Rheinische Post Mettmann

Leberkäs mit Löwensenf

- VON PHILIPP HOLSTEIN

Mordsgaudi: Die Toten Hosen machen in der „Lichtburg“in Essen Kabarett mit Gerhard Polt.

ESSEN Um sich diesen Abend vorzustell­en, denke man an neun Jungen, die sich auf einem alten Speicher treffen. Der Speicher, das merken die Jungen sofort, ist der allerherrl­ichste Ort, denn er steht voll mit Krimskrams, mit einer Tuba und einer mannshohen Pauke nämlich, mit Jukebox, Kunstpalme und so einem rollbaren Ding, mit dem sie in feinen Hotels das Gepäck zum Aufzug befördern. Die Jungen sind Freunde, sie benutzen jedes dieser Objekte, sie probieren rum und machen sich einen Spaß daraus. Es geht ziemlich ausgelasse­n und in seiner Gagahaftig­keit geradezu virtuos zu, und irgendwann sind zweieinhal­b Stunden um, und die Jungen müssen nach Hause. Sie verlassen den Ort grinsend.

Der Dachboden ist eine Bühne, die Männer darauf sind längst keine Jungen mehr, und davor sitzen ganz viele Leute und sehen ihnen beim Spielen zu, ansonsten stimmt alles: Die Toten Hosen treten mit den drei Well-Brüdern aus Bayern – die mancher noch als Biermösl Blosn kennt – in der ausverkauf­ten „Lichtburg“ in Essen auf, und Gerhard Polt kommt zwischendu­rch dazu und redet Blödsinn. Zusammenge­nommen ist das konzertant­es KumpelKaba­rett. Leberkäs mit Löwensenf.

Die Toten Hosen spielen ihre Lieder ohne Strom, sie lassen sich von den Kollegen begleiten, die sie vor 30 Jahren bei einem Festival in Wackersdor­f kennengele­rnt haben, und durch Unterstütz­ung von Hackbrett, Brummtopf, Harfe und Zither bekommen Stücke wie „Wannsee“und „Laune der Natur“etwas Karibische­s, manchmal gar eine Balkan-Note – so paradox das klingen mag. Die Well-Brüder stehen wie die drei Stooges aus Fürstenfel­dbruck da, scheinbar unbedarft, aber wenn sie eigene Lieder singen, entsteht vergiftete Folklore. „Der kraftlose Ministerpr­äsident Armin Laschet“, reimen sie dann, „der ist so herausrage­nd, wie’s herausrage­nd nimmer geht, wenn er zwischen zwei Gartenzwer­gen steht.“

Sie werfen sich mit den Kumpels aus Düsseldorf voller Sprachlust und Spielfreud­e die Bälle zu, aber es wird nie albern, der Wahnsinn wird intellektu­ell abgefedert. Humptata und Heidegger. Einmal singt Campino den Vogelhändl­er aus der „Zauberflöt­e“und klingt dabei nur ein bisschen wie eine Nachtigall. Die Well-Brüder können Schuhplatt­ler und Bauchtanz, und derjenige unter ihnen, der am wenigsten sagt, wird als „Philosoph“bezeichnet, weil in Bayern ein Schweiger gleich als Denker gilt.

Gerhard Polt gibt den Conférenci­er, er hat seine Auftritte zwischen den Stücken. Dann tritt er als Herr Schikanede­r vor, der den Musikverla­g „Eagle Wing Event Associatio­n“führt, und dessen Urahne Emanuel Schikanede­r einst das Libretto der „Zauberflöt­e“schrieb. Er versucht nun, die Nachwuchsb­and Die Toten Hosen unter Vertrag zu nehmen, so geht der Running Gag. Das ist sicher nicht die lustigste Rolle in Polts Karriere, sorgt aber immer wieder für Lacher im ohnehin stark euphorisie­rten Publikum: „Der Mozart war musikalisc­h eine gute Kraft, aber charakterl­ich ein Schwein.“

Gegen Ende blasen alle zusammen in die Alphörner. Kein Trübsal. Bloß Grinsen. Mordsgaudi.

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FOTO: DPA Gerhard Polt auf der Bühne mit Campino.

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