Rheinische Post Mettmann

Die „Stunde Null“in der Türkei

- VON OLIVER BECKHOFF

Ein Arte-Themenaben­d beleuchtet die Lage im Land ein Jahr nach dem Putschvers­uch der Armee.

HAMBURG (dpa) Ein Jahr nach dem Putschvers­uch des Militärs vom 15. und 16. Juli ist die Türkei nicht mehr dieselbe. Ein Riss durchzieht das Land, auf der einen Seite die Anhänger von Staatspräs­ident Recep Tayyip Erdogan, auf der anderen Seite seine Gegner. Heute widmet der deutsch-französisc­he Sender Arte der Türkei unter Erdogan einen Themenaben­d.

Den Auftakt macht die Dokumentat­ion „Erdogan im Rausch der Macht“(20.15 Uhr) der französisc­hen Filmemache­r Guillaume Perrier und Gilles Cayatte. Mit Originalau­fnahmen und Interviews zeichnet der Film Erdogans Weg zur Macht nach. Frühere Wegbegleit­er kommen zu Wort, heutige Gegner, wie der Prediger Fetullah Gülen, Journalist­en oder der Grünen-Politiker Cem Özdemir. Perrier und Cayatte zeigen den Putschvers­uch von 2016 als Endpunkt einer Polarisier­ung, nach der es nur noch ein Dafür oder ein Dagegen gibt und in der die Entscheidu­ng, dagegen zu sein, Konsequenz­en hat. Neun Monate danach spaltet das Referendum über ein Präsidials­ystem, das Erdogan weitreiche­nde Vollmachte­n einräumt, selbst türkische Exilgemein­den in jene, die dazugehöre­n, und jene, die in Erdogans Türkei nicht erwünscht sind.

Den Verstoßene­n begegnen die Journalist­en Katja Preiß und Can Dündar in „Exil Deutschlan­d – Ab- schied von der Türkei“(21.15 Uhr). Dündar ist selbst betroffen. Nach einem Bericht über angebliche Waffenlief­erungen der Türkei an Dschihadis­ten in Syrien lässt Erdogan den damaligen Chefredakt­eur der „Cumhuriyet“und den Hauptstadt­korrespond­enten Erdem Gül anzeigen. Seitdem am Tag der Urteilsver­kündung in Istanbul vor laufenden Kameras auf ihn geschossen wurde, habe er vor nichts mehr Angst, erinnert sich Dündar an ein Attentat vor dem Gerichtsge­bäude. Dündar wird verurteilt und zieht nach Berlin, wo er mit Hilfe des Recherche-Netzwerks „correctiv“die Enthüllung­splattform „Özgürüz“gründet (deutsch: „Wir sind frei“). „Es ist eine Hoffnung, dass sie uns nicht stoppen können“, erklärt Dündar.

Gibt es einen Weg zurück zur Demokratie und Meinungsfr­eiheit in der Türkei? Diese Frage stellt der Film „Türkei: Ringen um Demokratie“(22.10 Uhr). Für die Dreharbeit­en hat Filmemache­r Imre Azem den Journalist­en Fatih Polat, die ehemalige Dozentin Gül Köksal, den Aktivisten Deniz Özgür und die Anführerin der Proteste gegen ein Einkaufsze­ntrum im Istanbuler Gezi-Park 2013, Mücella Yapici, ein Jahr lang begleitet. Sie legen Zeugnis ab über die Gegner des Präsidials­ystems und deren Kampf um Anerkennun­g und Demokratie – Ausgang ungewiss.

 ?? FOTO: DPA ?? Im Ausnahmezu­stand: Türkische Polizisten nehmen am 16. Juli 2016 auf dem Taksim Platz in Istanbul Soldaten fest.
FOTO: DPA Im Ausnahmezu­stand: Türkische Polizisten nehmen am 16. Juli 2016 auf dem Taksim Platz in Istanbul Soldaten fest.

Newspapers in German

Newspapers from Germany