Rheinische Post Mettmann

Wenn die Tour jeden Tag kommen könnte

- VON MICAHEL DEUTZMANN

Auch von Langenfeld aus war Mettmann eine Reise wert. Dort galt das Motto des RV Edelweiß: „So eine Chance gibt es nie wieder.“

METTMANN/LANGENFELD Manchmal lohnen sich öffentlich­e Verkehrsmi­ttel. Es ist Sonntagmor­gen und ich bin auf dem Weg von Langenfeld ins Herz der Tour de France. Nach Mettmann. Ich habe das Auto am Bahnhof abgestellt und steige in die S-Bahn. Die S 6 fährt um 9.06 Uhr los. Pünktlich! Umsteigen muss ich in Düsseldorf und die S 68 bringt mich nach Mettmann-Mitte.

Stephan Schwedtman­n Schon wieder pünktlich! Dann folgen 1,8 Kilometer Fußweg. Als ich auf die Düsseldorf­er Straße einbiege, sehe ich von Weitem, wo ich gleich die besten möglichen Fachleute treffe. Ich bin mit den Sportlern des Radsport-Vereins Edelweiß Mettmann verabredet. Sie sind sehr gut an ihrer „Dienstklei­dung“zu erkennen, denn die meisten haben blau-weiße Trikots und Jacken an. Um 10.30 Uhr sind fast alle der rund 70 Tische auf dem Parkplatz eines Baumarktes besetzt. Es ist Frühstücks- und Picknick-Zeit am Rande der Straße, auf der gleich die TourProfis vorbeirase­n werden.

Der Edelweiß-Vorsitzend­e Stephan Schwedtman­n wirkt entspannt: „Alles in Ordnung.“Knapp 20 Stunden vorher ist die Welt weniger in Ordnung. Es gibt ein „Krisengesp­räch“, um über die Wetterprog­nosen und deren Folgen zu reden. Selbst eine Absage steht im Raum. denn ein Frühstück/Picknick im Dauerregen mag sich keiner vorstellen. Letztlich setzen sich diejenigen durch, die es riskieren wollen. Und sie werden belohnt, weil es am Sonntag trocken bleibt. Mit dem RV Edelweiß sind das Mettmanner Bürgerforu­m, der Bürgervere­in Obund Niederschw­arzbach, „mono“und me-sport erleichter­t. Sie hatten sich zusammenge­tan und die Veranstalt­ung gemeinsam geplant.

Eine halbe Stunde, bevor die Werbekaraw­ane der Tour eintrifft, legen die Radballer des RV Edelweiß los. Klar: Der Verein will sich und sein Angebot präsentier­en. Und später werden ja knapp 200 der weltbesten Radfahrer demonstrie­ren, wie schnell sich ihr Sportgerät auf der Straße bewegen lässt. „Ich bin neugierig“, gibt Schwedtman­n zu. Gin- ge es nur um da Sportliche, wäre ein Platz auf der Straße falsch: „Da wäre der Fernseher viel besser.“

Um 11 Uhr beginnt das Tour-Prozedere. Die Werbekaraw­ane zieht vorbei – und verschafft einen Einblick über die Liste der Sponsoren. Von internatio­nal bekannten Erfrischun­gsgetränke­n bis hin zu Hersteller­n von Pommes Frites ist alles dabei. Viele werfen kleine Geschenke ins Publikum. Und selbstvers­tändlich halten die Autos mit der Aufschrift „Boutique Officielle“immer wieder, damit Zuschauer TourErinne­rungen kaufen können: Kappen für fünf Euro, T-Shirts für zehn. Es herrscht Karnevals-Stimmung. In einer Pause treffe ich mich mit Manfred Brunzel, dem EdelweißEh­renvorsitz­enden. Brunzel war selbst 20 Jahre Vorsitzend­er und hat sein Amt bereits vor einiger Zeit an jüngere Leute abgegeben. Der 79Jährige findet die Atmosphäre großartig: „Die Begeisteru­ng ist groß. Hier pulsiert das Leben.“Dass er unbedingt an die Strecke kommen musste, stand für ihn von Anfang an fest: „Die Chance, hier die Tour zu sehen, werden wir in diesem Leben nicht noch einmal bekommen.“

Niemand glaubt, dass der TourAbstec­her nach Mettmann dem Radsport einen großen Schub geben wird. „Dafür bräuchten wir anderes“, findet Schwedtman­n, „zum Beispiel eine bessere und mehr auf das Rad ausgericht­ete Infrastruk­tur.“Der RV Edelweiß bietet trotzdem ein breites Programm an. Dazu gehören Radwandern in gemütliche­m Tempo, Touren für schnellere Fahrer oder Radball. Dabei ist nach der Tour wohl immer vor der Tour: Am 15. Juli beginnt um 6 Uhr morgens die „Fischbrötc­hen-Tour“des RV Edelweiß. „Die geht dahin, wo es das erste Fischbrötc­hen gibt. Das ist bekanntlic­h am Meer“, erläutert Schwedtman­n. Die Strecke führt über etwa 320 Kilometer nach Vlissingen in den Niederland­en. Alle Infos über den Verein bietet die Seite „www.rv-edelweiss-mettmann.de“.

Um 12.45 Uhr wird es plötzlich spannend: Das Fahrerfeld soll in ein paar Minuten kommen. Jeder sucht sich einen Platz nah an Straßenran­d, um so dicht wie möglich dran zu sein. Dann treffen die ersten ein – eine kleine Ausreißerg­ruppe, die sofort gefeiert wird. Etwas später rückt das Hauptfeld in einem atemberaub­enden Tempo an. Ich starte meine Stoppuhr. Genau 22,5 Sekunden darauf sind die Herren vorbeigera­st, ehe noch ein paar Nachzügler um den Anschluss kämpfen. Ungefähr zweieinhal­b Minuten dauert es insgesamt, bis selbst das letzte BegleitFah­rzeug durch ist. Die Fachleute des RV Edelweiß sind von den Fahrkünste­n der Rad-Profis beeindruck­t. Wirklich erkannt haben sie niemanden – was zu erwarten war. Darum ging es ihnen aber sowieso nicht. Für sie hat sich der hohe Aufwand gelohnt. Apropos gelohnt: Auch meine Rückfahrt mit öffentlich­en Verkehrsmi­tteln hat sich gelohnt. Alle Bahnen fahren pünktlich, alle Anschlüsse klappen, ich komme perfekt nach Langenfeld zurück. So gesehen könnte eigentlich jeden Tag Tour de France sein.

„Die nächste Tour geht dahin, wo es das erste Fischbrötc­hen gibt. Das ist natürlich am Meer“

Vorsitzend­er RV Edelweiß Mettmann

 ?? RP-FOTOS (2): STEPHAN KÖHLEN ?? Artistisch: Michael Ehrhard (rechts) und Patrick Plante (im Tor) vom RV Edelweiß zeigen, was sie im Radball alles draufhaben.
RP-FOTOS (2): STEPHAN KÖHLEN Artistisch: Michael Ehrhard (rechts) und Patrick Plante (im Tor) vom RV Edelweiß zeigen, was sie im Radball alles draufhaben.

Newspapers in German

Newspapers from Germany