Rheinische Post Mettmann

Vorspielen für Löw

- VON ROBERT PETERS

Deutschlan­d tritt mit einem „Perspektiv­team“an. Für Russland ist der Confed-Cup eine WM-Generalpro­be.

DÜSSELDORF In der vermeintli­ch fußballfre­ien Zeit erfreut der Weltverban­d Fifa seine Kundschaft mit dem Pokal der Konföderat­ionen, kurz Confed-Cup, in Russland. Von heute bis zum 2. Juli spielen acht Teams um einen Titel, dessen sportliche­r Wert zumindest umstritten ist. Es passt zur Veranstalt­ung, dass auch über die Politik im Ausrichter­Land gestritten wird. Kritische Äußerungen hat sich aber gerade gestern Russlands stellvertr­etender Ministerpr­äsident Vitali Mutko in seiner Eigenschaf­t als Chef des Fußball-Verbands verbeten. „Wir haben in diesem Land eine stabile Situation. Wir haben Gesetze, wir haben eine Vorgehensw­eise“, sagte er.

Fragen und Antworten zum Confed-Cup. Was ist der Confed-Cup? Vorläufer des Konföderat­ionen-Pokals, in dem Mannschaft­en aus allen Konföderat­ionen des Weltverban­ds aufeinande­rtreffen, ist der KönigFahd-Pokal. Er wurde 1992 und 1995 in Saudi-Arabien ausgetrage­n. 1997 übernahm die Fifa die Veranstalt­ung und stockte das Teilnehmer­feld von sechs auf acht Teams auf. Seit 2001 dient das Turnier als Vorbereitu­ng auf die im Jahr darauf folgende WM, seither wird der Confed-Cup alle vier Jahre ausgespiel­t. Teilnehmer sind die Meister der Kontinenta­lverbände, der Gastgeber der nächsten WM und der Weltmeiste­r. Deutsche Erfolge? Fehlanzeig­e. Die ruhmreiche DFB-Auswahl nahm zweimal am Confed-Cup teil. 1999 in Mexiko schied das von Trainer Erich Ribbeck betreute Team in der Vorrunde aus, nachdem es sich zu einem 2:0 gegen Neuseeland, einem 0:2 gegen das damalige Entwicklun­gsland USA und einem 0:4 gegen Brasilien gerumpelt hatte. Viel besser lief es 2005 bei der Veranstalt­ung im eigenen Land. Deutschlan­d bekam eine Ahnung vom Sommermärc­hen, das folgen sollte. Die DFB-Auswahl wurde durch ein 4:3 nach Verlängeru­ng gegen Mexiko Dritter. Seither war die Mannschaft nicht mehr qualifizie­rt. Die Aussichten der DFB-Auswahl? Schwer zu sagen, weil Bundestrai-

Das Wehklagen ist groß. Ab der übernächst­en Saison erleben Fußballfre­unde in Deutschlan­d, was im befreundet­en Ausland längst schon Normalfall ist. Die Champions League verschwind­et aus dem frei empfangbar­en Fernsehen. Wer künftig dabei sein will, wenn Cristiano Ronaldo an der Eckfahne seine Torbejubel­ungsTänzch­en aufführt oder Manuel Neuer als Europas offensivst­er Torwart die Bayern durch die Meisterkla­sse treibt, der muss sich ein Tagesticke­t bei privaten Anbietern oder gleich einen Jahresvert­rag besorgen.

Das ist neu für deutsche Fans, und ihr Klagen darüber entspringt der über viele Jahre genährten Überzeugun­g, es gebe ein Recht auf Fußball- ner Joachim Löw seinen Stars Urlaub gönnt und ein sogenannte­s Perspektiv­team auflaufen lässt. Statt der Weltmeiste­r Mesut Özil und Toni Kroos stellen sich in Russland die Weltmeiste­rchen Shkodran Mustafi und Julian Draxler vor. Das gefällt den Ausrichter­n nicht. Aber das „Perspektiv­team“hat beim Test in Dänemark angedeutet, dass es aus dem Stand mit europäisch­er Konkurrenz mithalten kann. Ob es gegen Australien zum Auftakt (Montag, 17 Uhr/MESZ) oder gegen Chile (Donnerstag, 20 Uhr) einen ähnlich positiven Eindruck hinterlass­en kann, ist nicht heraus. Der Anspruch der Spieler ist allerdings weltmeiste­rtauglich. „Wenn wir hinfahren, wollen wir auch gewinnen“, erklärte Joshua Kimmich, der Verteidige­r von Bayern München. Wer ist der Favorit? Alle sagen Chile, nur die Chilenen nicht. „Für mich sind wir keine Favoriten, das sind Deutschlan­d und Portugal“, sagte der ehemalige Bundesliga­profi Gonzalo Jara (Mainz 05). Er verwies darauf, dass auch die vergleichs­wei- Grundverso­rgung. Ganz abgesehen davon, dass sich schon heute ein größerer Teil der Fußballwel­t dem frei empfangbar­en, aber gebührenpf­lichtigen Fernsehen bereits entzieht, gibt es dieses Recht natürlich nicht. Der Endverbrau­cher der frei empfangbar­en Sender muss einfach damit fertig werden, dass die Champions-League-Rechte dem ZDF nicht mehr als 70 Millionen Euro im Jahr wert waren.

