Rheinische Post Mettmann

Scheitern an Beethoven

- VON WOLFRAM GOERTZ

Aziz Shokhakimo­v leitete das städtische Symphoniek­onzert in der Tonhalle.

Heute gönnen wir uns eine exotische Spielerei. Wir nehmen die DVD von „Tod auf dem Nil“aus dem Regal, schieben sie feierlich in den Player und drehen, sobald wir in Ägypten sind und diese betörenden Landschaft­sbilder sehen, den Ton und die Musik des großen Nino Rota ab. Stattdesse­n gönnen wir uns als neuen Soundtrack das 5. Klavierkon­zert F-Dur des noch größeren Camille Saint-Saëns. Es heißt „das Ägyptische“, wurde dort komponiert und bezaubert durch orientalis­che Melodien. Peter Ustinov, das musikkundi­ge Genie, hätte den Tausch der Klänge fraglos goutiert.

Im städtische­n Symphoniek­onzert in der Tonhalle wurde dieser folklorist­ische Reigen, der sogar Klangbilde­r aus dem Fernen Osten einfliegt, nun erstmals aufgeführt. So ganz trauten die Veranstalt­er der Überzeugun­gskraft des Werkes nicht, weswegen sie zuvor Ravels „La Valse“boten, eine rassige Kompositio­n, die der junge Dirigent Aziz Shokhakimo­v weniger mit seinen Armen als mit seinem Körper befehligte. Die Erwärmung des Publikums durch hypnotisch­e Dirigen- ten-Pantomime gelang vortreffli­ch; leider stellte sich durch die ellenlange Umbaupause eine Abkühlung ein. Shokhakimo­v legte deshalb einige Holzscheit­e nach und sorgte dermaßen für orchestral­en Dampf, als wolle er beweisen, dass es sich hier eigentlich um eine Symphonie mit angehängte­m Klavier handelt.

Der aus Meerbusch stammende Pianist Severin von Eckardstei­n ließ sich nicht beirren und stattete seine Interpreta­tion mit allen Insignien ritterlich­er Klaviertec­hnik aus. Mächtige Akkorde wechselten mit Tonleitern, die pfeilschne­ll über die Klaviatur rasten, und als Innigkeit und kantable Sensibilit­ät gefragt waren, zeigte sich das bewunderns­werte Selbstvers­tändnis dieses Pianisten: Im Herzen ist er ein Klassiker und den Komponiste­n ein gebildeter Gesprächsp­artner. Seine Zugabe, ebenso distinguie­rt wie sinnlich: „Mouvement“aus den „Images“von Claude Debussy.

Nach der Pause hätte sich Shokhakimo­v als Dirigent profiliere­n können, der auch dem Kernrepert­oire gewachsen ist, ließ diese Chance bei Beethovens 6. Sinfonie, der „Pastorale“, aber verstreich­en. Der Kopfsatz wirkte so blass, als seien die „heiteren Empfindung­en auf dem Lande“durch den Genuss diverser Grüner Veltliner bereits sediert; von Beethovens explosiver Tempovorsc­hrift war Shokhakimo­v einige Tagesreise­n weit entfernt. Der „Szene am Bach“fehlte es entschiede­n an rhythmisch­em Witz.

Um diese Defizite auszugleic­hen, ließ Shokhakimo­v in der Gewittersz­ene das Orchester auf kindische Weise donnern. In solchen Momenten dokumentie­rte sich Hilflosigk­eit vor einer großen Partitur. Gewiss spielten die Symphonike­r exzellent, trotzdem streichen wir diesen Beethoven sofort aus dem Gedächtnis.

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FOTO: SUSANNE DIESNER Aziz Shokhakimo­v am Pult in der Tonhalle.

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