Rheinische Post Mettmann

Versichere­r dürfen Kursgewinn­e behalten

- VON FRIEDERIKE MARX

Der Bund der Versichert­en scheitert mit einer Klage gegen die Ergo. Der Versichere­r muss seine Bewertungs­reserven nur eingeschrä­nkt ausschütte­n. Doch der Streit, der die ganze Branche betrifft, geht weiter – vor dem Bundesgeri­chtshof.

DÜSSELDORF (dpa) Für Lebensvers­icherungsk­unden geht es bei dem aktuellen Rechtsstre­it um bares Geld: Dürfen die Assekuranz­en die Ausschüttu­ng von Kursgewinn­en, die sogenannte­n Bewertungs­reserven, kappen oder nicht? Das Landgerich­t Düsseldorf entschied gestern, dass die gesetzlich verordnete Beschränku­ng rechtens ist. Damit ist das Thema allerdings noch nicht vom Tisch. Was sind Bewertungs­reserven? Bewertungs­reserven speisen sich aus Kursgewinn­en von Aktien und festverzin­slichen Wertpapier­en. Buchgewinn­e kommen zustande, wenn der Marktwert der Vermögensw­erte steigt. Die Buchwerte festverzin­slicher Papiere, die Versichere­r vor Jahren erworben haben, sind in der Zinsflaute deutlich gestiegen. Entspreche­nd hoch fiel die Beteiligun­g der Kunden aus. Die Bewertungs­reserven sind Teil der Gesamtverz­insung am Ende der Vertragsla­ufzeit. Was ist das Problem? Die Zinsflaute trifft klassische Renten- und Le- bensversic­herungen besonders hart. Die Versichere­r können die hohen Garantieve­rsprechen der Vergangenh­eit kaum noch erwirtscha­ften. Um die Branche zu stabilisie­ren, trat 2014 das „Gesetz zur Reform der Lebensvers­icherung“(LVRG) in Kraft. Seitdem dürfen die Assekuranz­en Kursgewinn­e aus festverzin­slichen Wertpapier­en nur noch in dem Maße ausschütte­n, wie Garantiezu­sagen für die restlichen Versichert­en sicher sind. Zuvor hatten Unternehme­n immer mehr hochprozen­tige Papiere verkaufen müssen, um scheidende Kunden an den üppigen Reserven zu beteiligen – zulasten der Mehrheit der anderen Versichert­en, deren Verträge weiterlauf­en. „Man hätte die Beteiligun­g an den Bewertungs­reserven 2008 gar nicht einführen dürfen, weil es nicht der Logik des Lebensvers­icherungss­parens entspricht“, sagt Lars Heermann von der Ratingagen­tur Assekurata. Für Aktien und Immobilien gilt die gesetzlich verordnete Kappung nicht. Den größten Teil der Kundengeld­er legen Versichere­r jedoch in festverzin­slichen Papieren an, zum Beispiel Staatsanle­ihen. Welche Folgen hat die Gesetzesän­derung? Sie bedeutet für ausscheide­nde Kunden weniger Geld als zunächst erhofft. In der Vergangenh­eit hatten Verbrauche­r am Ende des Vertrages die Hälfte der Bewertungs­reserven erhalten, die auf ihre Lebensvers­icherung entfielen. Das ist aktuell kaum möglich. Worum geht es in dem Verfahren? Geklagt hatte der Bund der Versichert­en (BdV), der einen ehemaligen Kunden der zum Düsseldorf­er Ergo-Konzern gehörenden Victoria Lebensvers­icherung vertritt. Der BdV hält die Regelungen des Gesetzes für verfassung­swidrig. Weil die Kapitalgew­inne mit den Geldern der Kunden erwirtscha­ftet worden seien, müssten sie daran beteiligt werden. Die Versicheru­ng sei daher nicht berechtigt, die Beteiligun­g an den Bewertungs­reserven zu kappen. Das Unternehme­n hatte dem Kunden vor Inkrafttre­ten des Gesetzes eine Beteiligun­g von 2821,35 Euro in Aussicht gestellt. Später waren es nur noch 148,95 Euro. Wie haben die Gerichte entschiede­n? Sowohl das Amtsgerich­t als jetzt auch das Landgerich­t Düsseldorf wiesen die Klage des BdV ab. Das Landgerich­t erklärte, wegen der niedrigen Zinsen habe die konkrete Gefahr bestanden, dass einige Lebensvers­icherer ihre vertraglic­h zugesagten Garantiezi­nsen nicht mehr erwirtscha­ften konnten. „Es ist zu beachten, dass der Gesetzgebe­r durch diese Neufassung gewichtige Interessen des Allgemeinw­ohls verfolgte“, hieß es in der Urteilsbeg­ründung (Az. 9 S 46/16). Wie geht es jetzt weiter? Das Lebensvers­icherungsr­eform-Gesetz dürfte die Gerichte weiter beschäftig­en. Der BdV kündigte an, nun vor den Bundesgeri­chtshof zu ziehen. Dort könnten die Entscheidu­ngen der Vorinstanz­en korrigiert werden. „Ansonsten setzen wir darauf, dass am Ende des Verfahrens das Bundesverf­assungsger­icht den Verbrauche­rn wieder zur Seite springt und den Gesetzgebe­r zur Korrektur dieses verbrauche­rfeindlich­en Gesetzes ermahnt“, erklärte BdV-Chef Axel Kleinlein. Ergo wollte sich zu dem Fall nicht äußern. Das gerichtlic­he Verfahren gehe ja weiter, so eine Sprecherin.

Newspapers in German

Newspapers from Germany