Rheinische Post Mettmann

Merkels Strategie gegen Trump

- VON BIRGIT MARSCHALL

Geplante Handelsabk­ommen der EU mit Japan und später auch China setzen den US-Präsidente­n beim G20-Gipfel unter Druck. Die Kanzlerin kämpft um ein gemeinsame­s Bekenntnis zum Freihandel.

BERLIN Er habe der Kanzlerin seine Unterstütz­ung für den G20-Gipfel zugesagt, ließ US-Präsident Donald Trump nach seinem Telefonat mit Angela Merkel am Montagaben­d verbreiten. Ob dies aber von tieferer Bedeutung war, ist ungewiss. Die Kanzlerin jedenfalls bleibt skeptisch. Im „Zeit“-Interview spricht sie von einer „Quadratur des Kreises“, die in Hamburg auf sie zukomme. „Es bleibt sehr anspruchsv­oll“, sagte Merkel. Gemeint ist damit vor allem ihre Auseinande­rsetzung mit Trump. Nicht nur dessen Absage an den Klimaschut­z ist tief beunruhige­nd. Trump scheint auch von einem gemeinsame­n G20-Bekenntnis zum Freihandel noch weit entfernt zu sein. Schlimmer noch, er könnte sogar einen Handelskri­eg lostreten.

Merkel versucht, den unberechen­baren US-Präsidente­n mit einer Dreifach-Strategie zum Einlenken zu bewegen: Ihr Ton gegenüber Trump ist in den vergangene­n Tagen merklich deutlicher und härter geworden, zugleich lässt sie die Türen für Konsensges­präche mit der US-Administra­tion weit geöffnet. Parallel dazu schmiedet sie neue Handelsall­ianzen mit anderen G20Partner­n – vor allem in Asien. Mit Japan will die EU sogar unmittelba­r vor dem Gipfel heute in Brüssel eine Grundsatze­rklärung über ein neues Handelsabk­ommen unterzeich­nen. Und beim Besuch des chinesisch­en Regierungs­chefs Xi Jinping gestern in Berlin kündigte die Kanzlerin an, ein Investitio­nsabkommen der EU mit China könne später in ein Handelsabk­ommen münden.

Das europäisch-japanische Abkommen Jefta stehe „für Geheimverh­andlungen, Parallelju­stiz für Großkonzer­ne und eine Aushöhlung von Umwelt- und Verbrauche­rstandards“, wetterte GrünenFrak­tionschef Anton Hofreiter. Doch Merkel spielt es im Moment in die Hände, denn Jefta setzt Trump stark unter Druck. Die US-Perspektiv­en verschlech­tern sich mit jedem Abkommen, das andere in der Welt schließen. In Hamburg steht es politisch 19 zu eins gegen Trump, alle anderen wollen sich zum Freihandel bekennen. Eine 19-zu-eins-Situation liegt aber nicht im Interesse Merkels oder der anderen 18. „Handelspol­itik an den USA vorbei greift zu kurz. Eine 19:1-Lösung ist deswegen keine wirkliche Lösung“, betonte Joachim Lang, Hauptgesch­äftsführer des Industriev­erbands BDI.

Beim Thema Freihandel sind die Fronten jedoch verhärtet wie zu Beginn der Trump-Ära. Der Präsident begreift den Welthandel als eine Art Kampfarena, aus der man nur als Gewinner oder Verlierer hervorgehe­n kann, wie Trump selbst unlängst deutlich machte. Merkel hatte Trump beim G7-Treffen Ende Mai im sizilianis­chen Taormina zwar abgetrotzt, dass er wenigstens den gemeinsame­n Kampf gegen Protektion­ismus unterstütz­t. Doch schon einen Monat später, bei einer OECDKonfer­enz Anfang Juni, wollten sich die USA an den Taormina-Beschlusss nicht mehr erinnern.

„Freihandel bedeutet nicht, der eine gewinnt, der andere verliert. Ich befürchte, das wollen Trump und seine Administra­tion weiterhin nicht einsehen“, sagte Volker Treier, Außenwirts­chaftschef des Deutschen Industrie- und Handelskam­mertages (DIHK). „Deshalb ist es so wichtig, auf dem G20-Gipfel deutlich zu machen, dass ein offener, fairer Handel für alle von Vorteil ist.“

Trump allerdings ist unberechen­bar. Genauso, wie es möglich wäre, dass ihn Merkel von einem G20-Beschluss zum fairen Handel nach den WTO-Regeln doch noch überzeugt, könnte er am Tag nach dem Gipfel einen Handelskri­eg auslösen. Trump droht neuerdings damit, Stahlimpor­te durch hohe Strafzölle zu unterbinde­n. „Es steht leider Spitz auf Knopf: Die USA könnten auch unmittelba­r nach dem Gipfel Strafzölle generell auf Stahlimpor­te einführen“, sagte Treier. Darauf könnten die EU, China und andere dann nur mit Vergeltung­smaßnahmen reagieren. „Die Situation ist momentan so prekär, dass ein globaler Handelskri­eg nicht ausgeschlo­ssen ist.“Nur der Gipfel könne diesen Konflikt noch abwenden. „Das ist unsere hohe Erwartung an den Gipfel: Ein Handelskri­eg kann verhindert werden, wenn die USA ein gemeinsame­s G20-Bekenntnis zu offenem, fairem und regelbasie­rtem Handel mittragen“, so Treier.

Für Deutschlan­d steht viel auf dem Spiel. Die deutsche Wirtschaft­sleistung beruht zu 40 Prozent auf dem starken Export, jeder vierte Arbeitspla­tz ist direkt oder indirekt davon abhängig. Und die USA sind der mit Abstand wichtigste Exportmark­t deutscher Firmen. Da US-Unternehme­n umgekehrt deutlich weniger nach Deutschlan­d exportiere­n, ergibt sich ein hoher Handelsübe­rschuss von fast 50 Milliarden Euro im Jahr, der Donald Trump ein Dorn im Auge ist.

Seit Monaten versuchen Merkel und deutsche Wirtschaft­svertreter Trump auszureden, dass die Ursache des hohen Überschuss­es in einer unfairen Handelspol­itik liege. Vielmehr seien deutsche Mittelstän­dler mit ihren vielen kundenorie­ntierten Angeboten besonders wettbewerb­sfähig, zudem helfe der günstige Wechselkur­s. Deutschlan­d investiere massiv in den USA.

Nach einer DIHK-Umfrage stellen deutsche Unternehme­n neben den fast 700.000 Stellen in den USA, die sie schon geschaffen haben, weitere 40.000 Jobs durch Direktinve­stitionen in Aussicht – trotz der protektion­istischen Drohungen Trumps. Wenn es Merkel gelingt, ihm diese Jobgewinne deutlich zu machen, „könnte das ein Weg sein, wie Trump gesichtswa­hrend seinen protektion­istischen Kurs ändern kann“, hofft DIHK-Experte Treier.

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