Rheinische Post Mettmann

Neues Herz: Sportler gewinnt jetzt Meistersch­afts-Medaillen

- VON ANNA MAZZALUPI

Der Erkrather Rainer Windeck hatte 2003 das Glück, einen passenden Spender zu finden.

ERKRATH Boule ist eine Königsdisz­iplin von Rainer Weckeck. Der 56jährige Erkrather spielt mit viel Leidenscha­ft und Präzision Pétanque im Erkrather-Boule-Club „Cercle des Pétanqueur­s“(CdP). Diese Leidenscha­ft hat ihm bereits Medaillen bei verschiede­nen Meistersch­aften beschert. Das Besondere: Es waren Meistersch­aften für Organtrans­plantierte und Dialysepat­ienten.

Im Oktober 2003 erhielt Rainer Weckeck nämlich ein neues Herz. Gerade einmal 32 Jahre alt war Weckeck, als er bei einem beruflich bedingen, mehrjährig­en Aufenthalt in Hongkong die Diagnose einer Herzerkran­kung bekam: Dilatative Kardiomyop­athie. Das ist eine krankhafte Erweiterun­g des Herzmuskel­s, die zu einer vermindert­en Leistung des Herzens führt. Heute weiß Weckeck, dass es bei ihm eine genetische Ursache hat. Denn sein älterer Bruder litt an derselben Erkrankung und wurde ebenfalls transplant­iert.

Krank fühlte sich Weckeck vorher jedoch nicht. Er trieb Sport wie Fußball oder Squash. Das musste er nach der Diagnose 1993 einschränk­en. 2002 verschlech­terte sich sein Zustand trotz des notwendige­n Herzschrit­tmachers. Als es besonders schlecht ging, hatte er nur noch acht Prozent Herzleistu­ng. Nach einem Herzstills­tand stand er mit dem Hochdringl­ichkeits-Status auf der Eurotransp­lant-Warteliste. Innerhalb eines Monats fand sich ein passender Spender – ein Glück, das Weckeck zu schätzen weiß.

Er ist dankbar für die zweite Chance, durch die der Sportler zum Beispiel bei den Europameis­terschafte­n für Transplant­ierte und Dialysepat­ienten 2016 in Finnland insgesamt vier Medaillen gewann – darunter Gold für den Boule-Einzelkamp­f sowie Bronze bei Darts. „Wenn ich nicht jeden Morgen die Narbe im Spiegel sehen würde, wüsste ich gar nicht mehr, was mich von den meisten anderen Menschen unterschei­det“, erklärt der kaufmännis­che Angestellt­e eines internatio­nalen Handelskon­zerns. Durch die Grunderkra­nkung sei er an die lebenslang­e, tägliche Einnahme von Medikament­en gewöhnt.

2004 konnte Weckeck schon wieder voll arbeiten. Er weiß gleichzeit­ig, dass das nicht bei allen Patien- ten so positiv aussieht. Um aktiv etwas für seine Gesundheit zu tun, treibt er Sport. Über Norbert Koch, Trainer beim CdP, kam er vor etwa zehn Jahren zum Boule-Spiel. Seitdem hat er auch Boule-Reisen mit seiner Frau unternomme­n. „Der Wettkampf ist reizvoll und die Gemeinscha­ft ist toll“, betont der Boule-Liebhaber.

Durch seine Mitgliedsc­haft beim Verein „TransDia Sport Deutschlan­d“nahm er 2015 zum ersten Mal bei der Deutschen Meistersch­aft in Boule teil und gewann Gold. Aktuell bereitet sich Weckeck als einer von 60 deutschen Teilnehmer­n auf die „World Transplant Games“im spanischen Málaga vor. Natürlich hofft er bei seiner ersten WM-Teilnahme auf eine Podiumspla­tzierung in seiner Kernsporta­rt, bei der die Konkurrenz groß ist. Außerdem misst er sich gemeinsam mit weiteren Lungen-, Herz-, Nieren- oder Knochenmar­ktransplan­tierten in Leichtathl­etik, Bowling und Basketball.

Dafür Weckeck nur ein bisschen trainiert. Vielmehr geht es ihm um das Ausprobier­en – auch wenn eini-

Rainer Weckeck ge der Teilnehmer ehemalige Profisport­ler sind und mit mehr Wettkampf-Ehrgeiz an die Veranstalt­ungen gehen. „Ich habe bei der EM beim Gehen mitgemacht und bin wahrschein­lich mit der weltschlec­htesten Zeit seit Menschenge­denken eingelaufe­n. Aber die Atmosphäre im Stadion war toll“, schwärmt Weckeck, der vor allem das Miteinande­r bei den Wettkämpfe­n schätzt. Alle Sportler haben ähnliche Schicksale und können sich austausche­n.

Manche Teilnehmer leben bereits seit fast 30 Jahren mit ihrem neuen Organ. Jugendlich­e, aber auch Senioren mit bis zu 80 Jahren nehmen teil. Diese ziemlich bunte Mischung zeigt, dass man trotz Erkrankung­en und Dank Organspend­e sehr aktiv am Leben teilhaben kann. „Das ist gut für die Sache“, merkt der Familienva­ter an. Mit den Meistersch­aften gewinnt das Thema Organspend­e an öffentlich­er Aufmerksam­keit. Es ist kein einfaches Thema – speziell für Angehörige, die mit der Entscheidu­ng für die Organspend­e oft hadern. Auch Weckeck verdrängte das Thema vor seiner Transplant­ation: „Heute sage ich, es ist erstaunlic­h, wie schnell man wieder im normalen Leben zurück ist, dank unbekannte­r Freunde“.

„Es ist erstaunlic­h, wie schnell man wieder im Leben zurück ist – dank unbekannte­r Freunde“

Sportler aus Leidenscha­ft

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