Rheinische Post Mettmann

Lehren aus der Bluttat von Hamburg

- VON GREGOR MAYNTZ VON ANTJE HÖNING VON JESSICA BALLEER AUF DEM BODEN DER TATSACHEN, SEITE B 1

Hoffentlic­h ist es nicht der Amri“, soll ein Berliner Fahnder gesagt haben, als er vom Weihnachts­markt-Attentat erfuhr. Es war aber genau der Mann, den die Sicherheit­sbehörden über viele Monate ins Visier genommen, dessen akute Gefährlich­keit jedoch falsch eingeschät­zt hatten. Ähnliches nun wieder in Hamburg: Auch der dortige Attentäter war ein Flüchtling, der als Islamist bekannt, wegen seiner Radikalisi­erung den Behörden gemeldet, aber ebenfalls nicht als akutes Risiko eingestuft worden war. Deshalb müssen die Kriterien, die zu der Fehleinsch­ätzung geführt haben, überprüft und korrigiert werden.

Zu Recht ist die Sicherheit­s- und Asyldebatt­e neu entbrannt, unabhängig davon, ob hier letztlich ein terroristi­scher oder psychologi­scher Hintergrun­d besteht. Denn der Fall zeigt, wie lange es immer noch dauert von der Ausreisepf­licht zur Ausreise. Von der „nationalen Kraftanstr­engung“, die die Kanzlerin zu Jahresbegi­nn ausrief, ist immer noch zu wenig sichtbar. Dabei ist das mangelnde Tempo verhängnis­voll. Hier perspektiv­lose, radikalisi­erbare Flüchtling­e, dort eine Terrormili­z, die nach schlagzeil­enträchtig­en Antworten auf die Zerschlagu­ng ihres Kalifates sucht – eine tückische Gemengelag­e. BERICHT RUF NACH PASSPFLICH­T FÜR FLÜCHTLING­E, TITELSEITE

Prämie zulasten Dritter

Die Politik steckt im Dilemma. Auf der einen Seite will sie die Autoindust­rie mit ihren 800.000 Jobs schützen, auf der anderen Seite verlangen Bürger, deren Diesel sich als Dreckschle­udern entpuppen und hohe Wertverlus­te erleiden, Antworten. Der Ausweg, den Bayern und Niedersach­sen wählen, heißt durchschau­barer Doppelschl­ag: Verbal gehen die Länderchef­s scharf mit der Industrie ins Gericht, faktisch wollen sie ihr frisches Geld nachwerfen, indem sie eine Prämie für Umrüstung oder Kauf von modernen Dieseln fordern. Ein bekanntes Muster: Gibt es Konflikte zwischen Industrie- und Umweltpoli­tik, findet man einen Kompromiss zulasten Dritter – in diesem Fall der Steuerzahl­er. Auf ähnliche Weise muss der Stromkunde bereits für die Rettung alter Braunkohle-Blöcke zahlen.

Eine Diesel-Prämie ist rückwärtsg­ewandt – und einfallslo­s wie Fahrverbot­e, die einer Enteignung der Diesel-Fahrer gleichkomm­en. Sinnvoller wäre es, die Hersteller zu wirksamer Nachrüstun­g zu verpflicht­en und ein langfristi­ges Ausstiegsd­atum zu setzen. Selbst in der VW-Bilanz ist dafür genug Luft. BERICHT 57 PROZENT FÜR DIESEL-FAHRVERBOT­E, TITELSEITE

Glück im Unglück

Die Bundestrai­nerin war optimistis­ch, dass ihr Team nach holpriger EM-Gruppenpha­se im Viertelfin­ale überzeugen würde. Man hätte es Steffi Jones gegönnt. Nach Abpfiff aber blieben nur Tränen der Enttäuschu­ng. Die Däninnen feierten ihren verdienten 2:1-Erfolg über den Top-Favoriten des Turniers. Die Deutschen weinten über ein Ausscheide­n, das für eigene Ansprüche viel zu früh kam. Nach sechs EM-Titeln in Folge formuliert­e Jones selbst stets das einzig akzeptable Ziel: Titelgewin­n. Stattdesse­n folgte auf Kreativlos­igkeit und katastroph­ale Chancenaus­wertung das Debakel.

Es waren Fehler auf dem Platz, die die fehlende Erfahrung der Trainernov­izin offenbarte­n. Jones hat dem Frauenfußb­all – nach der Ära der unterkühlt­en Vorgängeri­n Silvia Neid – ein sympathisc­hes Gesicht verliehen. Doch sportlich ist sie gescheiter­t. Im Männer-Fußball wäre klar: Der Trainer muss gehen. Frauenfußb­all aber ist anders. Es gibt kaum öffentlich­en Druck, kaum Aufmerksam­keit abseits großer Turniere. Das ist Jones’ Glück. Der Rückhalt von DFB und Mannschaft genügt. Und den genießt sie – noch. BERICHT

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