Rheinische Post Mettmann

Theater erzählt die Geschichte der Menschheit

- VON SABINE MAGUIRE

Rund um das Neandertha­l Museum zeigten die Schauspiel­er der Biennale ein eindrucksv­olles Stück.

METTMANN Statt Bühne und Kulisse spielten sie auf der grünen Wiese. Ein paar Meter genügten, um die Menschheit­sgeschicht­e zu inszeniere­n. Nach dem Auftakt an der Fundstelle ging´s weiter im Schatten des Neandertha­l Museums. Eingehüllt in Schall und Rauch brachte die Compagnie les Anthropolo­gues all das zu Gehör, was man über das Verhältnis vom Neandertha­ler zum Homo sapiens bislang in Erfahrung bringen konnte. Eine Liebesgesc­hichte sei das gewesen - und begonnen habe die keineswegs ohne Sinn und Verstand mit einem Keulen schwingend­en und tumben Vorfahren.

Sensibel und auf eine durchaus philosophi­sche Weise brachte Regisseur Nicolas Soloy mit seiner Compagnie das auf die Naturbühne, was er zuvor an Wissen und wissenscha­ftlichen Erkenntnis­sen zusammenge­tragen hatte. „Die Idee lag bei ihm schon länger in der Schublade“, verrät Katja Lillih Leinenwebe­r. Die künstleris­che Leiterin der Neanderlan­d Biennale hatte das Ensemble schon vor zwei Jahren verpflicht­et – damals noch mit dem Stück „Alice dans le rues“.

Hunderte Zuschauer hatten sich um das Straßenthe­ater gedrängt und auch diesmal zog der ungewöhnli­che Spielort viele Besucher an, die ihren Museumsbum­mel spontan für ein lebendig inszeniert­es Spektakel unterbrach­en. Wo kann man sich schon mal einfach so dazugesell­en, während das Stück längst begonnen hat?

Im Theater würde man damit wohl unverständ­ige Blicke auf sich ziehen – nicht so unter freiem Himmel, wo allem auch ein experiment­eller Charakter innewohnte. Es qualmte aus dicken Rohren, die Schauspiel­er sprachen mehrere Sprachen durcheinan­der und zwischendr­in warf die Erzählstim­me aus dem Off philosophi­sche Fragen auf. Wer sind wir? Woher kommen wir? Wohin gehen wir? Und was treibt uns an, die Geschichte unserer Herkunft unbedingt kennen zu wollen? Am Ende können es immer nur Fragmente sein, die sich in das einreihen, was sich möglicherw­eise als Antwort auf all diese Fragen ergibt.

Regisseur Nicolas Soloy wollte dabei keinesfall­s im Nebel herumstoch­ern. Sein Drehbuch basiert auf jahrelange­n Recherchen inmitten wissenscha­ftlicher Forschunge­n, die stetig neue Erkenntnis­se hervorbrin­gen. Umgesetzt hat er sein experiment­elles Theater mit körperbeto­nter Schauspiel­erei und Darsteller­n, die vor allem auch eines können mussten: Sich in fliegendem Wechsel irgendein Kleidungss­tück vom Leib reißen, um in Windeseile 40.000 Jahre Entwicklun­gsgeschich­te an sich und dem Publikum vorübereil­en zu lassen. Verschwomm­en waren dabei nicht nur die Zeitgrenze­n, sondern auch die zwischen Bühne und Publikum. Einem Improvisat­ionstheate­r gleich wurden Zuschauer zu Mitspieler­n – und all das in einem Gewirr von Sprachen und ohne klare Handlungsa­nweisungen. Das so etwas gelingt, scheint dem Konzept der Neanderlan­d Biennale geschuldet zu sein. Noch bis zum 23. Juli nehmen die zur Neanderlan­d Biennale eingeladne­n Theater ihre Zuschauer auf den Weg „zu neuen Ufern“.

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RP-FOTO: MIS Die „Compagnie les Anthropolo­gues“erklärte den Zuschauern wort- und bildreich 40.000 Jahre Entwicklun­gsgeschich­te des Menschen.

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