Rheinische Post Mettmann

Der Monet aus Gurlitts Wohnzimmer

- VON BERTRAM MÜLLER

In der Bonner Bundeskuns­thalle werden zurzeit Werke restaurier­t, die im November nach Jahrzehnte­n wieder zu sehen sein werden.

BONN Cornelius Gurlitts Haus in Salzburg war kein guter Platz für Kunst. Als die österreich­ischen Behörden dort vor drei Jahren mehr als 60 Kunstwerke in ihre Obhut nahmen und später noch einmal zunächst nicht entdeckte 180, stellte sich heraus: Fast alle waren im Lauf der Jahrzehnte feucht geworden, eines der Prachtstüc­ke war gar vollständi­g von Schimmel überzogen, Claude Monets Gemälde „Waterloo Bridge“von 1903.

Zurzeit hängt die „Waterloo Bridge“in der Restaurier­ungswerkst­att der Bonner Bundeskuns­thalle, als wäre ihr nie etwas zugestoßen. Schon bevor sie an diesen Platz gelangte, war das Gröbste beseitigt. Doch Chefrestau­ratorin Ulrike Klein traut dem Ergebnis nicht. Noch sind womöglich nicht alle Sporen beseitigt, der Schimmel könnte zurückkehr­en.

Ulrike Klein und ihre Mannschaft arbeiten zurzeit daran, Werke aus dem Salzburger und dem Schwabinge­r Kunstfund für eine Ausstellun­g vorzuberei­ten. Die soll der Öffentlich­keit in der Bundeskuns­thalle von November an erstmals einen Blick in eine Sammlung bieten, die die meisten, wenn überhaupt, nur vom Hörensagen kannten: die geheimnisu­mwobene Sammlung Gurlitt.

Man erinnert sich: Vor fünf Jahren betraten Zollbeamte die im Münchner Stadtteil Schwabing liegende Wohnung des damals 80jährigen, inzwischen verstorben­en Kunst-Erben Cornelius Gurlitt und beschlagna­hmten dort 1259 Kunstwerke. Das Konvolut entpuppte sich als Restbestan­d des Depots von Hildebrand Gurlitt, Cornelius’ Vater, der während des Nationalso­zialismus als Kunsthändl­er tätig war, auch in Hitlers Diensten. Dabei handelte es sich um sogenannte „Entartete Kunst“der Avantgarde und Werke vorangegan­gener Generation­en, manches davon NSRaubkuns­t.

Eine „Taskforce“sollte nun die Herkunft von knapp 500 verdächtig­en Werken klären. Doch die Arbeit zieht sich, und bislang gingen nur wenige Bilder an ihre rechtmäßig­en Besitzer zurück. Die geplante Ausstellun­g in Bonn wird im Herbst 250 Werke zeigen, die die Nationalso­zialisten ihren Besitzern raubten oder deren Herkunft noch nicht geklärt ist. Dabei geht es, wie Rein Wolfs, Kurator und Intendant der Bundeskuns­thalle, jetzt erläuterte, nicht um eine Parade von Meisterwer­ken, sondern darum, auch die Biografien der Opfer zu beleuchten: jener Menschen zumeist jüdischen Glaubens, die auf der Flucht vor den Nazis ihren Kunstbesit­z unter Wert veräußern oder ganz ohne Gegenleist­ung in Deutschlan­d zurücklass­en mussten.

Hildebrand Gurlitt war – das macht die Sache so komplizier­t – Täter und Opfer zugleich: Täter, weil er sich an solcher Kunst bereichert­e, Opfer, da er sich womöglich nur deshalb in Hitlers Dienst gestellt hatte, weil er darin eine Möglichkei­t sah, sein Schicksal und das seiner Familie zu retten. Denn auch Gurlitt war Jude.

„Wir müssen uns damit abfinden, dass wir in einigen Fällen niemals eine Klärung werden herbeiführ­en können“, sagt Kuratorin Agnieszka Lulinska und ergänzt, dass ihre Ausstellun­g auch Archivalie­n aus Gurlitts Nachlass umfassen werde. Hildebrand Gurlitts Korrespond­enz stamme allerdings fast ausschließ­lich aus der Nachkriegs­zeit. Damals suchte er auch in Düsseldorf an alte Kontakte anzuknüpfe­n und seinen Kunsthande­l wieder in Schwung zu bringen.

Die Frage, mit der sich Meike Hopp, Provenienz­forscherin am Zentralins­titut für Kunstgesch­ichte in München, am meisten herumschla­gen muss, lautet: Wo befanden sich die Werke aus dem Gurlittsch­en Konvolut zwischen 1933 und 1945? Die Arbeit des Zentralins­tituts ist die Grundlage der Bonner Ausstellun­g. Doch selbst Fotografie­n, welche die in Frage stehenden Kunstwerke an bestimmte Orte knüpfen, führen oft nicht weiter. Ein Foto, das Monets „Waterloo Bridge“im Wohnzimmer von Cornelius Gurlitts Salzburger Haus zeigt, ist ein Dokument der Nachkriegs­zeit und daher zur Aufklärung ungeeignet.

Womit sich die Bonner Restaurato­ren zurzeit sonst noch befassen, das lässt sich am Beispiel zweier weiblicher Rückenakte von Aristide Maillol veranschau­lichen. In beiden Fällen war der Kopf oben durch das Passeparto­ut abgeschnit­ten. Nicht nur deshalb entschloss­en sich die Restaurato­ren, die Passeparto­uts entgegen den Gepflogenh­eiten zu entfernen. Sie hatten auch entdeckt, dass diese Rahmen Säure enthielten, und die hätte dem Papier der Rötelzeich­nungen zugesetzt.

Übrigens besteht das Kunsterbe, das Cornelius Gurlitt vollständi­g dem Kunstmuseu­m Bern vermacht hat, zu 80 Prozent aus Arbeiten auf Papier. Der Rest sind Gemälde und Skulpturen. Dieses Verhältnis wird sich in der Bonner Ausstellun­g widerspieg­eln. Und vermutlich auch in einer Schau, die das Berner Museum parallel zeigt.

Dort geht es vor allem um das Thema „Entartete Kunst“, daneben um Arbeiten aus dem Kreis der Familie Gurlitt. Cornelius Gurlitt malte selbst ein wenig.

 ?? FOTOS: NACHLASS CORNELIUS GURLITT (FOTOGRAF UNBEKANNT)/ BUNDESKUNS­THALLE/ DPA ?? Claude Monets „Waterloo Bridge“(1903) hängt nun in der Werkstatt der Bundeskuns­thalle. Das Werk wird zurzeit restaurier­t.
FOTOS: NACHLASS CORNELIUS GURLITT (FOTOGRAF UNBEKANNT)/ BUNDESKUNS­THALLE/ DPA Claude Monets „Waterloo Bridge“(1903) hängt nun in der Werkstatt der Bundeskuns­thalle. Das Werk wird zurzeit restaurier­t.
 ??  ?? Aufnahme aus Gurlitts Salzburger Haus: Monets „Waterloo Bridge“neben Picassos „Stillleben mit Glas und Früchten“(v.l.). Vorne: Rodins Skulptur „Danaide“.
Aufnahme aus Gurlitts Salzburger Haus: Monets „Waterloo Bridge“neben Picassos „Stillleben mit Glas und Früchten“(v.l.). Vorne: Rodins Skulptur „Danaide“.

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