Rheinische Post Mettmann

Etwas Farbe kann nicht schaden

- VON GIANNI COSTA

Andrea Milz ist Staatssekr­etärin im neuen Ressort Sport und Ehrenamt der schwarz-gelben Landesregi­erung. Auf den ersten Blick sieht sie nicht so aus, wie man sich eine CDU-Politikeri­n vorstellt, auf den zweiten Blick auch nicht. Sie verspricht mehr finanziell­e Mittel für Vereine.

DÜSSELDORF Vor ein paar Monaten hat Andrea Milz mit ihren Kollegen aus der CDU-Landtagsfr­aktion gefeiert – die Fertigstel­lung eines von ihr selbst gestrickte­n Pullovers. Es war Nummer 400, mittlerwei­le ist sie bei 413 angekommen. Sie habe, erzählt sie, irgendwann aufgehört, ihren eigenen Geburtstag zu würdigen. Bei jedem 50. Pullover dagegen stößt sie mit engen Freunden und politische­n Weggefährt­en an. Die Sache mit dem Stricken kam aus der Not heraus. Milz, 54, geboren in Bad Godesberg, kommt aus einfachen Verhältnis­sen. Arbeitermi­lieu. Das Geld war so knapp, dass es zum 16. Geburtstag nicht aus den vorhandene­n Mitteln für ein kleines

Andrea Milz Schmuckstü­ck reichte. Um sich ihr Taschengel­d etwas aufzubesse­rn, lieferte sie für eine Firma einige Strickmode­lle. „Ich habe nie etwas geschenkt bekommen“, sagt sie. „Ich habe mir alles erarbeitet, und darauf bin ich auch stolz.“

Als sie vor eineinhalb Wochen an einem Mittwochab­end einen Anruf bekam, ahnte sie noch nicht, dass ihr Leben mal wieder eine Wendung nehmen würde. Am anderen Ende der Leitung war Armin Laschet. Die CDU hatte die NRW-Wahl gewonnen, und der neue Ministerpr­äsident kündigte an, den Sport zur Chefsache zu machen – verbunden mit der Schaffung eines eigenen Ressorts in der Staatskanz­lei. Hinter den Kulissen wurde schon länger spekuliert, wer für die Aufgabe im Rang eines Staatssekr­etärs in Frage kommen würde. Laschet ist mit der Nominierun­g von Milz ein cleverer Schachzug gelungen. Denn Milz ist nicht eine von „da oben“, die in Verdacht steht, sich mehr für das Catering im VIP-Zelt zu interessie­ren als für die Probleme der Menschen in den Vereinen an der Basis. Seit vielen Jahren ist sie ein Teil dieser Basis. Sie hat zahlreiche Sportkurse gegeben von Zumba bis Drill-Instructio­n, war Vizepräsid­entin des Kreissport­bundes Rhein-Sieg und trat jahrelang als Bauchtänze­rin auf.

Selbst vom politische­n Gegner hört man nur Positives. „Die Andrea“, sagt ein Landtagsab­geordneter von den Grünen, der sich mit dieser Einschätzu­ng allerdings nicht öffentlich zitieren lassen will, „ist einfach eine unglaublic­h kompetente Frau. Wenn sie sich einmal in ein Thema verbissen hat, dann lässt sie nicht eher los, bis es eine Lösung gibt.“

1981 hat sich Andrea Milz in einen Jungen verguckt. Es war während eines Ferienjobs in einer Marmeladen­fabrik in Bad Honnef, um sich Geld für eine Reise nach Malaysia zu verdienen. Sie hatte im Fernsehen die Serie „Sandokan – Der Tiger von Malaysia“gesehen und beschlosse­n, dort unbedingt auch einmal hinzureise­n. Nun also, an einem verregnete­n Tag, saß sie mit dem Burschen zusammen und diskutiert­e über die Welt. Er war Mitglied der Jungen Union. Die Romanze war für sie Anlass, sich genauer mit den Parteiprog­rammen zu beschäftig­ten. „Bei der CDU habe ich 70 Prozent Deckungsgl­eichheit zu meinen Ansichten gefunden. Das empfand ich als ausreichen­d, um Mitglied zu werden“, sagt sie. Die FDP sei ausgeschie­den, weil „ich da als Arbeiterki­nd nicht reingepass­t hätte“, die SPD empfand sie in vielen Ansichten als zu ideologisc­h geprägt. Aus der Sache mit dem Jungen ist übrigens nie etwas geworden.

2000 ist sie das erste Mal für die CDU in den Landtag eingezogen. Als direkt gewählte Kandidatin. Das ist ihr in den 17 Jahren seither fünf Mal gelungen. Sie habe nie viel Geld für Werbekampa­gnen ausgegeben, für die letzte Wahl waren es gerade einmal 5600 Euro. „Die Leute haben immer gewusst, was sie bekommen – mich, so wie ich eben bin“, sagt die frühere Sekretärin in der CDU-Bundesgesc­häftsstell­e. „Ich brauche nicht Geschenke zu verteilen. Es geht mir um Inhalte. Deshalb bin ich von Haustür zu Haustür und habe so vielen Menschen wie möglich erzählt, wofür ich stehe.“

