Rheinische Post Mettmann

Mit dem modernen Staat eroberte Europa die Welt

- VON PETER SEIDEL

Die Europäer haben die Welt unterworfe­n. Sie haben den modernen Staat geschaffen, das Instrument ihres Erfolgs. Private Organisati­onen wie die Hanse oder Unternehme­r wie die Fugger allein hätten keine Chance gehabt. Dies gilt erst recht für die Kolonisier­ung der Welt. Wie die geschah, untersucht Wolfgang Reinhard in „Die Unterwerfu­ng der Welt. Globalgesc­hichte der Europäisch­en Expansion 1415–2015“.

Reinhard ist emeritiert­er Professor für neuere Geschichte an der Universitä­t Freiburg. Er hat aus bewusst eurozentri­scher Sicht ein monumental­es Werk geschaffen, das sich nicht scheut, linke wie rechte Klischees sarkastisc­h zurechtzur­ücken: ein gut erzählter, teils spannender, mit aktuellen Bezügen versehener Überblick über die historisch gewachsene heutige Welt.

Auf knapp 1700 Seiten schlägt Reinhard den Bogen europäisch­er Expansion in der Welt, beginnend mit dem Ausgreifen Portugals und Spaniens und endend mit dem Ausblick auf die Dominanz der USA, des „legitimen Kindes Europas“.

Das Buch besticht als reich gefüllte Fundgrube enzyklopäd­ischen Wissens und gelungene Verbindung von Ereignis- und Strukturge­schichte, ohne dabei die Bedeutung historisch­er Einzelpers­önlichkeit­en, der „Abenteurer“und Initiatore­n, zu übergehen. Aktuelle wissenscha­ftliche Kontrovers­en werden kurz vorgestell­t. Beeindruck­end die zahlreiche­n, vom Autor erstellten Karten und Abbildunge­n, gerade auch zur Entwicklun­g in Schiffbau oder Navigation. Das detaillier­te Orts- und Personenre­gister ist eine wertvolle Ergänzung eines Werkes, das durchaus auch Handbuchch­arakter aufweist.

Reinhard hebt zu Recht auf die Ursachen der jahrhunder­telangen europäisch­en Dominanz ab, wenn er „die Grundlagen der neuzeitlic­hen europäisch­en Expansion“im ersten Kapitel beleuchtet. Denn die Frage nach dem Warum des europäisch­en Erfolgs ist auch die Kernfrage des Themas. Sie mündet in die in den beiden letzten Kapiteln behandelte Frage, ob es sich bei der europäisch­en Globalisie­rung um eine „Vergangenh­eit ohne Zukunft“handelt, die allerdings mit der histo- rischen Methode allein nur unzureiche­nd beantworte­t wird.

Reinhard schildert die Unterwerfu­ng der Welt ohne Beschönigu­ng ihrer Untaten, etwa des britischen Giftgasein­satzes im Irak nach dem Ersten Weltkrieg, aber durchaus selbstbewu­sst, etwa wenn es um die Abschaffun­g der Sklaverei in Afrika geht, die dort wie in Nordamerik­a lange vor dem Eintreffen der ersten Europäer üblich war. Wolfgang Reinhard: Die Unterwerfu­ng der Welt. 2016, C.H. Beck, 1648 S., 58 Euro

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FOTO: DPA Denkmal der Kaiserin Maria Theresia in Wien.
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