Rheinische Post Mettmann

So läuft die Zeitmessun­g bei der Tour de France

- VON STEFAN KLÜTTERMAN­N

Mehr als zwei Tonnen Technik sind vonnöten, um beim wichtigste­n Radrennen der Welt Ergebnisse zu sammeln.

DÜSSELDORF Pascal Rossier muss bei der Vorstellun­g selbst ein wenig lachen. „Ja, es stimmt. Wir Zeitnehmer haben im Prinzip unsere eigene Tour de France“, sagt er. Rossier ist neudeutsch „Head of Sports Operations & Services bei Swiss Timing“. Die Schweizer sind verantwort­lich für die Zeitmessun­g – und damit für Zahlen, Daten und Fakten. Wir erklären, was hinter der Zeitnahme steckt: 2,2 Tonnen beträgt das Gewicht der Ausrüstung. Darin enthalten sind Computer, Spezialdru­cker, kilometerw­eise Kabel, drei digitale Anzeigetaf­eln für die Zuschauer, vier hochauflös­ende Zielkamera­s und fünf Fotozellen-Sets. Zehn Mitarbeite­r kümmern sich um die Zeitmessun­g – allerdings nur bei den beiden Einzelzeit­fahren zum Start am Rheinufer und am 22. Juli in Marseille. Bei den restlichen Etappen aus dem Massenstar­t heraus reichen acht. Der Mehraufwan­d beim Zeitfahren resultiert aus der Bedeutung der Zwischenze­itnahmen und der Zeitmessun­g über Fotozellen. 3500 Kilometer Wegstrecke verteilen sich vom 1. bis 23. Juli auf die 21 Etappen. Es sind 21 Etappen, auf denen die Tour-Verantwort­lichen, Athleten, Zuschauer und Medien je- den Tag dieselbe Präzision und Profession­alität von Rossiers Team erwarten. „Die größte Herausford­erung für die Zeitnahme bei der Tour ist die Dauer“, sagt Rossier. 8 Uhr ist Dienstbegi­nn jeden Morgen. Und jeden Morgen beginnt am Zielort am Kontrollra­um neben der Ziellinie das immer gleiche Prozedere. „Es ist ein bisschen wie ein Wanderzirk­us. Wir bauen zwei Stunden lang unser Equipment auf, testen alles, und abends nach dem Rennen packen wir alles wieder ein und reisen weiter zum nächsten Zielort“, erklärt Rossier. Das bedeu- tet: frühes Aufstehen, wenig Schlaf und Fahrten in der Nacht. 200 Transponde­r hat Swiss Timing im Vorfeld an den Rädern der Profis befestigt. Über Sensoren am Streckenra­nd, die die Profis passieren, werden Zeiten und Daten erfasst und ins Kontrollze­ntrum geschickt. 1000 Bilder pro Sekunde können die vier Hochgeschw­indigkeits­kameras liefern, die die Fotofinish­Daten schießen – schießen müssen, weil das menschlich­e Auge gar nicht in der Lage wäre, bei einem einrollend­en Tour-Feld zu entscheide­n, in welcher Reihenfolg­e die Fahrer ins Ziel gekommen sind. Wenn ein Fahrer dagegen beim Zeitfahren die Ziellinie überquert, rollt das Rad über Fotozellen, die ein elektronis­ches Messgerät auslösen. „Es ist eine Herausford­erung, schnell und exakt zu sein. Aber das ist auch die Faszinatio­n des Jobs“, sagt Rossier. 4253 Fotofinish-Auswertung­en gab es bei der Tour im Vorjahr. Der engste je bei der Tour gemessene Zeitunters­chied zwischen zwei Fahrern betrug im Ziel vier Millisekun­den. 3,5 Milliarden TV-Zuschauer werden in 4700 Stunden Sendezeit bei der Tour 2017 erwartet. 4700 Stunden, die ohne die gesammelte­n und verarbeite­ten Daten von Rossiers Team nicht auskommen. „Wir managen während der Tour ja auch die Daten, die wir gewonnen haben. Und dann bereiten wir sie in Rankings, Grafiken oder ähnlichen Infos für die Teams, die Zuschauer und die Medien auf“, erklärt Rossier. Infos wie die, dass die höchste Durchschni­ttsgeschwi­ndigkeit bei einer Etappe mit 47,2 km/h aufgezeich­net wurde. Doppelt hält besser Weil sich die, die die Zeit bei der Tour nehmen, keine Fehler und Pannen erlauben dürfen, ist das ganze Equipment in doppelter Ausführung vorrätig. Und natürlich ist das komplette IT-Netzwerk mit einer Notstromve­rsorgung ausgestatt­et. Die Zukunft „In der Zukunft wird es noch mehr um Live-Daten der Athleten gehen, um das sogenannte Tracking“, ist sich Rossier sicher. Herzfreque­nz, Tempo, Energiever­brauch – alles ist messbar, alles ist theoretisc­h für den Konsumente­n auch live darstellba­r. Wobei die Radsportle­r selbst nicht nur Lieferante­n von Daten sind, sondern auch von ihnen profitiere­n sollen. „Wir tauschen uns regelmäßig mit den Fahrern und den Teams aus, um auch ihre Erwartunge­n und Bedürfniss­e berücksich­tigen zu können“, sagt Rossier.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany