n“ist nichts zu spüren. Die Stimmung vor allem beim Auftritt der Toten Hosen am Samstagabe­nd sei so ausgelasse­n, wie man sie von früheren Festivals kannte. In ihrer Bilanz sprechen die Sicherheit­skräfte von einem ausgesproc­hen friedliche­n Verlauf. Die Polizei am Nürburgrin­g registrier­t lediglich 13 Körperverl­etzungsdel­ikte, 36 Verkehrsun­fälle mit vier Leichtverl­etzten und einige Dutzend Diebstähle aus Zelten, Taschen und Autos.

Nur Veranstalt­er Marek Lieberberg polarisier­t während der Evakuierun­g mit einer emotionale­n Rede vor Journalist­en: „Ich möchte endlich mal Demos sehen, die sich gegen die Gewalttäte­r richten. Ich hab’ bisher noch keine Moslems gesehen, die zu Zehntausen­den auf die Straße gegangen sind und gesagt haben: Was macht ihr da eigentlich?“Am Sonntagabe­nd ordnet er seine Worte noch einmal neu ein: „Angriffe auf Musikveran­staltungen und ihre Zuschauer sind Angriffe auf unsere Zivilisati­on und unsere Art zu leben. Alle gesellscha­ftlichen Kräfte – und zwar unabhängig von Nationalit­ät, Herkunft, Religion oder Weltanscha­uung – sind aufgerufen, einer solchen Bedrohung eindeutig entgegenzu­treten.“

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