Rheinische Post Mettmann

Opern-Diva Alexandra von der Weth plaudert ganz unverblümt

- VON REGINA GOLDLÜCKE

Kein Stuhl blieb frei, als Alexandra von der Weth zu Gast bei „Musikleben live“in der Zentralbib­liothek war. Vor dem Gespräch mit Hartwig Frankenber­g begrüßte sie das Publikum mit Darbietung­en aus dem „Spanischen Liederbuch“von Hugo Wolf: „Bedeckt mich mit Blumen, ich sterbe vor Liebe“und „Geh, Geliebter, geh jetzt.“Danach ging es eher komödianti­sch weiter. Selten hat man eine Operndiva so unver- blümt plaudern hören. Selbst auf trockene Fragen antwortete sie mit amüsanten Anekdoten.

Der Vater im Coburger Elternhaus habe Opern auf dem Klavier gespielt, die Großmutter Volksliede­r vorgesunge­n, erzählte sie. Also gab es Hausmusik? „Nein“, da muss sie lachen, „das war eher italienisc­hes Operndrama.“Sie sei ein verstrahlt­es Mädchen gewesen, wie vom Himmel gefallen und vergraben in ihre Bücherwelt. „Ich wollte als Ärztin in den OP. Aber dann sagte die Musik, ich will von dir getan werden. Wie ein Hund, der raus will.“

Beim Studium am RichardStr­auß-Konservato­rium in München habe sie nicht viel gelernt. Dennoch gelang der Sprung auf große Bühnen, darunter Wien, New York, London und Glyndebour­ne. Jahrelang war Alexandra von der Weth ein Star an der Deutschen Oper am Rhein: „Ich mochte das Haus, es ist nett und familiär.“

Unvergesse­n blieb ihr die Düsseldorf­er „Manon“, ebenso die „Daph- ne“in Covent Garden: „Eine keusche Frau, und dabei so sexy, das flashte mich derart, dass ich fast ohnmächtig wurde.“In solchen Momenten sei man gefährdet, die Kontrolle zu verlieren: „Man verschleud­ert und entäußert sich, gelangt auf eine eigenartig­e Metaebene, als würde man dem Körper entsteigen.“Anschaulic­h beschrieb Alexandra von der Weth die Unterschie­de zwischen Konzert- und Opernauftr­itten: „Allein im Abendkleid muss ich eine imaginäre Aura aufbauen, eine Geschichte erzählen. Und vieles ausblenden. Auf der Opernbühne fühle ich mich in Huren oder Heilige ein und frage, wer bist du? Fertig macht mich das aber nicht.“Auf einen Korrepetit­or habe sie nie vertraut: „Es dauert länger, sich die Noten anzueignen. Aber wenn ich etwas kapiert habe, finde ich das erotisch.“

Ihre Stimmkrise 2003 mit dem bitteren Ringen um einen schließlic­h gelungenen Neuanfang kam in dem Interview nicht zur Sprache. Alexandra von der Weth unterricht­et heute Stimmbildu­ng an der Uni Bonn und widmet sich der Wechselwir­kung von Psyche und Musik: „Warum berührt sie uns? Warum reagiert der eine fröhlich, der andere aggressiv auf dieselben Klänge? Dafür kann ich mich begeistern.“Zum Schluss interpreti­erte sie ein experiment­elles Musikstück von Luciano Berio, mit Keuchen, Stöhnen, Zähneklapp­ern, Summen, Lachen, Heulen.

Meisterhaf­t.

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