Vorspielen für Löw
Deutschland tritt mit einem „Perspektivteam“an. Für Russland ist der Confed-Cup eine WM-Generalprobe.
DÜSSELDORF In der vermeintlich fußballfreien Zeit erfreut der Weltverband Fifa seine Kundschaft mit dem Pokal der Konföderationen, kurz Confed-Cup, in Russland. Von heute bis zum 2. Juli spielen acht Teams um einen Titel, dessen sportlicher Wert zumindest umstritten ist. Es passt zur Veranstaltung, dass auch über die Politik im AusrichterLand gestritten wird. Kritische Äußerungen hat sich aber gerade gestern Russlands stellvertretender Ministerpräsident Vitali Mutko in seiner Eigenschaft als Chef des Fußball-Verbands verbeten. „Wir haben in diesem Land eine stabile Situation. Wir haben Gesetze, wir haben eine Vorgehensweise“, sagte er.
Fragen und Antworten zum Confed-Cup. Was ist der Confed-Cup? Vorläufer des Konföderationen-Pokals, in dem Mannschaften aus allen Konföderationen des Weltverbands aufeinandertreffen, ist der KönigFahd-Pokal. Er wurde 1992 und 1995 in Saudi-Arabien ausgetragen. 1997 übernahm die Fifa die Veranstaltung und stockte das Teilnehmerfeld von sechs auf acht Teams auf. Seit 2001 dient das Turnier als Vorbereitung auf die im Jahr darauf folgende WM, seither wird der Confed-Cup alle vier Jahre ausgespielt. Teilnehmer sind die Meister der Kontinentalverbände, der Gastgeber der nächsten WM und der Weltmeister. Deutsche Erfolge? Fehlanzeige. Die ruhmreiche DFB-Auswahl nahm zweimal am Confed-Cup teil. 1999 in Mexiko schied das von Trainer Erich Ribbeck betreute Team in der Vorrunde aus, nachdem es sich zu einem 2:0 gegen Neuseeland, einem 0:2 gegen das damalige Entwicklungsland USA und einem 0:4 gegen Brasilien gerumpelt hatte. Viel besser lief es 2005 bei der Veranstaltung im eigenen Land. Deutschland bekam eine Ahnung vom Sommermärchen, das folgen sollte. Die DFB-Auswahl wurde durch ein 4:3 nach Verlängerung gegen Mexiko Dritter. Seither war die Mannschaft nicht mehr qualifiziert. Die Aussichten der DFB-Auswahl? Schwer zu sagen, weil Bundestrai-
Das Wehklagen ist groß. Ab der übernächsten Saison erleben Fußballfreunde in Deutschland, was im befreundeten Ausland längst schon Normalfall ist. Die Champions League verschwindet aus dem frei empfangbaren Fernsehen. Wer künftig dabei sein will, wenn Cristiano Ronaldo an der Eckfahne seine TorbejubelungsTänzchen aufführt oder Manuel Neuer als Europas offensivster Torwart die Bayern durch die Meisterklasse treibt, der muss sich ein Tagesticket bei privaten Anbietern oder gleich einen Jahresvertrag besorgen.
Das ist neu für deutsche Fans, und ihr Klagen darüber entspringt der über viele Jahre genährten Überzeugung, es gebe ein Recht auf Fußball- ner Joachim Löw seinen Stars Urlaub gönnt und ein sogenanntes Perspektivteam auflaufen lässt. Statt der Weltmeister Mesut Özil und Toni Kroos stellen sich in Russland die Weltmeisterchen Shkodran Mustafi und Julian Draxler vor. Das gefällt den Ausrichtern nicht. Aber das „Perspektivteam“hat beim Test in Dänemark angedeutet, dass es aus dem Stand mit europäischer Konkurrenz mithalten kann. Ob es gegen Australien zum Auftakt (Montag, 17 Uhr/MESZ) oder gegen Chile (Donnerstag, 20 Uhr) einen ähnlich positiven Eindruck hinterlassen kann, ist nicht heraus. Der Anspruch der Spieler ist allerdings weltmeistertauglich. „Wenn wir hinfahren, wollen wir auch gewinnen“, erklärte Joshua Kimmich, der Verteidiger von Bayern München. Wer ist der Favorit? Alle sagen Chile, nur die Chilenen nicht. „Für mich sind wir keine Favoriten, das sind Deutschland und Portugal“, sagte der ehemalige Bundesligaprofi Gonzalo Jara (Mainz 05). Er verwies darauf, dass auch die vergleichswei- Grundversorgung. Ganz abgesehen davon, dass sich schon heute ein größerer Teil der Fußballwelt dem frei empfangbaren, aber gebührenpflichtigen Fernsehen bereits entzieht, gibt es dieses Recht natürlich nicht. Der Endverbraucher der frei empfangbaren Sender muss einfach damit fertig werden, dass die Champions-League-Rechte dem ZDF nicht mehr als 70 Millionen Euro im Jahr wert waren.
