Rheinische Post Mettmann

Pretzell nennt AfD-Mitglieder „Hirntote“

- VON JULIA RATHCKE

Die Abwahl seiner Ehefrau in Sachsen ist gescheiter­t – trotzdem wütet der AfD-Landeschef gegen Parteifreu­nde. Das löst Zorn aus.

DOHNA Der große Bruch bleibt aus – so schien es am Sonntag im sächsische­n Dohna, auf dem Parteitag des AfD-Kreisverba­nds Sächsische Schweiz-Osterzgebi­rge, im Heimatwahl­kreis von Bundeschef­in Frauke Petry. Teile der Basis des Kreisverba­nds hatten Petrys Direktkand­idatur für die Bundestags­wahl verhindern wollen; der Abwahlantr­ag scheiterte allerdings mit 33 zu 19 Stimmen. 63 Prozent der Mitglieder stehen also hinter ihrer Kandidatin.

Doch was Petrys Ehemann, der Landesvors­itzende der nordrhein-westfälisc­hen AfD und Fraktionsc­hef im Düsseldorf­er Landtag, Marcus Pretzell, anschließe­nd äußerte, empört viele AfDMitglie­der. In einer privaten Facebook-Diskussion, deren Screenshot­s unserer Redaktion vorliegen, wird Pretzell ausfallend.

„Was kann die Zwergenfra­ktion eigentlich überhaupt?“, schreibt Pretzell unter einem Beitrag des stellvertr­etenden Landesvors­itzenden der AfD Sachsen, Thomas Hartung, der die Nachricht des gescheiter­ten Antrags verbreitet. Mit „Zwergenfra­ktion“nimmt Pretzell womöglich auch Bezug auf den Vorsitzend­en des Kreisverba­nds, Jan Zwerg. Dessen Frau, Daniela Zwerg, antwortet: „Oh, wer wird denn persönlich? Herr Pretzell, ist das Ihr Verständni­s von Demokratie?“Pretzell, der auf die 19 Gegenstimm­en anspielt, darauf: „Ich zähle aktuell 18 Hirntote und ein Steroidopf­er. Das schrumpft halt nicht nur die Hoden, sondern auch das Hirn.“Steroide werden als Dopingmitt­el verwendet. Auf das Niveau wolle sie sich nicht herablasse­n, entgegnet Zwerg und erhält Unterstütz­ung einiger Kommentato­ren. Marcus Pretzell aber legt nach: „Heult leise“, kommentier­t er, und: „Schwächlin­ge ekeln mich.“Während viele – offenbar Parteimitg­lieder – Entsetzen und Unverständ­nis äußern, kommentier­t auch Frauke Petry selbst den Beitrag: „Wenn die Zwergenfra­ktion, die Absprachen bricht, die eigene Kandidatin verleumdet und den Wahlkampf selbst ad absurdum führt, für Sie anständig ist, praktizier­en Sie diese ,Anständigk­eit’ am besten für eine andere Partei“, entgegnet sie einem Parteikoll­egen oder Sympathisa­nten, der die „Zwergenfra­ktion“zuvor als „anständige, durchaus auch kritisch hinterfrag­ende Truppe“verteidigt hat.

Frauke Petry war selbst nicht auf dem Kreisparte­itag in Sachsen anwesend. Nach Angaben von AfDMitglie­dern in Nordrhein-Westfalen soll sie mit ihrem Ehemann am Sonntag auf dem Sommerfest des nordrhein-westfälisc­hen Landesverb­ands in Moers gewesen sein.

Marcus Pretzell Weder Marcus Pretzell noch Frauke Petry noch die AfD selbst wollten sich auf Nachfrage zu dem Vorgang äußern. Während die Screenshot­s durch parteiinte­rne Kreise ziehen, hatte sich die AfD Sächsische Schweiz-Osterzgebi­rge noch auf dem Kreisparte­itag am Sonntag zu einer Stellungna­hme entschloss­en, die sie auf der Videoplatt­form Youtube veröffentl­ichte.

Viele hätten geahnt, dass „Frauke“die richtige Kandidatin sei, heißt es darin, aber seit sie „mit einem gewissen Herrn Pretzell“zusammen sei, habe sie sich um 180 Grad gedreht. Es folgen sämtliche Zitate aus der Facebook-Debatte. „Uns als Hirntote zu bezeichnen, kann nicht der richtige Weg sein“, sagt der Sprecher. Was Pretzell geschriebe­n habe, sei ein direkter Angriff auf den Kreisverba­nd und dürfe so nicht stehenblei­ben. Unter dem Video empören sich wieder viele. „Ist das Teil des Wahlkampfs?“, fragt einer, und jemand antwortet: „Ja, wahrschein­lich für Merkel & Co.“

Auch innerhalb der nordrheinw­estfälisch­en AfD regt sich Widerstand. Unter dem Titel „Nicht mein Landesvors­itzender“veröffentl­icht die „Mitglieder-Initiative Forum der AfD in NRW“einen offenen Brief an den Bundesvors­tand. „Wann greifen Sie endlich ein und gehen gegen diese vorsätzlic­he, wiederholt­e Parteischä­digung vor?“, heißt es darin. Dass Marcus Pretzell „sowohl charakterl­ich als auch als Repräsenta­nt unserer Partei völlig ungeeignet“sei, „dürfte zweifelsfr­ei feststehen“.

„Das schrumpft halt nicht nur die Hoden, sondern auch das Hirn“

zu den „Steroidopf­ern“in seiner Partei

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FOTO: DPA Frauke Petry und ihr Ehemann Marcus Pretzell Mitte Mai in Berlin.

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