Mit dem modernen Staat eroberte Europa die Welt
Die Europäer haben die Welt unterworfen. Sie haben den modernen Staat geschaffen, das Instrument ihres Erfolgs. Private Organisationen wie die Hanse oder Unternehmer wie die Fugger allein hätten keine Chance gehabt. Dies gilt erst recht für die Kolonisierung der Welt. Wie die geschah, untersucht Wolfgang Reinhard in „Die Unterwerfung der Welt. Globalgeschichte der Europäischen Expansion 1415–2015“.
Reinhard ist emeritierter Professor für neuere Geschichte an der Universität Freiburg. Er hat aus bewusst eurozentrischer Sicht ein monumentales Werk geschaffen, das sich nicht scheut, linke wie rechte Klischees sarkastisch zurechtzurücken: ein gut erzählter, teils spannender, mit aktuellen Bezügen versehener Überblick über die historisch gewachsene heutige Welt.
Auf knapp 1700 Seiten schlägt Reinhard den Bogen europäischer Expansion in der Welt, beginnend mit dem Ausgreifen Portugals und Spaniens und endend mit dem Ausblick auf die Dominanz der USA, des „legitimen Kindes Europas“.
Das Buch besticht als reich gefüllte Fundgrube enzyklopädischen Wissens und gelungene Verbindung von Ereignis- und Strukturgeschichte, ohne dabei die Bedeutung historischer Einzelpersönlichkeiten, der „Abenteurer“und Initiatoren, zu übergehen. Aktuelle wissenschaftliche Kontroversen werden kurz vorgestellt. Beeindruckend die zahlreichen, vom Autor erstellten Karten und Abbildungen, gerade auch zur Entwicklung in Schiffbau oder Navigation. Das detaillierte Orts- und Personenregister ist eine wertvolle Ergänzung eines Werkes, das durchaus auch Handbuchcharakter aufweist.
Reinhard hebt zu Recht auf die Ursachen der jahrhundertelangen europäischen Dominanz ab, wenn er „die Grundlagen der neuzeitlichen europäischen Expansion“im ersten Kapitel beleuchtet. Denn die Frage nach dem Warum des europäischen Erfolgs ist auch die Kernfrage des Themas. Sie mündet in die in den beiden letzten Kapiteln behandelte Frage, ob es sich bei der europäischen Globalisierung um eine „Vergangenheit ohne Zukunft“handelt, die allerdings mit der histo- rischen Methode allein nur unzureichend beantwortet wird.
Reinhard schildert die Unterwerfung der Welt ohne Beschönigung ihrer Untaten, etwa des britischen Giftgaseinsatzes im Irak nach dem Ersten Weltkrieg, aber durchaus selbstbewusst, etwa wenn es um die Abschaffung der Sklaverei in Afrika geht, die dort wie in Nordamerika lange vor dem Eintreffen der ersten Europäer üblich war. Wolfgang Reinhard: Die Unterwerfung der Welt. 2016, C.H. Beck, 1648 S., 58 Euro