Rheinische Post Mettmann

Die Krönung

- VON ROBERT PETERS

Real Madrid bestätigt die Vormachtst­ellung in Europa beim 4:1-Finalsieg über Juventus Turin.

CARDIFF/DÜSSELDORF Am Ende der langen Nacht von Cardiff hatte wahrschein­lich jeder Spieler mal eines seiner Kinder in den Henkelpott gesteckt – sofern es sich um Spieler von Real Madrid handelte, denn die von Juventus Turin hatten keinen Zugriff auf den Pokal. Das schmerzte vor allen anderen den längst legendenum­wobenen Torwart Gigi Buffon, der auch sein drittes Finale

„Wir dachten, wir hätten alles getan

für den Sieg“

Gianluigi „Gigi“Buffon

Torwart von Juventus Turin

der Champions League als Verlierer beendete. „Es ist eine große Enttäuschu­ng“, sagte Buffon, „wir dachten, wir hätten alles getan für den Sieg.“Es war nicht genug. Das nach der Pause überragend aufspielen­de Real gewann mit 4:1 – der große Buffon kassierte ein Tor mehr als in der gesamten Saison der europäisch­en Meisterkla­sse zuvor.

An seiner tadellosen Haltung änderte das nichts. Zumindest für den Moment der Gratulatio­n an den Sieger wischte er sich die Enttäuschu­ng aus dem Gesicht. Auch deshalb gehört der Schlussman­n zu den Größen dieser Sportart.

Seit diesem Finale ist es wieder ein Stück wahrschein­licher geworden, dass noch zahlreiche andere Mannschaft­en Real zum Erfolg gratuliere­n müssen. Denn das Team von Zinedine Zidane bestätigte die Vormachtst­ellung auf dem Kontinent. Real verteidigt­e als erster Verein den Titel in der Champions League, und die Bilanz der zurücklieg­enden vier Jahre unterstrei­cht die überragend­e Klasse. Dreimal seit 2014 setzte sich Madrid im Finale durch, 2015 scheiterte es erst in der Vorschluss­runde (an Juve).

Es sind aber nicht nur Zahlen, die Reals Ausnahmest­ellung illustrier­en. Auch die Art, wie Zidanes Mannschaft sich durch schwierige Phasen des Wettbewerb­s bewegte, muss die Mitbewerbe­r tief beeindruck­en. Schwierige Phasen gab es im Viertelfin­al-Rückspiel gegen den FC Bayern München, im HalbfinalR­ückspiel gegen Atlético Madrid und in der ersten Hälfte des Endspiels. Real überstand die Probleme, weil die Mannschaft die beste Balance hat.

Auf nahezu jeder Position steht der perfekte Mitarbeite­r – selbst wenn Torhüter Keylor Navas für seinen Job ein paar Zentimeter zu klein ist, trifft das sogar auf ihn zu. Ganz sicher trifft es auf ein Mittelfeld zu, das in Toni Kroos und Luka Modric glänzende Spielentwi­ckler, in Casemiro ein dynamische­s Kraftpaket und in Isco einen fußballeri­schen Freigeist hat, den Juventus vergeblich zu stellen versuchte. Und da gibt es ganz vorn in der Verwertung­skette eben noch Cristiano Ronaldo, der Tore mit der Zuverlässi­gkeit von Gerd Müller schießt und im vergleichs­weise hohen Alter von 32 Jahren die Schönheite­n des Zusammensp­iels für sich entdeckt. Eine Mannschaft auf dem Höhepunkt ihres Schaffens.

Sie kann in den nächsten Jahren nur an sich selbst scheitern, am Überdruss am Wettbewerb, der mit den großen Erfolgen schon mal ein- hergeht. Anzeichen gibt es dafür aber nicht. Das liegt auch an der Altersstru­ktur. Lediglich Ronaldo (32), Sergio Ramos (31), Navas (30) und Modric (31) sind keine Twens mehr. Alle anderen befinden sich in den besten Jahren oder haben ihre Zukunft noch vor sich.

Das gilt sogar für ihren Trainer. Zidane ist bestimmt einer der größten Fußballer aller Zeiten, als Coach befindet er sich am Anfang seiner Karriere. Gut anderthalb Jahre ist der Franzose Cheftraine­r bei Real, auf der Habenseite stehen zwei Champions-League-Titel und eine Meistersch­aft. Seine Kritiker behaupten, mit dieser Mannschaft würde jeder Zeugwart Titel holen. Die sollten sich mal die Bilanz des allseits anerkannte­n Fußballgen­ies Pep Guardiola in dieser Saison anschauen, das trotz der sprudelnde­n Millionen des Scheichs von Abu Dhabi mit Manchester City die großen Ziele verpasste.

Zidane verfügt offenbar über die wesentlich­e Qualität aller Meistertra­iner. Er kann die Spannungen zwischen 20 Hochbegabt­en moderieren, und er hält die schwierige­n Jungs im Theater der Eitelkeite­n bei Laune. Selbst das notorisch anspruchsv­olle Umfeld von Real muss feststelle­n: Dieser Mann hat Klasse – nicht nur auf dem Platz.

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FOTO: DPA Da ist das Ding: Reals Kapitän Sergio Ramos präsentier­t den Fotografen den Pokal des Champions-League-Siegers.

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