Mit der Berufung zur Staatssekr­etärin hat sich vieles in ihrem berufli- chen Leben verändert. Bereits einen Tag vor der offizielle­n Ernennung durch Laschet musste sie ihr Landtagsma­ndat niederlege­n. Es ist aller Voraussich­t nach das Ende ihrer politische­n Karriere. Sie arbeitet nun als ranghöchst­e Beamtin in der Staatskanz­lei und ist dort für die Bereiche Sport und Ehrenamt zuständig. Bislang gibt es nur sie und eine Sekretärin, die Milz sich von einer anderen Abteilung für vier Wochen ausgeliehe­n hat. Die Sportabtei­lung war unter der rot-grünen Regierung beim Kinder- und Jugendmini­sterium angesiedel­t, das Referat für Ehrenamt ebenfalls, jedoch nur als Anhängsel in einer anderer Abteilung. „Ich hoffe, wir finden, so schnell es geht, alle zusammen Platz in der Staatskanz­lei“, erklärt Milz. „Das wird schon, ich mache mir da keine Sorgen.“

Sie hat einfach angefangen zu arbeiten. Übernächst­e Woche trifft sie sich mit Vertretern der Kreissport­bünde. Es geht um die Entbürokra­tisierung für Vereine. Es sollen Rahmenbedi­ngungen geschaffen werden, die besonders kleinere Klubs entlasten. Bereits in der kommenden Woche gibt es ein erstes Sondierung­sgespräch mit Vertretern des Landesspor­tbundes (LSB). Dessen Präsident Walter Schneeloch hat sich bereits in Stellung gebracht und in einem Interview mit dieser Redaktion mehr Geld gefordert – acht Millionen Euro pro Jahr in den kommenden fünf Jahren. „Es steht für mich fest, dass der Sport mehr Geld braucht und es auch verdient“, sagt Milz, die seit vier Jahren mit einem Bundeswehr­soldaten liiert ist. „Und es ist auch klar, dass wir so schnell wie möglich für Planungssi­cherheit für die Vereine sorgen wollen. In den nächsten Wochen wird ein Entwurf erarbeitet. Dann mache ich mich auf die Suche nach dem Geld.“

Der Sport stelle sich jeden Tag in den Dienst der Gesellscha­ft, Aufgaben wie in der Flüchtling­skrise würden ohne Murren angegangen. Im Rahmen des in diesem Jahr auslaufend­en „Pakts für den Sport“unterstütz­t NRW den LSB jährlich mit 45 Millionen Euro. „Diese Summe ist absolut unstrittig. Bei den Zusatzausg­aben bin ich mindestens optimistis­ch, dass wir auch dort zusammenko­mmen werden.“Eine Möglichkei­t wäre, Mehreinnah­men durch Einnahmen von Westlotto wieder direkt für den Sport und andere Wohlfahrts­verbände einzusetze­n.

Milz hat noch keine festgezurr­te Agenda für die kommenden fünf

„Die Leute haben immer

gewusst, was sie bekommen – mich, so

wie ich eben bin“

über ihre Arbeit im Wahlkreis „Es steht für mich fest, dass der Sport mehr Geld braucht und es

auch verdient“

Andrea Milz

Über eine Aufstockun­g der Finanzmitt­el

Jahre. „Es gibt Bereiche im Sport, die tragen sich von selbst. Sicherlich werde ich auch mit den FußballBun­desligiste­n das Gespräch suchen. Das Thema Gewaltpräv­ention ist schon dringlich. Aber man darf nicht aus dem Auge verlieren, dass es viele kleine Vereine gibt, die besondere Unterstütz­ung benötigen. Das ist unsere Basis, darauf baut alles andere auf.“

Daneben sollte es aber auch Platz geben für ein paar sportliche Großprojek­te. Olympische Spiele 2032 in der Region Rhein-Ruhr kann sich Milz sehr gut vorstellen. „So, wie momentan die Stimmung ist, sehe ich gute Aussichten für das Projekt. Wir dürfen alle miteinande­r nur nicht die Bodenhaftu­ng verlieren. Das gilt besonders für die Kostenkalk­ulation“, sagt sie. „Wenn wir vernünftig­e Konzepte vorlegen können, dann bin ich sehr optimistis­ch, dass der Deutsche Olympische Sportbund mit uns diesen Weg gehen wird.“

Milz tippt mit den rosalackie­rten Fingern auf die Tischplatt­e vor sich. In ihren Haaren trägt sie ein pinkes Rosenblatt, ein paar Strähnen in ihrem Haar sind rötlich gefärbt. Als sie gerade ins Parlament eingezogen war, hätten sie die Saaldiener für eine Abgeordnet­e der Grünen gehalten, erzählt sie. Und auch die Landtagspr­äsidentin habe versucht, ihr mit einer Kleiderord­nung den schrillen Auftritt zu verbieten.

„Was für ein Blödsinn. Lasst doch jeden so, wie er sich fühlt, rumlaufen“, sagt sie. „Es gibt bestimmt viele, die sich denken, was ist das denn für eine. Politik muss doch nicht langweilig sein. Etwas Farbe kann doch nicht schaden.“

 ?? FOTOS: ANDREAS KREBS ?? Sporteinhe­it mit der Staatssekr­etärin: Die RP-Redakteure Gianni Costa (links) und Stefan Weigel wurden von Andrea Milz ordentlich getrimmt – unter Aufsicht der ausgebilde­ten Übungsleit­erin mussten unter anderem Liegestütz­e absolviert werden....
FOTOS: ANDREAS KREBS Sporteinhe­it mit der Staatssekr­etärin: Die RP-Redakteure Gianni Costa (links) und Stefan Weigel wurden von Andrea Milz ordentlich getrimmt – unter Aufsicht der ausgebilde­ten Übungsleit­erin mussten unter anderem Liegestütz­e absolviert werden....
 ??  ?? Nicht einfach gestrickt: Andrea Milz in einem von ihr entworfene­n Pullover beim Redaktions­gespräch.
Nicht einfach gestrickt: Andrea Milz in einem von ihr entworfene­n Pullover beim Redaktions­gespräch.

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