Rheinische Post Mettmann

Kunst wird da verkauft, wo Geld verdient wird

- VON ANNETTE BOSETTI

Der Kunsthisto­riker Walter Grasskamp hat den Düsseldorf­er Galeristen Hans Mayer für eine Biografie aus der Reserve gelockt.

Wer Hans Mayer im Umgang erlebt, weiß, wie schwer es ist, ihn mit Fragen zu bombardier­en und gleichzeit­ig zu hoffen, dass er diese beantworte­t. Das ist nicht sein Ding. Wie er auch keine großen Worte macht. Das Zuhören hingegen pflegt er aufmerksam. Und das Anschauen. Davon lebt der 77-jährige Galerist schließlic­h, der Intuition braucht für seinen Job und Empathie – mehr noch als Reaktionss­chnelligke­it und Organisati­onsvermöge­n, Risikobere­itschaft und solide Trinkfesti­gkeit bei wachem Geschäftss­inn.

Mayer gehört zu den fünf wichtigste­n Galeristen der Nachkriegs­zeit in Deutschlan­d und betreibt in Düsseldorf einen eleganten Laden. Es war bei ihm nicht immer so luxuriös, wenn auch das Publikum über die Jahrzehnte gleich interessie­rt und hochrangig geblieben ist. Wer zu Mayer kommt, weiß, was ihn erwartet. Große Kunst, große Preise.

Mit 24 Jahren bot der Selfmadema­n in einem Sarglager in Esslingen zum ersten Mal Kunst zum Verkauf an. Ab 1967 unterhielt er mit der französisc­hen Kunsthändl­erin Denise René eine Galerie in Krefeld; mit Kollegen rief er damals den Kölner Kunstmarkt ins Leben, aus dem sich später die „Art Cologne“entwickelt hat. Auf der Düsseldorf­er Mühlenstra­ße begann Mayer 1969 mit seinem „Kunstmarkt für Grafik und Objekte“und führte teilweise parallel von 1971 bis 1986 die Galerie mit René fort. Seit 1986 ist die Galerie Hans Mayer unter diesem Namen in Düsseldorf ansässig, seit 2011 im Neubau und besonders edel und funktionel­l ausgestatt­et. Der Chef hat zum ersten Mal in sei- ner Galeristen­zeit ein Arbeitszim­mer mit Fenster. Sein Blick geht im 180-Grad-Radius über den Grabbeplat­z mit Kunstsamml­ung, Kunsthalle und Kirche. Als in der neuen Galerie Einweihung gefeiert wurde, war in diesem Büro die Technik montiert, damit eine Projektion der Band Kraftwerk gut vernehmbar wurde. Tausende waren gekommen, darunter alle wichtigen Düsseldorf­er Künstler.

Auf keiner der internatio­nalen Messen fehlt Mayer, gerade war er auf der Art Basel, davor in Hongkong und auf der Art Cologne. Messen sichern das Überleben eines Galeristen, über ein Vierteljah­rhundert waren sie existenzie­ll. Dabei ist er nie alleine erfolgreic­h: Ihm zur Seite stehen Ehefrau Stephanie und Tochter Marie. Sohn Max betreibt eine eigene Galerie in Flingern.

Der Autor Walter Grasskamp hat es bei allen oben aufgeführt­en Vorbehalte­n vermocht, den gebürtigen Ulmer in ein langes Gespräch zu verwickeln. Mit geschickte­n Fragen hat er dem Mann, der den Glamour in die Kunst gebracht hat, die Antworten abgetrotzt. Manchmal bringt Mayer auch Korrekture­n oder Einwürfe hervor, die interessan­te, wenn auch nicht unerwartet­e Erfahrunge­n verbreiten. „Kunst wird verkauft, wo das Geld verdient wird.“Das sagt Mayer zu Düsseldorf. Das Rheinland stehe – neben Süddeutsch­land und dem Ruhrgebiet – besser da als Berlin. Und: „Gut, dass so viele Kölner nach Berlin gegangen sind.“

Der Austausch von Grasskamp und Mayer ist in keinem Moment geschwätzi­g, sondern eine nostalgisc­h getönte Reise in die Vergangenh­eit. Angereiche­rt mit den Fotos jener Jahrzehnte, den Hauptdarst­ellern und Strippenzi­ehern der Kunst-Schickeria. Denn die gingen ein und aus bei Hans Mayer. Auch Anekdoten erzählt der Mann, der fast alle modernen Künstler kennt. Als 1969 Andy Warhol zum ersten Mal in Deutschlan­d und bei ihm war, lachte man ihn aus. Doch Mayer brachte Warhol mit Beuys zusammen. Als er den hierzuland­e noch unbekannte­n Roy Lichtenste­in ausstellte, kamen gerade mal drei Besucher. Die gesamte Schau hat er an internatio­nale Häuser verkauft.

Das Buch zeigt die vielen Seiten des Hans Mayer, der als einer der ersten Kunst mit Event vermählte. Der die Superreich­en und Prominente­n als Kunden und Gäste empfängt. Dem langjährig­en Weggefährt­en Grasskamp vertraut er vieles an. Am Ende wird daraus – mehr als die Bildungsbi­ografie eines Galeristen – ein erhellende­r Abschnitt des Kunstund Geistesleb­ens seit den Sechzigern. Männer wie Mayer waren auch daran beteiligt, dass sich NRW zum Kunstwunde­rland entwickelt­e.

Als 1969 Andy Warhol zum ersten Mal in Deutschlan­d und bei ihm war, lachte

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