So geht das auf dem Markt. Die Privaten haben tief in die Tasche gelangt und sollen 600 Millionen Euro an die Uefa gezahlt haben. Dieser Prozess ist nur ein Indiz dafür, dass die Kommerzialisierung des Showgeschäfts Fußball fortschreitet. Die Europäische Fußball-Union (Uefa) sieht sich offenkundig in der Pflicht, se unbekannten deutschen Spieler in den Spitzenklubs beschäftigt sind. Damit kann jedoch auch Chile dienen. Ihre Topstars Alexis Sanchez (Arsenal) und Arturo Vidal (Bayern München) haben nicht gerade die unbedeutendsten Arbeitgeber. Löw rühmt die taktische „Variabilität auf allerhöchstem Niveau“. Und er weiß aus eigener Anschauung, in welche Probleme das Tempospiel der Chilenen einen Gegner stürzen kann. Deutschland gewann ein paar Monate vor der WM 2014 ein Testspiel in Stuttgart mit 1:0. Bis heute weiß aber niemand, wie das geschehen konnte. Die Bedeutung für Russland? Es ist einerseits die Chance, den Ernstfall WM organisatorisch zu üben. Andererseits will sich Russland vor der Welt natürlich ins beste Licht rücken. Politische Kundgebungen sind noch weniger erwünscht als ohnehin schon. Die Ordnungskräfte werden deshalb dafür sorgen, dass die Mini-WM ungestört bleibt – mit den bekannt rigorosen Mitteln. Präsident Wladimir Putin verlangt von der russischen Mannschaft „aufzutreten wie Krieger“. Nach einem netten Image klingt das nicht. Ist es das letzte Confed-Cup-Turnier? Darüber wird vor allem in Deutschland laut diskutiert. „Ich glaube, dass sich der Wettbewerb überlebt hat“, urteilte DFB-Präsident Reinhard Grindel. Löw hat bereits in seiner Kader-Zusammenstellung nachgewiesen, was er von der Veranstaltung hält. Die deutschen Klub-Oberen kritisieren die übertriebene Belastung ihrer Spieler. Die Fifa hat die Klagen gehört. Letzten Endes entscheidet der wirtschaftliche Erlös über den Fortbestand der Mini-WM.
Asoziale Marktwirtschaft
möglichst hohe Erlöse zu erzielen. Das kann man im real existierenden Kapitalismus normal nennen.
Es passt einfach in die Entwicklung. Ob man die schön findet, ist eine ganz andere Frage. Sie führt in diesem speziellen Fall nämlich auch dazu, dass sich die Abstände zwischen den Haupt- und Nebendarstellern der Unterhaltungsindustrie Fußball weiter vergrößern werden. Denn die Uefa ist so gut, aus ihren höheren Einnahmen den Teilnehmern an der Champions League auch höhere Prämien zu zahlen. Das gefällt den Teilnehmern am Millionenspiel Königsklasse natürlich. Schon jetzt verhilft einem deutschen Klub allein die Gruppenphase mit allen Nebengeräuschen zu 40 bis 50 Millionen Euro Zusatzein- kommen. Das liegt bereits in der Nähe von Jahresumsätzen vergleichsweise kleinerer Bundesligisten wie dem SC Freiburg, der im Jahr vielleicht 60 Millionen Euro bewegt.
Weil Geld ganz sicher Tore schießt (es muss nur genug davon ausgegeben werden können), werden sich Freiburg und andere arme Klubs bestimmt nie an die Spitze arbeiten können, selbst wenn sie aber auch alles richtig machen. Dafür ist Branchenriesen wie dem FC Bayern München bei Jahresumsätzen von 630 Millionen Euro die weitere Geldvermehrung in der Champions League garantiert. Auch darum ging es beim neuen TV-Vertrag. Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor: kolumne@rheinische-post.de