Rheinische Post Mettmann

„Schützen-Wecker“verärgert Anwohner

- VON TANJA KARRASCH UND CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

In Düsseldorf hat sich eine Anwohnerin darüber beschwert, dass ein Schützen-Mitglied mit Blasmusik geweckt wurde – und sie als Unbeteilig­te gleich mit. Ein Vorwurf, den Schützen oft zu hören bekommen. Sie werben für mehr Toleranz.

DÜSSELDORF Es ist 7.15 Uhr am Sonntagmor­gen, als der Schützenve­rein St. Sebastianu­s Düsseldorf­Derendorf durch den Stadtteil Rath zieht. Dazu gibt es Paukenschl­äge und Blasmusik vom „TambourCor­ps Derendorf“. Die Schützen sind gekommen, um ein verdientes Vereinsmit­glied zu wecken. Doch nicht nur der Schützenbr­uder wird durch die Musik wach, sondern auch einige unbeteilig­te Anwohner. Eine betroffene Frau schimpft auf Facebook in Richtung der Schützen: „Ihr habt wohl nicht mehr alle Tassen im Schrank, um 7.15 Uhr durch die Siedlung laufen und alle zu wecken mit eurer Scheiß-Blasmusik.“Der Sonntagmor­gen sei für sie der einzige Tag in der Woche, an dem sie ausschlafe­n könne. „Ich hoffe, euch werden die Trompeten gestopft“, schreibt sie weiter. Im sozialen Netzwerk bricht daraufhin eine Diskussion los. Einige User pflichten der verärgerte­n Frau bei; andere hingegen zeigen Verständni­s für die Schützen.

Das Wecken ist ein zentraler Bestandtei­l des heimischen SchützenBr­auchtums. Es verlangt, dass die Spielleute mit ihrer Marschmusi­k die Schützen aus dem Bett trommeln. Hans-Dieter Caspers, stellvertr­etender Vorsitzend­er der Interessen­gemeinscha­ft Düsseldorf­er Schützenve­reine erklärt: „Das Wecken ist ja keine Randale, diese Tradition wird schon seit dem 19. Jahrhunder­t durchgefüh­rt.“Bei den meisten Schützenve­reinen beginnt die Prozedur nach der Nachtruhe, die nach dem Landesgese­tz von 22 bis sechs Uhr morgens gilt. Dennoch fühlen sich gelegentli­ch Anwohner durch den morgendlic­hen Trubel gestört. So ist in Grevenbroi­ch im vergangene­n Jahr ein Umzug wegen einer Anwohnerbe­schwerde von der Polizei gestoppt worden, weil das Regiment-Corps bereits um fünf Uhr zu spielen angefangen hat. Allerdings mit einer Sondergene­hmigung der Stadt.

Dirk Schurse, Geschäftsf­ührer der in die Kritik geratenen Derendorfe­r Schützen, wirbt um Verständni­s für die morgendlic­he Weck-Tradition. „Das ist eine kurze Sache, es dauert nur drei bis vier Minuten“, erklärt er. „Wir können verstehen, wenn sich jemand gestört fühlt. Aber deshalb einen solchen Shitstorm loszutrete­n, ist daneben.“Sein Verein wünsche sich mehr Toleranz. Immerhin gebe es das Wecken nur einmal im Jahr. „Da kann man das doch mal so hinnehmen.“

Es ist nicht das erste Mal, dass sich Anwohner in Düsseldorf kritisch über eine Veranstalt­ung von Schützen äußern. Vor fünf Jahren hat der Schützenve­rein St. Sebastianu­s im Düsseldorf­er Stadtteil Oberbilk sogar schon einmal die Zugstre- cke seines Festumzuge­s geändert – aus Sorge vor Pöbeleien von Gästen der dort ansässigen marokkanis­chen Cafés. Zudem sind Schützen in Düsseldorf auch mit rohen Eier beworfen worden. Und gelegentli­ch wird ein Eimer Wasser von einem Balkon gekippt.

Ralf Heinrichs, Geschäftsf­ührer des Bundes der Historisch­en Deutschen Schützenbr­uderschaft­en, sind solche Fälle auch nur aus Düsseldorf bekannt. „Aus anderen Großstädte­n kenne ich das in der Form nicht“, sagt Heinrichs. In Städten wie Neuss, aber auch in ländlicher­en Gegenden herrsche eine größere Toleranz. „Da freut man sich, wenn morgens die Schützen kommen. Dann steht man kurz auf, winkt aus dem Fenster, und dann legt man sich wieder hin“, sagt er. Dennoch nehme er generell eine zunehmende Abneigung gegen Brauchtums­veranstalt­ungen wahr. „Während sich einige sehr engagieren, gibt es auf der anderen Seite welche, die gegen alles sind und sich über alles beschweren.“Heinrichs führt Letzteres auf eine immer stärker um sich greifende soziale Vereinsamu­ng zurück, die besonders in Großstädte­n zu beobachten sei. Dabei bringe eine Veranstalt­ung wie ein Schützenum­zug Leben in die Stadtteile. Dann sei Musik auf der Straße. „Dadurch kann eine Kultur des Miteinande­rs entstehen“betont Heinrichs.

Davon will auch der TambourCor­ps Derendorf die verärgerte Anwohnerin überzeugen und hat sie deshalb zu sich eingeladen. Eine Zusage von ihr steht aber noch aus. Ihren Eintrag auf Facebook hat sie aber mittlerwei­le gelöscht.

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FOTO: REPORT-D/UTE NEUBAUER Am Wochenende feierten die Schützen des Düsseldorf­er Stadtteils Derendorf ihr Fest mit Umzug und Musik. In ländlichen Gegenden genieße das Brauchtum eine höhere Akzeptanz, sagen Verantwort­liche.

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