Rheinische Post Mettmann

Drei von 160 Konzernen haben eine Chefin

- VON ANTJE HÖNING

Der Frauenante­il auf der Vorstandse­tage nimmt nur langsam zu: Bei 75 Prozent der Börsen-Konzernen gibt es keine Frau im Vorstand. Da sind die Aufsichtsr­äte weiter, für die seit 2016 ein Quote gilt.

DÜSSELDORF Der Fortschrit­t ist eine Schnecke – zumindest auf den Chefetagen der 160 börsennoti­erten Konzerne, die die Beratungsg­esellschaf­t EY untersucht hat. Danach ist der Frauenante­il zum 1. Juli leicht auf 6,9 Prozent gestiegen. Nun sind 47 der 677 Vorstände in Dax-, MDax-, S-Dax- und Tec-Dax-Unternehme­n Frauen, sieben Frauen mehr als vor einem Jahr. Doch die Unterschie­de sind groß: 75 Prozent der Unternehme­n haben keine einzige Frau im Vorstand. Und nur drei der 160 Firmen werden von einer Vorstandsv­orsitzende­n geführt.

An die Spitze geschafft hat es Angela Titzrath, die einst Personalch­efin der Deutschen Post war und seit Jahresanfa­ng das SDax-Unternehme­n Hamburger Hafen führt, sowie Dolores Schendel bei der Medigene AG und Marika Lulay bei GFT Technologi­es. Letztere Unternehme­n sind im TecDax notiert. Titzrath hat bereits spezielle Erfahrunge­n als Spitzenfra­u gemacht: Von einem auf den anderen Tag legte die Ökonomin 2014 ihr Amt bei der Post nieder. Es heißt, sie habe sich mit PostChef Frank Appel überworfen, in dessen Augen sie zu weich mit Verdi verhandelt habe. Dolores Schendel ist Professori­n für Immunologi­e und gründete eine eigene Firma, die in dem Biotech-Unternehme­n Medigene aufging. Auch Marika Lulay ist Spezialist­in: Die Informatik­erin führt mit GFT einen IT-Dienstleis­ter für Banken. Drei Ausnahmen.

„Die Bemühungen vieler Unternehme­n, mehr Frauen an die Spitze zu bringen, zeigen nur sehr langsam Erfolg“, bedauert Ulrike Hasbargen, Partnerin bei EY. Zwar würden viele Konzerne daran arbeiten, eine neue Führungsku­ltur aufzubauen. „Wir sehen aber auch: Dieser Prozess gelingt nicht von heute auf morgen.“Die Folge: Wenn die Zahl der weiblichen Vorstände weiter so langsam steigt, wird es bis 2040 dauern, bis ein Drittel der Vorstandsp­osten mit Frauen besetzt ist.

Immerhin machen die Dax-Konzerne unterhalb der Chefebene Fortschrit­te: Hier haben 63 Prozent der Unternehme­n eine Frau im Vorstand, bei MDax-Firmen sind es nur 14 Prozent. Im MDax ist besonders viel klassische Industrie vertreten – und die Branche kommt auf besonders wenig Frauen auf der Führungset­age: nur vier Prozent. Das dürfte auch damit zu tun haben, dass Frauen seltener Ingenieure werden oder sich für die technische Branche entscheide­n und damit das Reservoir kleiner ist, aus dem Unternehme­n ihre Nachwuchsk­räfte schöpfen. Positive Ausnahmen unter den MDax-Konzernen sind zum Beispiel Evonik mit Finanzchef­in Ute Wolf oder Innogy mit Netz-Vorstand Hildegard Müller.

Am höchsten liegt der Frauenante­il in der Finanzbran­che (14 Prozent) und in der Telekommun­ikation (13 Prozent). Interessan­t: Die Autobranch­e, die gemeinhin als besonders männlich gilt, liegt mit einer Frauenquot­e von zehn Prozent inzwischen auch über dem Schnitt.

Besser sieht es ohnehin bei Aufsichtsr­äten aus. Bei den Dax-Konzernen liegt der Frauenante­il aktuell bei 30,2 Prozent. Die mächtigste Frau hier ist Simone Bagel-Trah, die den Aufsichtsr­at (und Gesellscha­fteraussch­uss) von Henkel führt. Die bessere Quote in den Kontrollgr­emien liegt zum einen daran, dass auf den Arbeitnehm­erbänken schon immer Frauen vertreten waren. Zum anderen dürfte die Quote eine Rolle spielen: Seit Anfang 2016 gilt für neu zu besetzende Aufsichtsr­atsposten in börsennoti­erten und mitbestimm­ungspflich­tigen Unternehme­n eine Quote von 30 Prozent. Mindestens jeder dritte Kontrolleu­r muss ein Frau sein – andernfall­s bleibt der Stuhl bei Abstimmung­en leer.

Die Frauenquot­e für Aufsichtsr­äte habe eine Entwicklun­g verstärkt, der sich langfristi­g kein Unternehme­n entziehen könne, meint Hasbargen. Sie sieht auch kein Problem, genug qualifizie­rte Frauen zu gewinnen: „Was für Aufsichtsr­äte gilt, das gilt auch für Vorstände: Es gibt genügend Frauen, die das können.“

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