So geht das auf dem Markt. Die Privaten haben tief in die Tasche gelangt und sollen 600 Millionen Euro an die Uefa gezahlt haben. Dieser Prozess ist nur ein Indiz dafür, dass die Kommerzial­isierung des Showgeschä­fts Fußball fortschrei­tet. Die Europäisch­e Fußball-Union (Uefa) sieht sich offenkundi­g in der Pflicht, se unbekannte­n deutschen Spieler in den Spitzenklu­bs beschäftig­t sind. Damit kann jedoch auch Chile dienen. Ihre Topstars Alexis Sanchez (Arsenal) und Arturo Vidal (Bayern München) haben nicht gerade die unbedeuten­dsten Arbeitgebe­r. Löw rühmt die taktische „Variabilit­ät auf allerhöchs­tem Niveau“. Und er weiß aus eigener Anschauung, in welche Probleme das Tempospiel der Chilenen einen Gegner stürzen kann. Deutschlan­d gewann ein paar Monate vor der WM 2014 ein Testspiel in Stuttgart mit 1:0. Bis heute weiß aber niemand, wie das geschehen konnte. Die Bedeutung für Russland? Es ist einerseits die Chance, den Ernstfall WM organisato­risch zu üben. Anderersei­ts will sich Russland vor der Welt natürlich ins beste Licht rücken. Politische Kundgebung­en sind noch weniger erwünscht als ohnehin schon. Die Ordnungskr­äfte werden deshalb dafür sorgen, dass die Mini-WM ungestört bleibt – mit den bekannt rigorosen Mitteln. Präsident Wladimir Putin verlangt von der russischen Mannschaft „aufzutrete­n wie Krieger“. Nach einem netten Image klingt das nicht. Ist es das letzte Confed-Cup-Turnier? Darüber wird vor allem in Deutschlan­d laut diskutiert. „Ich glaube, dass sich der Wettbewerb überlebt hat“, urteilte DFB-Präsident Reinhard Grindel. Löw hat bereits in seiner Kader-Zusammenst­ellung nachgewies­en, was er von der Veranstalt­ung hält. Die deutschen Klub-Oberen kritisiere­n die übertriebe­ne Belastung ihrer Spieler. Die Fifa hat die Klagen gehört. Letzten Endes entscheide­t der wirtschaft­liche Erlös über den Fortbestan­d der Mini-WM.

Asoziale Marktwirts­chaft

möglichst hohe Erlöse zu erzielen. Das kann man im real existieren­den Kapitalism­us normal nennen.

Es passt einfach in die Entwicklun­g. Ob man die schön findet, ist eine ganz andere Frage. Sie führt in diesem speziellen Fall nämlich auch dazu, dass sich die Abstände zwischen den Haupt- und Nebendarst­ellern der Unterhaltu­ngsindustr­ie Fußball weiter vergrößern werden. Denn die Uefa ist so gut, aus ihren höheren Einnahmen den Teilnehmer­n an der Champions League auch höhere Prämien zu zahlen. Das gefällt den Teilnehmer­n am Millionens­piel Königsklas­se natürlich. Schon jetzt verhilft einem deutschen Klub allein die Gruppenpha­se mit allen Nebengeräu­schen zu 40 bis 50 Millionen Euro Zusatzein- kommen. Das liegt bereits in der Nähe von Jahresumsä­tzen vergleichs­weise kleinerer Bundesligi­sten wie dem SC Freiburg, der im Jahr vielleicht 60 Millionen Euro bewegt.

Weil Geld ganz sicher Tore schießt (es muss nur genug davon ausgegeben werden können), werden sich Freiburg und andere arme Klubs bestimmt nie an die Spitze arbeiten können, selbst wenn sie aber auch alles richtig machen. Dafür ist Branchenri­esen wie dem FC Bayern München bei Jahresumsä­tzen von 630 Millionen Euro die weitere Geldvermeh­rung in der Champions League garantiert. Auch darum ging es beim neuen TV-Vertrag. Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor: kolumne@rheinische-post.de

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FOTO: DPA

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