Rheinische Post Mettmann

Ehe für alle: Abstimmung wohl am Freitag

- VON BIRGIT MARSCHALL UND EVA QUADBECK

Angela Merkel hebt den Fraktionsz­wang auf. Die Union hält aber eine Verfassung­sänderung für nötig.

BERLIN Die letzte Sitzungswo­che des Bundestags in dieser Wahlperiod­e nimmt eine überrasche­nde Wendung: Voraussich­tlich wird das Parlament noch am Freitag über die Öffnung der Ehe für Homosexuel­le abstimmen. Für die Abstimmung soll der Fraktionsz­wang aufgehoben werden. Da SPD, Grüne, Linke und Teile der Union für die sogenannte Ehe für alle sind, gilt es als sicher, dass die Entscheidu­ng eine Reform in Gang setzen wird. Das Thema entfaltete gestern Dynamik, nachdem Bundeskanz­lerin Angela Merkel bei einer Talkrunde der Zeitschrif­t „Brigitte“angekündig­t hatte, dass sie die Frage der Ehe für alle als Gewissense­ntscheidun­g sieht. In solchen Fällen wird für Abstimmung­en im Bundestag der Fraktionsz­wang aufgehoben.

Die SPD sah die Meldung, die am Montagaben­d verbreitet wurde, als Chance, das Thema noch in dieser Wahlperiod­e durchzuset­zen. „Jetzt haben wir eine Gelegenhei­t und eine Chance bekommen durch den Wahlkampfv­orstoß von Frau Merkel – der vielleicht etwas verfrüht war“, sagte SPD-Fraktionsc­hef Thomas Oppermann. Er forderte eine namentlich­e Abstimmung im Bundestag. Die Sozialdemo­kraten wollen das Thema am Freitag im Parlament auf die Tagesordnu­ng setzen. Als Vorlage dient ein Gesetzentw­urf, der bereits über den Bundesrat eingebrach­t wurde.

Seit 2001 können Homosexuel­le eingetrage­ne Lebenspart­nerschafte­n eingehen – mittlerwei­le gibt es rund 35.000. Die Lebenspart­ner dürfen anders als Eheleute gemeinsam kein Kind adoptieren. Nach Schätzunge­n leben dennoch Kinder in etwa jeder zehnten eingetrage­nen Lebenspart­nerschaft. Zudem haben auch nicht eingetrage­ne homosexuel­le Paare Kinder. Insgesamt haben etwa 7000 bis 10.000 Kinder zwei Mütter oder zwei Väter.

Merkel wollte eigentlich erst in der kommenden Wahlperiod­e bei dem Thema einlenken. Ihren Kursschwen­k vollzog sie, nachdem nicht nur SPD und Grüne sondern auch die Liberalen die Ehe für alle zur Voraussetz­ung für eine neue Koalition erklärt hatten. Damit stand die Uni- on unter Druck. Andernfall­s hätte sie im Falle eines Wahlsiegs nach dem 24. September keinen Koalitions­partner mehr gehabt.

Offen ist die Frage, ob es für die Öffnung der gesetzlich­en Ehe einer Grundgeset­zänderung bedarf. Während Justizmini­ster Heiko Maas (SPD) glaubt, dass dies nicht notwendig ist, sagte Innenstaat­ssekretär Günter Krings (CDU): „Das Innen- und Justizmini­sterium haben immer die Meinung vertreten, die Ehe für alle geht nicht ohne eine Verfassung­sänderung.“Es spreche einiges dafür, dass die Gesetzesän­derung das Ehegrundre­cht verletze, so Krings. Er werde gegen die Ehe für alle stimmen. Leitartike­l Stimme des Westens

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