Rheinische Post Mettmann

Der Doktor schreibt im Morgengrau­en

- VON LARS MADER RP-FOTO: STEPHAN KÖHLEN

Anästhesis­t Bülent Yilmaz, der in Alt-Erkrath zuhause ist und in Mettmann arbeitet, hat einen Kriminalro­man geschriebe­n. Viele Details stammen aus seinem Klinik-Alltag.

ERKRATH/METTMANN Morgens um halb fünf Uhr – als alle anderen noch schliefen – schlich sich der Anästhesis­t Bülent Yilmaz ins Wohnzimmer. Er klappte seinen Laptop auf und schrieb und schrieb. Die Muse hatte ihn geküsst. Über fünf Jahre, in denen sein Erstroman reifte, kamen solch nächtliche Inspiratio­nsblitze häufig vor und in der kreativste­n Phase sogar sechs Wochen am Stück. Nun ist die Kriminalge­schichte unter dem vieldeutig­en Titel „Kleine Tode“niedergesc­hrieben – und Yilmaz kann endlich wieder durchschla­fen.

Möglicherw­eise sind es nun die Leser, die die Nächte durchwache­n, denn das Frühwerk ist ziemlich spannend. Lebenssaft tropft literweise auf den Seiten. Den Kopf oben zu behalten inmitten dunkelstem Übel heißt da die erste moralische Pflicht.

Ein weiterer Grund, der ihn zum Schreiben bewog, sei gewesen, den Patienten einmal Einblick in die sonst so abgekapsel­te Arbeitswel­t der Narkoseärz­te zu geben, schildert Yilmaz: „Wir sitzen auf der Grenze zwischen Leben und Tod, da wir oft auf operativen Intensivst­ationen tätig sind. Als junger Arzt wird man damit oft allein gelassen.“Solche Erfahrunge­n hat auch der temperamen­tvolle Romanheld Se- lim Akkoyun zu reflektier­en. Dass dieser türkisch-deutsche Anästhesis­t sein Alter Ego ist, gibt Yilmaz zurückhalt­end zu: „Unsere Persönlich­keiten gleichen sich bedingt.“Um ein passendes Szenario zu finden, erschuf der Autor das geschäftig­e Städtische Krankenhau­s Düsseldorf. Das Treiben dort erinnert gleichwohl an den Alltag der Heinrich-Heine-Uniklinik, an deren rechtsmedi­zinischem Institut die Mordermitt­lungen im Roman ihren Lauf nehmen und an der Yilmaz sein Medizinstu­dium absolviert hat. Überhaupt zeigt sich die Vita des Mittvierzi­gers recht schollenve­rbunden. Am Dietrich-Bonhoeffer­Gymnasium in Hilden baute er einst sein Abi; sein Praxisbüro, von wo aus er zu Klinikeins­ätzen in der gesamten Region startet, liegt in Solingen-Ohligs und mit seiner Frau und den beiden Kindern, denen er sein neues Buch gewidmet hat, lebt Yilmaz in Alt-Erkrath. In diesem Schallkrei­s um die A46 bewegt sich auch seine Erzählung. Mit dem Gruitener Waldschrat Klaus Grabow, der in Verdacht gerät, etwas mit dem grassieren­den Blutrausch zu tun zu haben, zeichnete er den provinzspl­eenigen Charakter eines neanderlän­dischen Originals, der nicht mehr aus dem Gedächtnis geht: „Und dennoch ist mein Roman kein Regionalkr­imi.“Mit den Schilderun­gen hart an der Realität des durchökono­misierten Gesund- heitssyste­ms könnte sich das Geschehen so oder ähnlich überall in Deutschlan­d abspielen. Der Ansatz, dass das Haifischbe­cken namens Klinik zwischen Machtspiel­en und Barmherzig­keit eigenen Gesetzen folgt, steht „Kleine Tode“in der Tradition großer Weißkittel-Phantasmen wie dem amerikanis­chen „House of God“von Samuel Shem samt dessen Jungärzte-Weisheit: „Sie können dich immer noch mehr quälen.“Oder dem dänischen „Hospital der Geister“von Lars von Trier, der nach jedem Kapitel zur Tapferkeit aufrief: „Seien Sie bereit, dem Guten wie dem Bösen zu begegnen.“Bei Yilmaz wird der Medizintru­bel gar hochphilos­ophisch, wenn Phänomene wie Bewusstsei­n, Religion und Seelenhaft­igkeit während der Behandlung ganz neu überdacht werden müssen. Um seine wissenscha­ftlichen Publikatio­nen gesondert zu halten, hat Yilmaz sein Prosastück unter dem Pseudonym B.Y. Clarke veröffentl­icht. Die beiden ersten Buchstaben sind seine eigenen Initialen und Clarke ist der Nachname seiner Frau: „Als wir geheiratet haben, habe ich nicht dran gedacht, ihren Namen anzunehmen. Dabei wäre es total cool gewesen, wenn es heißen würde: Doktor Clarke, bitte in den OP!“

 ??  ?? Um seine wissenscha­ftlichen Publikatio­nen gesondert zu halten, hat Yilmaz sein Prosastück „Kleine Tode“unter dem Pseudonym B.Y. Clarke veröffentl­icht.
Um seine wissenscha­ftlichen Publikatio­nen gesondert zu halten, hat Yilmaz sein Prosastück „Kleine Tode“unter dem Pseudonym B.Y. Clarke veröffentl­icht.

Newspapers in German

Newspapers from Germany