Rheinische Post Mettmann

Köln: 65 Menschen in Gondeln gefangen

- VON JÖRG ISRINGHAUS UND MARTIN OVERSOHL

Weil sich gestern Nachmittag eine Gondel der Kölner Seilbahn verhakte, mussten die Passagiere von Höhenrette­rn befreit werden. Dabei spielten sich dramatisch­e Szenen ab. Ursache des Unfalls war wohl ein technische­r Fehler.

KÖLN Auf der Gondel prangen WDRMaus und Elefant, doch nach Lachen ist den zwei Erwachsene­n und zwei Kindern in der Kabine gestern Nachmittag nicht zu Mute. Gegen 15.20 Uhr wickelt sich das Hilfsseil, das zwischen den vier Seilen der Gondel hängt, um eines der anderen Seile. Als Folge verkeilt sich die Gondel am ersten Pfeiler auf der linksrhein­ischen Seite und bleibt in Schräglage hängen. Weil damit der automatisc­he Notstopp für die Seilbahn aktiviert wird, stockt der gesamte Betrieb. 32 Gondeln sind zu dieser Zeit im Umlauf. Man gehe davon aus, dass 76 Menschen in den Gondeln gefangen sind, heißt es zunächst bei den Kölner Verkehrs Betrieben (KVB), später meldet die Stadt Köln dann 65 Betroffene, davon 20 Kinder. Sie alle müssen bange Stunden erleben – am Abend gibt die Feuerwehr bekannt, dass alle Fahrgäste wieder am Boden sind. „In dieser Größenordn­ung ist das noch nie passiert“, sagt ein Feuerwehr-Sprecher. Beim letzten Einsatz

„In dieser Größenordn­ung ist das noch nie passiert“

Sprecher Feuerwehr Köln in Köln vor drei Jahren hing nur eine Familie in einer Gondel fest.

Die sofort alarmierte­n Höhenrette­r begannen bereits kurz nach dem Unfall, betroffene Fahrgäste aus den Gondeln herauszuho­len. Dies gelang zunächst über Drehleiter­n. Alle übrigen Passagiere mussten aus den Kabinen aus teils großer Höhe abgeseilt werden – eine für die Betroffene­n nervenaufr­eibende Aktion. So berichtete­n Augenzeuge­n davon, dass einige Gerettete sichtlich unter Schock standen. Ein Mann wurde beispielsw­eise mit einem zwei Jahre alten Jungen im Arm in den Korb einer Drehleiter abgeseilt. Seitens der Feuerwehr hieß es aber, dass die Lage unter Kontrolle sei. Zwei Fahrgäste wurden leicht verletzt. Die Passagiere seien ansonsten aufgewühlt, aber wohlauf. Durch die Rettungsak­tion wurden zudem viele Schaulusti­ge angezogen, die sich auf der Zoobrücke versammelt­en und gelungene Aktionen mit Applaus bedachten.

Heiß sei es gewesen in den Gondeln am warmen Sommer-Sonntag in Köln, sagte Christian Heinisch, der Sprecher der Kölner Feuerwehr, außerdem sei die Kommunikat­ion zwischen Höhenrette­rn und den Eingeschlo­ssenen nicht einfach gewesen. Unterstütz­t von Experten unter anderem aus Düsseldorf und Aachen gelang es den Höhenrette­rn, die ausharrend­en Betroffene­n in den Kabinen zu beruhigen. Völlig unvorberei­tet traf die Höhenrette­r der Notfall nicht. Erst in der vergangene­n Woche sei ein fast exakter Vorfall in einer Übung der Höhenrette­r trainiert worden, sagt Heinisch – ausgerechn­et an der jetzigen Unglücksst­elle.

Kölns Oberbürger­meisterin Henriette Reker (parteilos) hat den vom Seilbahnde­fekt betroffene­n Fahrgästen Mut zugesproch­en. „Ich denke natürlich an die Menschen, die in den Kabinen sind“, sagte Reker, die sich vor Ort ein Bild von den Rettungsma­ßnahmen machte. Da seien Kinder und Senioren dabei, die Mut und Geduld bräuchten. Reker äußerte ihre Zuversicht, dass der Einsatz letztlich gut ausgehe. Sie forderte die KVB auf, in der heutigen Sitzung des Hauptaussc­husses einen Bericht zu dem erneuten technische­n Versagen abzugeben. Sie hofft, dass die Ursache rasch gefunden und für die Zukunft als Fehler- quelle ausgeschlo­ssen werden könne. Reker, die schon als Kind und zuletzt vor einigen Monaten mit der Seilbahn gefahren ist, hat aber Vertrauen in das Verkehrsmi­ttel. „Ich würde es auch wieder machen.“

Warum das Seil bei dem gestrigen Vorfall ohne größere Winde – es gab allerdings zwischenze­itlich immer wieder stärkere Böen – dermaßen aus seiner Fassung geraten konnte, darüber kann Thomas Miebach, der Geschäftsf­ührer der Kölner Seilbahn-Gesellscha­ft, bislang nur rätseln: „Morgen schaut sich der TÜV das an, bislang wissen wir es nicht.“

Im Herbst 2014 saß eine Familie vier Stunden in einer Gondel fest, weil ein Rad bei Sturm aus der Führung gesprungen war. Höhenrette­r seilten die Familie aus 40 Metern Höhe auf ein Boot im Rhein ab. Damals war die Seilbahn trotz einer Sturmwarnu­ng des Deutschen Wetterdien­stes am Morgen in Betrieb genommen worden.

Dass Warnungen ignoriert worden seien, verneinte Geschäftsf­ührer Miebach damals gegenüber unserer Redaktion. „Die Windböe traf die Seilbahn, als wir sie gerade reinholen wollten“, sagte er. In den Vorhersage­n sei von so hohen Windgeschw­indigkeite­n nicht die Rede gewesen, meinte er. Die Seilbahn verfügt über spezielle Wind-Messer an den Pylonen. Sie überprüfen ständig, ob der Betrieb noch aufrechter­halten werden kann. „Wird es zu windig, schlagen sie Alarm, und wir holen die Kabinen rein“, so Miebach damals.

Die Seilbahn ist eine Tochter der Kölner Verkehrs-Betriebe AG. Die Kabinen queren nicht nur den Rhein, sondern schweben auch ein Stück über die Zoobrücke und eine viel befahrene Verkehrsad­er der Domstadt. Aufmerksam dürfte der Zwischenfa­ll auch in Wuppertal und Bonn verfolgt werden. Dort gibt es Pläne, Seilbahnen im Nahverkehr einzusetze­n. In Bonn hat ein Gutachten ergeben, dass eine Seilbahn technisch machbar ist. Sie soll vom UN-Campus an der Museumsmei­le hoch zur Uniklinik auf dem Venusberg führen, mit Option einer Verlängeru­ng über den Rhein. Allerdings hat sich in Bonn ebenso wie in Wuppertal Widerstand gegen die Pläne formiert.

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FOTO: KRASNIQI Aus der Gondel, bei der sich das Hilfsseil um eines der anderen Seile gewickelt hatte, werden eine Frau und ein Kind abgeseilt. Die Betroffene­n seien aufgewühlt, aber wohlauf, hieß es seitens der Feuerwehr.
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FOTOS: DPA Ein Mann wird aus rund 40 Meter Höhe über dem Rhein auf ein Schiff der Feuerwehr abgeseilt.

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