Neue Extremistendatei für Europa
Nach den Ausschreitungen beim G 20-Gipfel gibt es breite Unterstützung für eine europäische Extremistendatei. Auch die Schließung linker Zentren erfährt Zustimmung – die Grünen warnen davor.
BERLIN Als Folge der Gewaltexzesse beim G 20-Gipfel in Hamburg hat sich Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) für die Einrichtung einer europäischen Linksextremisten-Datei ausgesprochen. Das sei grundsätzlich sinnvoll, sagte de Maizière gestern in Berlin. Man müsse sich dann allerdings auf gemeinsame Kriterien zur Einstufung der Linksextremisten einigen.
Nach Angaben des Ministers verfüge Deutschland bereits über eine nationale Datenbank linker Gewalttäter, die von Bund und Ländern gespeist werde. Auf internationaler Ebene gebe es keine vergleichbaren Dateien, sagte de Maizière. Trotzdem würden sich die Sicherheitsbehörden der Staaten jedoch über Linksextremisten austauschen, auch im Vorfeld des G 20-Gipfels. Deutschland habe aus dem Ausland Namen von Extremisten erhalten.
Damit nahm der Bundesinnenminister Forderungen mehrerer Innenpolitiker von Union und SPD auf, auch Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) und SPD-Kanzler- kandidat Martin Schulz hatten sich gestern für eine solche Datei ausgesprochen. Sie erhoffen sich davon die Möglichkeit, präventiv gegen Täter aus anderen europäischen Staaten vorzugehen, die wie beim G 20-Gipfel nach Deutschland reisen wollen – etwa durch Meldeauflagen, wie sie polizeibekannten Fußballfans gemacht werden. Die Grünen sehen eine neue Extremistendatei kritisch. Parteichefin Simone Peter warnte vor „populistischen Schnellschüssen“.
In Hamburg sitzen nun 51 Verdächtige aus Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien, Russland, den Niederlanden, der Schweiz und Österreich in Untersuchungshaft. Die Polizei richtet eine Sonderkommission zur Ermittlung weiterer Personen ein. Den Tatverdächtigen wird unter anderem schwerer Landfriedensbruch bis hin zum versuchten Mord vorgeworfen.
Als Konsequenz aus den Ausschreitungen hatten mehrere Unionspolitiker eine Schließung linker Zentren wie der „Roten Flora“in Hamburg und der Rigaer Straße in Berlin gefordert, darunter CDU-Generalsekretär Peter Tauber. Auch FDP-Chef Christian Lindner verlangte das Aus. Gegenwind kam aus Berlin. Ein Sprecher von Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) sagte: „Die Rigaer Straße 94 ist kein besetztes Haus, das man einfach mal so dichtmachen kann, wie es gefordert wurde.“
Unterdessen forderte der Vorsitzende des Innenausschusses im Bundestag, Ansgar Heveling (CDU), eine schärfere Beobachtung linker Extremisten. „Die Nachrichtendienste sollten ihre Tätigkeiten in diesem Feld deutlich verstärken, um mehr Erkenntnisse über die Taktik von Linksextremisten zu gewinnen“, sagte Heveling unserer Redaktion. Linksextremisten gingen oft hochkonspirativ vor.
CSU-Chef Horst Seehofer brachte derweil eine Aufstockung der Polizei ins Gespräch. Bei den 15.000 Polizisten, die die Union in ihrem Wahlprogramm verspreche, sei das letzte Wort möglicherweise noch nicht gesprochen, sagte Seehofer gestern auf einer CSU-Klausur.
Zudem wird darüber diskutiert, wie den Opfern der Gewaltexzesse geholfen werden kann. Das Bundesfinanzministerium und die Hamburger Senatskanzlei arbeiten an einer Lösung, die in den nächsten Tagen vorgestellt werde, hieß es. Ansprechpartner für Einzelfälle werde die Stadt Hamburg sein, sagte eine Ministeriumssprecherin. Der Bund werde sich finanziell beteiligen. In Regierungskreisen war die Rede von einer 50:50-Aufteilung zwischen Bund und Land.