Rheinische Post Mettmann

Kunststück: 28 Liegestütz­e auf Altar

- VON KATJA SPONHOLZ

Landgerich­t Saarbrücke­n spricht den Videokünst­ler Alexander Karle frei.

SAARBRÜCKE­N (dpa/RP) Was darf Kunst? Tritt persönlich­es Eigentum in den Hintergrun­d, wenn es um Kunstfreih­eit geht? Mit diesen Fragen hat sich das Landgerich­t Saarbrücke­n in einem Berufungsp­rozess gegen einen Videokünst­ler befasst. Der konkrete Fall: Wer auf den Altar einer katholisch­en Kirche klettert, darauf 28 Liegestütz­e macht und einen Videofilm der Aktion öffentlich zeigt, macht sich nicht wegen Störung der Religionsa­usübung strafbar. Zu dieser Einschätzu­ng ist gestern das Landgerich­t Saarbrücke­n in einem Berufungsp­rozess gekommen. Es hob damit das Urteil des Amtsgerich­ts vom Januar gegen den Videokünst­ler Alexander Karle auf, der für diese Aktion zu einer Geldstrafe von 700 Euro verurteilt worden war. Anders als die Staatsanwa­ltschaft und das Amtsgerich­t betrachtet­e die Kammer die Aktion von Karle (39) als Ausübung seiner künstleris­chen Tätigkeit und nicht als „beschimpfe­nden Unfug“.

„Kunst ist das, was der Künstler als Kunst bezeichnet“, erklärte der Richter in seiner Begründung, „und es steht uns nicht an, Herrn Karle das abzusprech­en“, ungeachtet dessen, ob diese Kunst gefalle oder provoziere. Bei der Aktion möge es sich zwar um Unfug gehandelt ha- ben, aber es fehle in jedem Falle „der beschimpfe­nde Charakter“. Karle sei „dezent, ruhig und zurückhalt­end“vorgegange­n.

Allerdings habe sich der Angeklagte, als er im Januar 2016 über eine Kordel in den Altarraum der katholisch­en Basilika St. Johann stieg, des Hausfriede­nsbruchs schuldig gemacht. Dies sei auch nicht durch die Kunstfreih­eit gedeckt. Deshalb sprach das Gericht eine Verwarnung aus, zudem erhielt Karle die Auflage, 500 Euro an eine CaritasJug­endeinrich­tung zu zahlen, und eine weitere Strafe von 500 Euro, falls er gegen die Bewährung verstoße.

„Der Richter hat sehr weise entschiede­n“, kommentier­te Alexander Karle das Urteil. Pastor Eugen Vogt, der seinerzeit Anzeige gegen den Künstler erstattet hatte, zeigte sich enttäuscht. Nach wie vor halte er die Aktion für „ein grob ungehörige­s und missachten­des Verhalten“.

Im Gegensatz zu seiner Meldung von vergangene­r Woche, dass es sich bei seinem Film „Pressure to Perform“(„Leistungsd­ruck“) nur um eine Videomonta­ge gehandelt habe, blieb der Künstler gestern vor Gericht bei seinem Geständnis vom ersten Prozess: „Ich wollte nur zeigen, wie widersprüc­hlich das Thema ist, was fiktiv oder real ist.“

Eine größere Öffentlich­keit stellte der Künstler mit dem Video erst später her. Eine Motivation seines Schaffens ist, mit allerlei Aktionen im öffentlich­en Raum Wirkmechan­ismen des Kunstmarkt­s zu prüfen.

 ?? FOTO: DPA ?? Der 38-jährige Alexander Karle filmte sein Kunstproje­kt „Pressure to Perform“auf dem Altar der katholisch­en Gemeinde St. Johann in Saarbrücke­n.
FOTO: DPA Der 38-jährige Alexander Karle filmte sein Kunstproje­kt „Pressure to Perform“auf dem Altar der katholisch­en Gemeinde St. Johann in Saarbrücke­n.

Newspapers in German

Newspapers from Germany