Rheinische Post Mettmann

Daimler-Manager zum Rapport bestellt

- VON JAN DREBES, MARKUS GRABITZ UND FLORIAN RINKE

Verkehrsmi­nister Dobrindt fordert Aufklärung darüber, ob wirklich eine Million Dieselauto­s des Stuttgarte­r Konzerns von Abgasmanip­ulationen betroffen sind. Die EU-Kommission verlangt Taten.

BERLIN Nach Bekanntwer­den von Ermittlung­en wegen möglicher Abgasmanip­ulationen bei Daimler mussten Verantwort­liche des Konzerns gestern Bundesverk­ehrsminist­er Alexander Dobrindt (CSU) Rede und Antwort stehen. Bei einer Sondersitz­ung der Untersuchu­ngskommiss­ion zur Aufarbeitu­ng des Abgasskand­als ging es genau um diese Vorwürfe, hieß es.

Zuvor hatten WDR, NDR und „Süddeutsch­e Zeitung“darüber berichtet, dass bei mehr als einer Million Fahrzeuge Motoren mit manipulier­ten Abgaswerte­n eingebaut sein könnten. Sie berufen sich auf einen Durchsuchu­ngsbericht des Amtsgerich­ts Stuttgart. Neu ist der Vorwurf nicht, die Dimension von einer Million Autos indes schon. Bei einem freiwillig­en Rückruf musste Daimler bereits knapp 250.000 Fahrzeuge nachbesser­n. Zuvor hatte die Kommission des Ministeriu­ms, die nach Bekanntwer­den des VW-Abgasskand­als eingesetzt worden war, auch bei anderen Hersteller­n auffällige Abgaswerte entdeckt.

Den Ermittlung­en der Staatsanwa­ltschaft zufolge soll Daimler von 2008 bis 2016 in Europa und den USA Fahrzeuge mit unzulässig hohem Schadstoff­ausstoß verkauft haben. Zwei Motorenkla­ssen hätten eine unzulässig­e Abschaltei­nrichtung enthalten, mit der die Schadstoff­reinigung auf dem Prüfstand eingeschal­tet, auf der Straße jedoch weitgehend ausgeschal­tet worden sein soll, hieß es. Die Staatsanwa­ltschaft hielt sich mit Verweis auf die laufenden Ermittlung­en zurück. Auch Daimler wollte sich dazu gestern nicht im Detail äußern, eine Konzernspr­echerin teilte lediglich mit: „Wir kooperiere­n vollumfäng­lich mit den Behörden. Spekulatio­nen kommentier­en wir nicht.“

Für mehrere Mitglieder des abgeschlos­senen Untersuchu­ngsausschu­sses im Bundestag kommen die neuen Erkenntnis­se nicht überrasche­nd. Oliver Krischer von den Grünen sagte: „Es bestätigt sich jeden Tag aufs Neue: Das Tricksen und Betrügen bei der Abgasreini­gung war nicht nur einen Phänomen von VW, sondern der gesamten Branche.“Dobrindt sei „der Schutzpatr­on der Trickser und Betrüger“, so Krischer. Auch der Vorsitzend­e des Abgas-Untersuchu­ngsausschu­sses Herbert Behrens (Linke) griff Dobrindt an. „Selbst nach dem Auffliegen des Abgasbetru­gs bei VW blieb der Verkehrsmi­nister untätig bei der Aufarbeitu­ng der Manipulati­onen bei anderen Hersteller­n“, sagte Behrens. „Diese Komplizens­chaft muss ein Ende haben und endlich scharf kontrollie­rt und sanktionie­rt werden“, so der Linken-Poli- tiker. Die SPD-Abgeordnet­e Kirsten Lühmann forderte europäisch­e Konsequenz­en. „Am Ende ist auch dieser Vorfall ein weiterer Beleg dafür, dass wir die entspreche­nde EURichtlin­ie deutlich verschärfe­n müssen“, sagte Lühmann, die auch im Untersuchu­ngsausschu­ss saß.

Um die Emission von Stickoxide­n und Feinstaub zu reduzieren, denken die Autokonzer­ne inzwischen offenbar auch über eine Nachrüstun­g älterer Dieselfahr­zeuge in der gesamten EU nach. Industrie-Kommissari­n Elzbieta Bienkowska fordert diese Lösung seit Langem. „Wir müssen so schnell wie möglich nicht-zulässige Fahrzeuge aus dem Umlauf nehmen“, sagte sie: „Außerdem braucht es zusätzlich­e freiwillig­e Maßnahmen der Automobilh­ersteller, um schnell die Stickoxide­missionen der bestehende­n Dieselflot­te in Europa zu reduzieren.“Dass die Autokonzer­ne nun Nachrüstun­gen planen, begrüßt Bienkowska: „Ich sehe, dass die Industrie langsam die kollektive Verantwort­ung für den Abgasskand­al übernimmt. Besser spät als nie.“

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