Grünen-Politiker wirft Polizei „ungeheure Brutalität“vor
BERLIN Nach den Ausschreitungen beim G 20-Gipfel in Hamburg ist trotz breiter Solidarität mit den Polizeikräften eine Debatte über mögliche Fehler der Polizei entbrannt. „Die Polizei hat viel falsch gemacht in Hamburg. Am Donnerstagabend ist sie mit ungeheurer Brutalität in eine Demonstration gegangen“, sagte der Grünen-Politiker HansChristian Ströbele. Tatsächlich war es bei der Demo „Welcome to Hell“(Willkommen in der Hölle) am Don- nerstag zu Zusammenstößen gekommen. Die Beamten hatten den Zug nach wenigen Hundert Metern gestoppt, weil sich nach Polizeiangaben mehr als 1500 Menschen im „Schwarzen Block“vermummt hatten. Beamte drängten in die Masse, um sie von den übrigen Demonstranten zu trennen. Die Situation eskalierte, es wurden Flaschen geworfen. Die Polizei setzte Pfefferspray und Wasserwerfer ein. Vermummte flüchteten über die seitlichen Balustraden.
„Das hat auch bei vielen nicht vermummten Demonstranten große Aggressivität ausgelöst und sie radikalisiert“, sagte Ströbele. So etwas wäre in Berlin mit der erfolgreichen Deeskalationsstrategie der dortigen Polizei nicht möglich gewesen. „Ich verstehe nicht, wieso die Hamburger Polizei von den Berliner Kollegen deren Erfahrungen nicht abgerufen hat“, sagte Ströbele. Er kritisierte auch das Vorgehen der Polizei am Folgeabend, als es zu stundenlagen Gewaltexzessen im Schanzenviertel kam. „Völlig unverständlich ist, warum die Polizei Freitagnacht erst einmal drei Stunden lang Straftaten hingenommen hat, bevor sie ins Schanzenviertel gegangen ist.“Gleichzeitig verurteilte er die Gewalttaten scharf. „Wer einen Molotowcocktail schmeißt, plündert oder Autos anzündet, verübt eine schwere Straftat und diese muss verfolgt werden“, sagte Ströbele.
Zahlreiche Politiker von Union und SPD wiesen die Kritik an der Polizei zurück. Hingegen erklärte der Bund Deutscher Kriminalbeamter das Sicherheitskonzept von Senat und Polizei für gescheitert. Zur Aufarbeitung der Vorfälle gehöre die Feststellung, „dass das Sicherheitskonzept für den Gipfel schlichtweg nicht aufgegangen ist“, sagte der Vorsitzende André Schulz der „Bild“-Zeitung.
Der Hamburger Landeschef des Verbandes, Jan Reinecke, hatte am Sonntag bei „Anne Will“in der ARD gesagt, man habe keine Chance gehabt, Bürger besser zu schützen. Priorität hätten die Staats- und Regierungschefs gehabt. Der Chef der Polizeigewerkschaft GdP, Oliver Malchow, hielt dagegen: „Es gab keine Priorisierung, dass die Polizei zuerst die Gipfelteilnehmer und erst dann die Bevölkerung geschützt hat. Eine solche Einschätzung ist vollkommen verfehlt. Der Polizei ist die Lage nicht entglitten.“Malchow räumte aber ein, dass die Polizei bei solchen komplexen Lagen nicht alle Straftaten verhindern könne. Zum Vorwurf, der Polizeieinsatz am Donnerstagabend gegen den „Schwarzen Block“habe zu den Ausschreitungen am Folgeabend geführt, sagte er: „Gehwegplatten und Präzisionszwillen haben die Gewalttäter sich nicht besorgt, weil am Vorabend eine Versammlung aufgelöst wurde, in der sich 1000 Vermummte, also Straftäter, befunden haben. Das war geplant.“
Während in Hamburg Linksextremisten die Stadt verwüsten, debattiert man in Berlin, ob Linksextremisten eigentlich links sind?