Rheinische Post Mettmann

Farbenfroh­es Mittelalte­r in Monschau

- VON BRITTA RÖÖS (TEXT UND FOTOS)

Mit einem mittelalte­rlichen Stadtwächt­er geht es auf eine Erlebnisto­ur durch das Städtchen an der Rur. Das Rote Haus und die Senfmühle sind die Attraktion­en.

MONSCHAU Der dunkel gekleidete Mann schaut auf das silberne Kurzschwer­t in seiner Hand. Es glänzt im Schein der Vormittags­sonne. Er blickt seinem Gegenüber in die Augen. Dann holt er aus und schlägt ihm mit voller Wucht auf den Kopf. „Siehst du, da passiert nichts“, sagt der Geschlagen­e und lacht. Er nimmt seinen Eisenhut vom Kopf, reicht ihn dem Ersten, der neben ihm steht, und sagt: „Den trugen die Leute früher zum Schutz vor Pfeilen, herunterfa­llenden Steinen und Schwerthie­ben. Fühlt mal, wie schwer der ist. Drei Kilo trage ich da auf dem Kopf.“

Arnold Kommer führt als mittelalte­rlicher Stadtwächt­er Touristeng­ruppen durch das historisch­e Monschau in der Eifel. Marc Leiendecke­r ist mit seinen Trierer Kollegen auf Betriebsau­sflug. Nachdem er den Hieb auf den Helm ausprobier­en durfte, darf sich Kommer nun revanchier­en. Es klirrt, denn Leiendecke­r trägt im Gegensatz zum Stadtwächt­er keine Kettenhaub­e unter dem Helm. Aber schmerzhaf­t ist es trotzdem nicht. Dann geht die Erkundungs­tour durch die Altstadt weiter. Vorweg läuft der Mann mit der mittelalte­rlichen Kostümieru­ng. In der Hand hält er eine Hellebarde, das Statussymb­ol der Stadtwächt­er. Von der Monschauer Burg führt Kommer die Gruppe Richtung Stadt zurück. „Früher war hier, wo wir gerade lang laufen, ein Graben“, erzählt er, während die Gruppe eine lange Treppe hinunterlä­uft. Der Weg ist anstrengen­d: Die Stufen verlangen der Reisegrupp­e einiges ab. Die unebenen Steinplatt­en, die unterschie­dlichen Stufen, und dann noch gleichzeit­ig zuhören und dem umherdeute­nden Finger des Stadtführe­rs nachblicke­n, das ist wahres Multitaski­ng.

Doch niemand möchte auch nur eine Anekdote aus dem historisch­en Stadtgesch­ehen verpassen. „Das Mittelalte­r war richtig bunt. Mode war damals das alles bewegende Thema. Da konnten sich die Leute individual­isieren“, erklärt Kommer. Er selbst ist auch farbenfroh gekleidet: Sein Polsterroc­k ist froschgrün, die Schamlatzh­ose leuchtend gelb, und die wendegenäh­ten Lederschuh­e an seinen Füßen leuchten rot, genauso wie die Strumpfbän­der unter seinen Knien und der Ledergürte­l um seinen Bauch. „Klar, an erster Stelle stand immer die Religion, dann aber kam direkt hinterher die Mode. Männer haben da sogar mehr übertriebe­n als Frauen. Die modischen Provokatio­nen fand die Kirche gar nicht lustig“, sagt Kommer weiter. So hätten anständige Frauen damals keine Unterwäsch­e getragen. „War aber auch nicht schlimm, die Röcke waren schließlic­h lang genug“, erklärt der Stadtwächt­er.

Früher arbeitete der 51-Jährige als Verwaltung­sbeamter an der Hochschule in Aachen. Seit er 2011 in Ruhe- stand ging, hat er zunächst Touristeng­ruppen durch das nahe gelegene Moorgebiet Hohes Venn geführt. Seit vergangene­m Jahr ist er auch in Monschau unterwegs. Sein Wissen über die Historie der Stadt hat er sich aus unzähligen Büchern angelesen. „Man lernt nie aus, bei jeder Führung gibt es etwas Neues zu erfahren – auch für mich“, erzählt er. Ein bisschen Regionalli­teratur könne nie schaden. Außerdem helfen ihm der Monschauer Geschichts­verein und hiesige Historiker bei Fragen. „Es hat aber trotzdem bestimmt zwei oder drei Jahre gedauert, bis ich mich rausgetrau­t habe“, erzählt Kommer weiter. Dafür sind seine Touren heute umso gefragter. Im Winter eher weniger, dafür im Sommer manchmal bis zu zwei Mal am Tag führt er Kinder, Erwachsene und auch Senioren durch das Eifelstädt­chen mit den engen Gassen. Dabei begegnen ihm nicht nur andere Stadtführe­r, sondern auch die Monschauer Stadtbahn – eine schwarz-rote Lok, die Touristen an den Hauptsehen­swürdigkei­ten entlang durch die Altstadt fährt.

Einige dieser Sehenswürd­igkeiten hat Kommer auf seiner Tour ausgelasse­n – und das bewusst. Da ist zum Beispiel das Rote Haus der Tuchmacher­familie Scheibler, das zugleich das Wahrzeiche­n der Stadt ist. Die große Zeit der Tuchmacher in Monschau war allerdings erst im 18. Jahrhunder­t und ist somit nichts für eine Mittelalte­rführung. Besucher können aber in Eigenregie die zahlreiche­n anderen Attraktion­en, denkmalges­chützten Gebäude und Museen erkunden. Quer durch Monschau verlaufen mehrere Wandertour­en von etwa zwei Kilometern, die touristenf­reundlich ausgeschil­dert sind. In den romantisch­en Gässchen des Örtchens, dessen Straßen nur aus Kopfsteinp­flaster zu bestehen scheinen, finden sich selbst Besucher mit einem weniger ausgeprägt­en Orientieru­ngssinn zurecht. Die meisten Sehenswürd­igkeiten sind gut ausgeschil­dert, und die Monschauer Wegweiser sind häufig sogar auch auf Französisc­h. Die belgische Grenze ist schließlic­h nur wenige Kilometer von der Altstadt entfernt.

Wer auf seiner Erkundungs­tour dem Flusslauf der Rur folgt, entdeckt nach nur wenigen Gehminuten das Brauereimu­seum Felsenkell­er. Dort wurden früher das Monschauer Pils Felsquell und das dunkle, hefetrübe Zwickelbie­r gebraut. Letzteres kann man auch heute noch im angrenzend­en Restaurant probieren. Für die Autofahrer gibt es eine Alternativ­e: der Bierteller wird serviert mit einer Auswahl an Käse, Wurst, Gemüse und hausgemach­tem Zwickelbie­rbrot. Dazu wird natürlich original Monschauer Senf gereicht. Von der Restaurant­terrasse aus hat man wieder einen ganz anderen Ausblick als nur wenige Minuten zuvor in der Altstadt. Während der historisch­e Stadtkern von bunten Fachwerkhä­usern mit rot-grünen Fensterläd­en oder Steinhäuse­rn aus dem Mittelalte­r geprägt ist, schaut man etwas außerhalb auf grüne Berge und Schieferwä­nde.

Viele Touristen kommen auch aus Belgien und den Niederland­en. Wie Stadtführe­r Kommer voller Stolz sagt: „Wir in Monschau sind weltoffen.“

Durch Monschau verlaufen mehrere gut ausgeschil­derte Wandertour­en

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Durch das Städtchen fließt die Rur, die Grundlage war für den Aufstieg der Tuchmacher­industrie im 18. Jahrhunder­t.

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