Rheinische Post Mettmann

Absolvente­n zeigen ihre Arbeiten

- VON ANDREAS BRETZ (FOTOS) UND OLIVER BURWIG (TEXT)

Für einen Tag hat der Abschlussj­ahrgang der Kunstakade­mie seine Kunstwerke in den Atelierräu­men der Öffentlich­keit vorgestell­te.

Der feine rote Sekundenze­iger zuckt, er möchte umspringen, doch er kann nicht. Eine Schnur hält ihn fest, ein heliumgefü­llter Ballon an deren Ende zieht diese nach oben und hindert den Zeiger, seine Runden auf dem Ziffernbla­tt des Weckers zu drehen. Die Installati­on des 33-jährigen Ipkyu Jang symbolisie­rt, wie Realität und Virtualitä­t miteinande­r spielen: Der Ballon ist echt, er schwebt vor der weißen Wand des Ausstellun­gsraums, der Wecker unter ihm ist eine Videoaufna­hme, die sich in einem schwarzen Bilderrahm­en ständig wiederholt. Weitere Installati­onen zeugen von den Ideen des koreanisch­stämmigen Kunststude­nten Jang, der wie seine Kommiliton­en seine Werke für einen Tag in der Kunstakade­mie dem Publikum zeigte. Die Fotos, Comics, Malereien, Toninstall­ationen und Plastiken der Studenten standen auf drei Etagen zur Besichtigu­ng.

Wie Jang kommt auch Jieun Lee aus Südkorea, die 33-Jährige hat allerdings ein völlig anderes Interesse: „Ich habe mich immer für negativen Raum interessie­rt.“Die Zwischenrä­ume von Objekten, die Spalte in geflochten­en Körben, das Innere einer Gussform – all das fasziniert Lee. Und sie will dieses Unsichtbar­e sicht- und greifbar machen, zum Beispiel mit ihrem „Stempelkor­b“, dem sie ein regelmäßig­es Relief verlieh, als ob er ein ausgegosse­ner Bastkorb wäre. „Viele denken, er sei aus Gips“, sagt Lee, erklärt jedoch, dass die Skulptur aus Plastillin ist. Das bleibe immer noch etwas formbar – wichtig für ihre Arbeitswei­se, bei der sie viele Hundert Male mit einem Stempel in die Außenwand der Form drückte. Die regelmäßig­e, sich wiederhole­nde Form löse in vielen Betrachter­n Assoziatio­nen mit maschinell gefertigte­n Mustern aus, sagt Lee. „Das finde ich aber gar nicht schlecht.“

Hinter einer Tür verbirgt sich ein raumfüllen­des Monstrum aus Holzlatten, Schrauben und Sprungfede­rn: Jascha Fidorra nannte sein Werk „Oit“, und legte eine Art Anleitung bei, die sich die Besucher mitnehmen durften. „Es kann sprin- gen. Es kann fliegen. Es ist für Kinder“, heißt es lakonisch in der Erklärung. Wie eine Apparatur von Leonardo da Vinci sieht „Oit“aus, für einen erschrecke­nd langen Moment fragt sich der Betrachter, ob sie wirklich fliegen kann – und wie sicher es wohl wäre, ein Kind auf den Sportsitz in der kleinen Kuppel zu setzen, wenn sich das Objekt „mehrere Hundert Meter in die Luft“katapultie­rt, wie es im kleinen, gefalteten Handbuch heißt. Dort findet sich auch eine ausführlic­he Liste aller Bauteile und ihrer Maße, bis zur letzten Schraube – vielleicht zum Nachbauen?

Lotte Leerschool stammt aus den Niederland­en und zeigt in ihrem Ausstellun­gsraum Bilder, Fotos und Fragmente aus größeren Malereien. Die 29-Jährige ist künstleris­ch nahezu allseitig aktiv: Ihr Studium der Bewegungsa­nalyse und des Tanzes drücke sich auch in ihren Werken aus. Eines davon, eine schwarz-weiße Fotografie einer Frau, die auf einem Lattenrost steht und der an die Wand gelehnten Matratze zu- und der Kamera abgewendet ist, hat etwas Wütendes, Destruktiv­es. „Es sollen keine Stillleben sein“, betont Leerschool, auch in ihren anderen Bildern, auf denen offenbar unbelebte Gegenständ­e zu sehen sind, solle sich immer auch Dynamik finden, etwas, was auf ein gerade stattgefun­denes „Event“verweist. So erklärt die Studentin auch die Textseiten, die sie für eine Collage ohne Titel verwendete: Obwohl sie von Weitem nur als übermalte Textspalte­n zu sehen sind, enthalten sie doch eine Geschichte, etwas, das im Jetzt steht.

 ??  ?? Collagen und Fotografie­n sind ein Ausschnitt aus dem Wirken von Lotte Leerschool. Die 29-jährige Kunststude­ntin will mit ihrer Kunst, obwohl abstrakt, Bewegung ausdrücken und auf gerade stattgefun­dene „Events“verweisen.
Collagen und Fotografie­n sind ein Ausschnitt aus dem Wirken von Lotte Leerschool. Die 29-jährige Kunststude­ntin will mit ihrer Kunst, obwohl abstrakt, Bewegung ausdrücken und auf gerade stattgefun­dene „Events“verweisen.

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