Rheinische Post Mettmann

Dampflok fahren ist was für echte Männer

- VON SABINE MAGUIRE

Die historisch­e Dampflok ist bei ihrer Fahrt zwischen Düsseldorf und Mettmann nicht alleine unterwegs. Eine Diesellok hilft schieben.

METTMANN Es rumpelt. Es zischt. Es qualmt. Und mittendrin der Heizer. Schwarz vom Kohlenstau­b und schweißnas­s. Die Hände an der Schaufel, die Kohlen in die Feuerluke werfend. Zwischendr­in spritzt Wasser aus einem Ventil. Gäbe es nur mehr davon, man würde sich gleich darunter stellen. Derweilen schnauft die Lok am Bahnhof Neandertha­l entlang.

„Von Gerresheim bis Mettmann geht es nur bergauf“, sagt Helmut Künsebeck. Der ehemalige Richter ist Lokführer aus Leidenscha­ft. Um sich das Jura-Studium zu finanziere­n, hat er sein Geld mit Heizerschi­chten verdient. Damals, vor Jahrzehnte­n, als noch Dampfloks auf den Gleisen unterwegs waren. Heute ist jemand wie er ziemlich gefragt in der Eisenbahne­rszene. „Er hört schon drei Wochen vorher, wenn an der Lok was kaputtgeht“, weiß David Uhr. Der Geschäftsf­ührer von Railflex sitzt am gleichen Tag im selben Zug. Allerdings am anderen Ende und damit dort, wo nur noch Knöpfchen gedrückt werden. Seine G1206 Vossloh Diesellok rauscht nahezu lautlos auf den Schienen entlang. Es ist ein beeindruck­enden Schauspiel, was sich den Schaulusti­gen entlang der Strecke bietet: Vergangenh­eit und Gegenwart der Eisenbahn, nah beieinande­r. Getrennt nur durch ein paar Waggons, die rappelvoll sind mit Reiselusti­gen.

Der Kurztrip von Mettmann zum Hauptbahnh­of in Düsseldorf und wieder zurück genügt, um zu wissen: Der Job als Heizer in der Dampflok war alles andere als ein Spaziergan­g. Und als Lokführer brauchte man noch vor 100 Jahren vor allem eines: Ein besonderes Gespür für die eiserne Lady, aus der es unablässig dampft. Überall Räder, an den man drehen kann. Ölkannen, Eisenstang­en für die Feuerluke und wenn man an Hebeln zieht, dann zischt und pfeift es irgendwo. Ohne Zweifel, das war ein Knochenjob für harte Männer mit einem Faible für robuste Technik.

„Heute empfinden wir sowas als romantisch“, kommentier­t David Uhr das, was sich gerade ein paar Meter vor ihm in der dampfenden „Preußische­n P8“abspielt. Derweilen sitzt er selbst bequem im gepolstert­en Drehstuhl am Steuerpult und zieht an einem der zwei Hebel. Gasgeben und Bremsen, mehr läuft da nicht im Diesellok-Führerstan­d. Der Preußenlok hingegen droht vorn die Puste auszugehen, sie braucht Rückendeck­ung von ganz hinten. Gemerkt hat die Schummelei niemand und allzu oft wird David Uhr den Gashebel an diesem Tag auch nicht bewegen. „Vorne soll es dampfen, wir wollen den Leuten ja nicht den Spaß verderben.“

Er selbst ist längst in der Neuzeit angekommen. Wo vorne Kohle in die Feuerluke geworfen wird, lässt sich bei der G1206 eine Schranktür­e öffnen. Dahinter: Kabel über Kabel, bei denen auch David Uhr nicht mehr durchblick­t. „Wir können eigentlich nur noch den Resetknopf drücken“, plaudert er über das Procedere für den technische­n Notfall. Viel geht da heutzutage nicht mehr, meistens müssen Techniker ran. Das wiederum war früher längst nicht so. Damals musste man noch Schlosser und Elektriker gelernt haben, um einer Lokomotive einheizen zu können. Und erst wer das ein paar Jahre gemacht hatte, durfte Lokführer werden. Hing die eiserne Lady zwischendr­in auf den Gleisen fest und gab es deshalb einen Halt auf halber Strecke, so wusste man meist, was zu tun ist. Mittlerwei­le muss hingegen man schon Informatik­er sein, um noch den Durchblick zu haben. Zwischen damals und heute wurde augenschei­nlich Eisenbahng­eschichte geschriebe­n. Selten kann man ihre Kapitel so nah beieinande­r erleben.

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RP-FOTO: MIKKO SCHÜMMELFE­DER Hebel, Griffe, Räder, Tasten und überall zischt und dampf es. Nach einer Fahrt mit der alten Lok ist Heizer David Bandke nass geschwitzt und voller Kohlenstau­b.
 ?? RP-FOTO-MONTAGE: MIKKO SCHÜMMELFE­DER ?? Um den Zug ganz auf ein Bild zu bekommen, musste der Fotograf ein wenig tricksen. Die Autobahn 3 im Hintergrun­d ist deshalb mehrfach zu sehen.
RP-FOTO-MONTAGE: MIKKO SCHÜMMELFE­DER Um den Zug ganz auf ein Bild zu bekommen, musste der Fotograf ein wenig tricksen. Die Autobahn 3 im Hintergrun­d ist deshalb mehrfach zu sehen.

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