INTERVIEW HENDRIK WÜST „Diesel-Fahrverbot ist Steinzeitlösung“
Der neue NRW-Verkehrsminister über seinen Kampf gegen den Stau, die Luftbelastung in den Städten und die Flughäfen.
Seinen Witz hat Hendrik Wüst auch als Minister nicht verloren. „Am Wochenende geht es in ein fernes Land mit hohen Bergen“sagt er am Anfang des Gespräches, freut sich über die Verblüffung der Gäste, lacht und stellt klar: „Wir fahren in die Schweiz auf eine Hochzeit.“ Herr Minister, fahren Sie eigentlich noch gerne Auto bei den vielen Staus? WÜST Ja, aber auch ich ärgere mich natürlich, wenn ich im Stau stehe. Hier in Düsseldorf nehme ich auch gerne immer wieder das Fahrrad. Schwarz-Gelb hat damit Wahlkampf getrieben, die Staus sollten aufhören. Und nun? WÜST Jetzt werden wir eine Politik der ganzen Landesregierung haben, die die Kräfte entfesselt. Die alte Regierung hat zeitweise gezielt zu wenige neue Straßenbauprojekte geplant und verpasste darum, wichtige Bundesmittel zu erhalten. Jetzt sind wir auf der Überholspur und geben beim Straßenbau Gas. Wird es bei der nächsten Landtagswahl im Jahr 2022 keine Staus geben? WÜST Nein. Wir hoffen zwar 2022 auf weniger Staus, aber ganz werden wir sie nicht vermeiden können: Denn wir wollen für die Zukunft von NRW investieren. Da wird es also auch in 2022 Baustellen geben. Und zur Reparatur aller Brücken brauchen wir sicher 15 Jahre. Aber ich hoffe, dass die Autofahrer sich etwas damit trösten, dass die weiteren Behinderungen nur da sind, weil es vorangehen soll – nicht weil ideologisch gebremst wurde. Aber jetzt ist Geld da? WÜST Ja! Es wird jetzt kräftig geplant. Es gibt keine politischen Blockaden mehr. Das Geld ist da. Der politische Wille ist da. Wir werden also gut bauen können in den nächsten Jahren. Und ich habe die Hoffnung, dass wir vom Bund schon in diesem Jahr Geld nachfordern können. Der Anti-Stau-Minister provoziert neue Baustellen? WÜST Der Anti-Stau-Minister weiß, dass neue Baustellen nötig sind. Das ist das Paradoxon meiner Aufgabe. Wenn wir bauen, heißt das mehr Baustellen, und das heißt erst einmal auch mehr Staus. Wir versuchen aber alles, um Behinderungen zu vermeiden oder zu verkleinern. Dafür wollen Sie nachts und sehr schnell bauen lassen. Woher kommen die fehlenden Arbeiter? WÜST Mir ist jeder Planer und Bauarbeiter willkommen, ganz gleich woher sie kommen. Wir haben ja bereits viele Kollegen aus ausländischen Staaten auf Baustellen. Könnten auch Flüchtlinge helfen? WÜST Auch Flüchtlinge können im Bau eine Chance finden. Er oder sie muss nur legal beschäftigt und ordentlich bezahlt werden. Das Handwerk engagiert sich ja vorbildlich für Flüchtlinge. Wird es mit Ihnen Diesel-Fahrverbote in NRW geben? WÜST Nein! Ich bin strikt dagegen. Das ist nicht durchdacht. Das Diesel-Fahrverbot ist eine Steinzeitlösung. Was wollen Sie stattdessen machen, um die Luft in den Städten wieder sauberer zu machen? WÜST Wir werden das mit einem Bündel von Maßnahmen in den Griff kriegen. Werden Sie bitte konkreter ... WÜST Nehmen wir die Corneliusstraße in Düsseldorf. Wir haben bereits einen älteren Luftreinhalteplan, der überarbeitet werden muss. Hier sind die Belastungen zum Glück längst noch nicht so krass wie in Stuttgart oder München. Ich bin überzeugt, dass man die Emissio- nen bei uns innerhalb weniger Jahre in den Griff bekommen kann. Durch die Corneliusstraße laufen drei vielbefahrene Buslinien. Wenn man die umstellt auf emissionsarmen Antrieb, haben wir bereits ein gutes Stück erreicht. Wenn man dann noch mehr auf die Digitalisierung zur Verkehrssteuerung setzt und auf technische Nachrüstungen am Auto, dann werden wir den kritischen Grenzwert einhalten können. Das ist mir sehr wichtig. Sollten Radschnellwege helfen, die Umwelt zu schonen? Oder sind Sie eine reine Autofahrerregierung? WÜST Im Gegenteil, wir wollen integrierte, intelligente Verkehrskonzepte. Ich befürworte einen schnellen Ausbau von Radschnellwegen in städtischen Regionen wie Ruhrgebiet und Rheinland, auch um Straßen zu entlasten. Aber auf dem Land sind sichere Wege zu Kindergärten und Schulen wichtiger, als in Radschnellwege zu investieren, wenn die wenig genutzt werden. Und der öffentliche Nahverkehr? WÜST Er ist ganz wichtig. Wir brauchen eine komplette digitale Verknüpfung der Verkehrsträger: Für mich ist unverzichtbar, dass ich künftig eine Fahrt durch alle Verkehrsverbünde in NRW mit nur einer App buchen und bezahlen kann. Diese App sollte aber auch mit anderen Angeboten wie Car-Sharing verbunden sein. Dann steige ich in Köln in den RRX nach Dortmund und steige dort in den Car-Sharing-Wagen. Das ist bequem für mich – und gut für die Umwelt. Es wird doch bald kein Kunde mehr akzeptieren, dass er sich in jeder Stadt durch einen anderen Fahrscheinautomaten mit anderer Tarifstruktur hangeln muss. Das ist von vorgestern. Kommen wir zur Luftfahrt. Wird das Verkehrsministerium es genehmigen, dass der Flughafen Düsseldorf die Kapazitäten deutlich erhöht? WÜST Wir werden dies nach Recht und Gesetz entscheiden. Die über 40.000 Einwendungen sind eine beeindruckende Zahl. Andererseits gibt es das Interesse des Landes an einer guten Verkehrsinfrastruktur und des Airports an Wachstum. Dies gilt es sorgfältig abzuwägen. Die neue Koalition fordert, Spätlandungen unattraktiv zu machen, indemLandegebührendannbesonders hoch sind. Ein Fingerzeig Richtung Flughafen Düsseldorf? WÜST Wir sind grundsätzlich davon überzeugt, dass sich viele Dinge mit Anreizen steuern lassen. Und da finde ich überzeugend, dass sehr späte Landungen oder Starts eben mehr Geld kosten. Da wird sich eben manche Fluggesellschaft überlegen, ob sie den Flugplan weniger eng plant, um solche Zuschläge zu vermeiden. Ob bestimmte Flughäfen solche Zuschläge stärker nutzen sollten, will ich nicht kommentieren. Tatsache ist, dass wir in Düsseldorf 2016 so viele sehr späte Landungen hatten wie seit zehn Jahren nicht. WÜST Der Flughafen hat ja selbst gesagt, dass er dieses Problem in einer konzertierten Aktion aller Beteiligter besser in den Griff kriegen will. Das ist erst einmal vernünftig. Aber wir haben das natürlich im Blick. R. KOWALEWSKY UND C. SCHWERDTFEGER FÜHRTEN DAS GESPRÄCH.